BRAK-Mitteilungen 3/2022

Null. Die Rechtsanwältin habe gravierend und nachhaltig die bestehenden datenschutzrechtlichen Rechte des Kl. verletzt und verletze diese auch noch heute. Der Bekl. gehe ferner davon aus, dass die beschwerdegegenständlichen personenbezogenen Daten keine personenbezogenen Daten seien. Es gelte hier Art. 4 DSGVO. Die DSGVO unterscheide auch nicht zwischen „Gesundheitsdaten“ und „wirklich sensiblen Gesundheitsdaten“. Zudem habe die Rechtsanwältin unabhängig vom Vortrag des Kl. in das arbeitsgerichtliche Verfahren neu eingeführt, dass der Kl. „nach Beendigung seiner Krankschreibung zu 100 % und ohne Wiedereingliederung wieder einsatzfähig“ sei, dass der Kl. an seinem Erstwohnsitz ärztliche Versorgung in Anspruch nehme und dass es dem Kl. im Rahmen des Gesprächs sichtlich schwer gefallen sei, über das Erlebte sowie die Erkrankung zu sprechen und er in dem Gespräch insgesamt nicht sehr offen gewirkt habe. Der Bekl. dürfe nicht nach einem allgemeinen „Gesamt-Gefühl“ pauschale Einschätzung ohne Anwendung des Gesetzes vornehmen. Der Bekl. habe in rechtswidriger Weise den Beschwerdegegenstand des Kl. auch auf andere personenbezogenen Daten aus gerichtlichen Schriftsätzen des Kl. aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem ArbG Hannover ausgedehnt. Es gehe ihm nur um die rechtswidrige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten aus dem Gespräch vom 29.8.2019 durch die Rechtsanwältin. Auch habe er keine weitergehende Beschwerde eingelegt. Der Bekl. verweigere auch die Rechtsanwendung der DSGVO, indem er auf Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte abstelle, die die Pflicht zur Anwendung von Gesetz und Recht außer Kraft setzten. Auch lägen Ermessensfehler im Rahmen des Art. 58 DSGVO vor. Es läge ein Ermessensausfall vor, da der Bekl. noch nicht einmal sehe, dass auch bei der Ausübung von Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsrecht der Ermessensspielraum des Art. 58 DSGVO eröffnet sei. Der vom Bekl. angenommene Automatismus, dass es, wenn ein Gerichtsverfahren aus dem Gebiet des Arbeitsrechts vorläge, umfassende Verwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten gebe, sei umfassend verfehlt und rechtsfehlerhaft. Auch im Falle des Vorliegens gerichtlicher Verfahren gehe der datenschutzrechtliche Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer umfassenden Interessen- und Rechtsgüterabwägung aus. Das Grundrecht des Kl. auf informationelle Selbstbestimmung werde vom Bekl. noch nicht einmal gesehen. Zudem liege ein Ermessensfehlgebrauch durch die falsche Auslegung von Art. 9b und f DSGVO vor. Der Bekl. differenziere nicht zwischen Daten i.S.v. Art. 6 und Art. 9 DSGVO. Auch liege ein Ermessensfehlgebrauch durch das Fehlen jeder ordnungsgemäßen Ermessensausübung in Gestalt der gebotenen sorgfältigen Interessen- und Rechtsgüterabwägung vor. Zudem verkenne der Bekl. das Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte personenbezogene Daten. Es könne nicht sein, dass Betroffene bei einer fehlenden datenschutzrechtlichen Belehrung weniger Schutz genössen, als wenn vor dem Gespräch ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Selbst rechtmäßig im BEM-Verfahren erhobene personenbezogene Daten dürften nicht im gerichtlichen Verfahren verwendet werden (Verbot der Zweckänderung). Wenn der Kl. sein Recht erstreiten wolle, gehe damit keinerlei Erlaubnis zur Verwendung seiner personenbezogenen Daten durch den Bekl. einher. Auch das Zivilprozessrecht rechtfertige keine Verstöße gegen das Grundrecht eines Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung. Auch könnten § 24 BDSG und § 26 III BDSG (i.V.m. Art. 9 II b und f DSGVO) keine Anwendung finden. Diese Normen seien beide restriktiv zu handhabende Ausnahmetatbestände. § 22 I Nr. 1b) BDSG sei überhaupt nicht einschlägig. Zudem sei die „Abschlussmitteilung“ v. 1.3.2021 nicht verhältnismäßig. Die „Abschlussmitteilung“ beruhe auch auf den vom Kl. aufgezeigten Rechtsfehlern. Das Grundrecht des Kl. auf informationelle Selbstbestimmung führe zu einer Schutzpflicht des Bekl. durch eine Ermessensreduzierung auf Null. Ein aufsichtsrechtliches Einschreiten können nur im Verhängen eines angemessenen Bußgeldes gegen die Rechtsanwältin bestehen. Hierbei seien unter anderem die erhebliche Schwere der durch die Rechtsanwältin begangenen datenschutzrechtlichen Verstöße zu berücksichtigen. Der Kl. beantragt, 1) die Abschlussmitteilung des Bekl. v. 1.3.2021 aufzuheben, 2) dem Bekl. aufzuerlegen, gegen die zulasten des Kl. begangenen Datenschutzverstöße der Beizuladenden, Frau J, aufsichtliche Mittel einzusetzen, 3) dem Bekl. aufzuerlegen, gegen die zulasten des Kl. begangenen Datenschutzverstöße der Beizuladenden, Frau J, ein angemessenes Bußgeld zu verhängen, 4) hilfsweise, für den Fall des Unterliegens unter Z. 1-3, den Bekl. unter Aufhebung der Abschlussmitteilung des Bekl. v. 1.3.2021 zu verpflichten, über die Beschwerde des Kl. v. 6.8.2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Der Bekl. beruft sich auf die Ausführungen in dem Bescheid v. 1.3.2021 und vertieft diese. Es sei zu trennen zwischen der rechtlichen Prüfung der Behandlung der personenbezogenen Daten im BEM-Gespräch und den Daten, die die Rechtsanwältin im arbeitsgerichtlichen Prozess verwendet habe. Es werde auf § 29 III BDSG und die Einschränkung der Untersuchungsbefugnisse nach Art. 58 Ie und f DSGVO hingewiesen. Der Bekl. habe im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Untersuchungsbefugnisse aus Art. 58 I DSGVO wahrgenommen und seinen Aufgaben aus Art. 57 I lit. a DSGVO entsprochen. Mit Beschl. v. 3.11.2021 hat das Gericht den vom Kl. gegen den Vorsitzenden Richter am VG gerichteten Befangenheitsantrag abgelehnt und mit Beschl. v. 15.12.2021 DATENSCHUTZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 171

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