Der Kl. ist Volljurist und bei der A GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) in der Abteilung P beschäftigt. Im August 2018 erlitt der Kl. einen schweren Schlaganfall. Vor diesem Hintergrund wurde ihm ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Seit August 2018 ist der Kl. ununterbrochen krankgeschrieben. Mit E-Mail v. 21.6.2019 wandte sich der Kl. an seine Arbeitgeberin und bat um ein Gespräch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 167 SGB IX („BEM“). Im weiteren Verlaufe schlug der Kl. als Teilnehmer Frau X, einen Vertreter des Betriebsrats, einen Vertreter der Schwerbehindertenvertretung, seinen Vorgesetzten Herrn Y und seinen Bruder Herrn Z als Teilnehmer vor. Weitere oder andere Personen sollten nicht dazu kommen. Am 29.8.2019 führte der Kl. dann mit seiner Arbeitgeberin ein Gespräch hinsichtlich des künftigen Arbeitseinsatzes. Hierbei ist streitig, ob es sich um ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM handelte. An dem Gespräch haben Frau X (HR Business Partnerin und Leiterin des Gesprächs), Herr N (Betriebsratsmitglied und Datenschutzbeauftragter; wobei streitig ist, ob er in der Rolle als Datenschutzbeauftragter am Gespräch teilnahm), Herr M (Vorgesetzter des Kl.), Herr O (Schwerbehindertenvertrauensmann), der Bruder des Kl. und der Kl. selbst teilgenommen. Der Kl. trägt vor, es habe keine datenschutzrechtliche Belehrung stattgefunden. Ihm sei die strikte Vertraulichkeit nur mündlich zugesichert worden. Es habe sich daher nicht um ein BEM-Gespräch gehandelt. Die Arbeitsvertragsparteien trafen im weiteren Fortgang keine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der Beschäftigung des Kl. Mit am 20.11.2019 eingegangener Klage beim ArbG Hannover (1 Ca .../19) machte der Kl. eine behinderungsgerechte Beschäftigung und Schadensersatzansprüche gegenüber seiner Arbeitgeberin geltend. Prozessbevollmächtigte für die Arbeitgeberin ist die Kanzlei K (im Folgenden: Kanzlei). Im Prozess ist Frau Rechtsanwältin J (im Folgenden: Rechtsanwältin) für die Arbeitgeberin aufgetreten. Die Rechtsanwältin trug in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren unter anderem vor, dass im Rahmen des BEM-Gesprächs eine mögliche Wiedereingliederung des Kl., die Wiederaufnahme seiner Beschäftigung, das ärztliche Attest v. 8.9.2019 und die Möglichkeit der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes besprochen worden seien. Der Kl. habe hierbei geäußert, dass für ihn die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes an seinem Erstwohnsitz in München praktischer sei. Mit Urt. v. 4.3.2020 wurde die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf schwerbehindertengerechte Beschäftigung sei nicht gegeben. Ein Präventionsverfahren nach § 167 I SGB IX sei nicht durchgeführt worden. Gegen das Urteil des ArbG Hannover legte der Kl. Berufung ein. Über dieses beim LAG Niedersachsen anhängige Verfahren (12 Sa 723/20) ist noch nicht entschieden worden. Der Kl. wandte sich am 3.7.2020 an die Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen. Auch schrieb er die Kanzlei der Rechtsanwältin an und schilderte die aus seiner Sicht vorliegenden datenschutzrechtlichen Verstöße. Mit E-Mails v. 6.8.2020 und 8.8.2020 richtete der Kl. an den hiesigen Bekl. eine Beschwerde. Es gehe um die unbefugte Erhebung, Speicherung und Verwendung von höchstpersönlichen personenbezogenen, insb. gesundheitlichen und seine Schwerbehinderung betreffende Daten. Die Rechtsanwältin seiner Arbeitgeberin habe sowohl mündlich in den Gerichtsterminen, als auch in den eingereichten Schriftsätzen an das ArbG Hannover mehrfach und umfangreich ohne die Zustimmung des Kl. aus dem Gespräch v. 29.8.2019 zitiert. Seine sensiblen privaten, vertraulich ausgesprochenen personenbezogenen Daten seien wissentlich der Öffentlichkeit preisgegeben worden. Die Erhebung der Daten durch die Rechtsanwältin sei rechtswidrig. Die Rechtsanwältin habe rechtswidrig Zugang zu der BEM-Akte erhalten. Sie habe sodann diese Daten rechtswidrig eingesehen und rechtswidrig gespeichert. Die Rechtsanwältin habe sogar wörtlich aus dem BEM-Gespräch zitiert. Es sei auch zu untersuchen, inwieweit die datenschutzrechtlichen Prozesse und Schutzmaßnahmen der Kanzlei ausreichend seien. Er bat um Verfolgung und Ahndung aller datenschutzrechtlichen Verstöße. Das mehrfache, nachhaltige und anhaltend gravierende datenschutzrechtliche Fehlverhalten seitens der Rechtsanwältin sei umfassend aufzuklären und zu sanktionieren. Für die weitere Zukunft sei ein ähnliches rechtswidriges Verhalten zu unterbinden. Der Bekl. wandte sich am 9.9.2020, 30.10.2020 und 10.12.2020 mit Zwischennachrichten an den Kl. Zu der Frage, ob der Kl. vor dem Gespräch am 29.8.2019 datenschutzrechtlich korrekt informiert worden sei, sei die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen zuständig. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die Zwischennachrichten verwiesen. Hierauf teilte der Kl. mit, er habe niemals seine Einwilligung zur Weitergabe seiner Daten an die Rechtsanwältin erteilt. Das Handeln der Rechtsanwältin sei i.S.d. Art. 82 DSGVO äußerst gravierend. Insbesondere habe sie in der Absicht gehandelt, ihn zu schädigen. Diese negative „Krönung“ des Ganzen sei nun ganz aktuell, dass die Rechtsanwältin im Schriftsatz an das LAG Niedersachsen v. 17.9.2020 auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug nehme. Die Arbeitgeberin des Kl. bezog gegenüber der Landesbeauftragten für Datenschutz des Landes Niedersachsen mit Schreiben v. 9.10.2020 Stellung. Der Kl. selbst habe die Inhalte des Gesprächs v. 29.8.2019 unmittelbar zum Streitgegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht und den diesbezüglichen Sachverhalt selbst eingebracht. Entgegen der Behauptung des Kl. habe die Rechtsanwältin keinen Einblick in die BEM-Akte bekommen. Frau X habe den Inhalt des Gesprächs BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 169
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