tungsfällen sollten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte jedoch aus Gründen äußerster Vorsicht vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronische Dokumente übermitteln – unabhängig davon, in welcher Eigenschaft sie tätig werden und welche Verfahrensordnung anwendbar ist. Angesichts dieser Weiterungen ist dem FG BerlinBrandenburg recht zu geben bei seiner Einschätzung, wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde gem. § 178 III FGO i.V.m. § 115 II FGO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob bei Doppel- oder Mehrfachzulassung von Bevollmächtigten eine Wahlfreiheit besteht, hat in der Tat grundsätzliche Bedeutung – nicht nur bei Mehrfachzulassungen, sondern auch dann, wenn Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte andere berufliche Tätigkeiten ausüben oder in eigenen Angelegenheiten tätig werden. Das FG Berlin-Brandenburg stützt seine Entscheidung noch auf ein weiteres – rechtspolitisches – Argument: Eine Wahlfreiheit widerspreche dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht, denn die Nutzungspflicht solle die Digitalisierung der Justiz allgemein fördern. Das Gericht stellt insbesondere auf die möglichst umfassende und medienbruchfreie Kommunikation ab. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Anwaltschaft kann nicht einerseits die ständigen Medienbrüche bei der Kommunikation mit der Justiz beklagen und die konsequente Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs sowie die Einführung der elektronischen Akten in der Justiz fordern, aber andererseits sich auf eine Wahlfreiheit hinsichtlich der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs berufen wollen. Die konsequente Umsetzung der Digitalisierung der Justiz und die Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs erfordern es, Medienbrüche wo möglich zu vermeiden und schnellstens auf eine rein elektronische Kommunikation umzustellen. Nachdem der Anfang der vollständigen elektronischen Kommunikation mit der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gemacht ist und andere Prozessbeteiligte in den kommenden Jahren nachziehen, sollten Medienbrüche möglichst vermieden werden, da sie der Beschleunigung und Effizienz des Verfahrens entgegenwirken. Es wird abzuwarten bleiben, welche Entscheidung die Gerichte treffen werden oder ob gar der Gesetzgeber einen Anlass zur Klarstellung sieht. Rechtsanwältin Julia von Seltmann, Berlin, Geschäftsführerin der BRAK DATENSCHUTZ DATENSCHUTZRECHTLICHE ZULÄSSIGKEIT EINES VORTRAGS ZU GESUNDHEITSDATEN IM PROZESS DSGVO Art. 4 Nr. 7, Art. 5, Art. 6 I, Art. 9; BRAO §§ 1, 3 1. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung von Gesundheitsdaten in Gerichtsprozessen beurteilt sich nach Art. 6 I UA 1 S. 1 f i.V.m. Art. 9 DSGVO. 2. Rechtsanwälte sind hinsichtlich ihres Vortrags in Gerichtsverfahren Verantwortliche i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Sie tragen als unabhängige Organe der Rechtspflege in ihrer Berater- und Vertretereigenschaft selbst die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze hinsichtlich der Haftung und der Gestaltung. 3. Rechtsanwälte verfolgen bei ihrem Vortrag das berechtigte Interesse, die vertragliche Verpflichtung mit dem Mandanten zu erfüllen (vgl. § 3 III BRAO). Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wäre unmöglich, wenn er nicht grundsätzlich das vortragen dürfte, was ihm der Mandant mitteilt. Er würde sich sogar seinerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn er entgegen § 138 II, III ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreitet und den Sachverhalt aus der Perspektive seines Mandanten darstellt. 4. Art. 9 II lit. f DSGVO dient der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruchs. Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung von Gesundheitsdaten durchsetzen, so dürfen diese auch genutzt werden. Der Schutz dieser Daten soll nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten unmöglich ist. Dasselbe muss vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtsschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten. VG Wiesbaden, Urt. v. 19.1.2022 – 6 K 361/21.WI AUS DEM TATBESTAND: Der Kl. begehrt ein Einschreiten des Bekl. gegen eine Rechtsanwältin, welche die Arbeitgeberin des Kl. in einem Arbeitsgerichtsprozess mit diesem vertritt und von seiner Arbeitgeberin vertrauliche Informationen aus einem Gespräch, das eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Kl. zum Gegenstand gehabt habe, erhalten und dem arbeitsgerichtlichen Verfahren öffentlich gemacht haben soll. DATENSCHUTZ BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 168
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