durch die Beweisaufnahme veranlasst war.16 16 BGH, Beschl. v. 23.3.2021 – II ZR 80/20, BeckRS 2021, 9648. Davon unberührt bleibt eine Zurückweisung des Beweisantritts nach §§ 531 II, 530, 296 I, 525 S. 1 i.V.m. §§ 282, 296 II ZPO. Ob die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach diesen Vorschriften vorlagen, durfte der BGH nicht prüfen. Denn das Rechtsmittelgericht ist nicht berechtigt, eine Zurückweisung auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift zu stützen. 5. RECHTLICHES GEHÖR a) ZWISCHENURTEIL § 280 ZPO ermöglicht dem Gericht, über die Zulässigkeit einer Klage abgesondert durch Zwischenurteil zu verhandeln. Der Beschluss über abgesonderte Verhandlung nach § 280 I ZPO ist nicht anfechtbar, das gerichtliche Ermessen nicht überprüfbar.17 17 MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 280 Rn. 2; RGZ 57, 416, 417. Nach dem LG Nürnberg-Fürth soll eine Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 280 I ZPO im Rahmen einer statthaften Berufung gegen ein aufgrund einer solchen Verhandlung ergehendes Prozessurteil jedenfalls insoweit möglich sein, als sich gerade die Entscheidung nach § 280 I ZPO auf die inhaltliche Richtigkeit des Urteils auswirken kann.18 18 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 22.12.2021 – 8 S 3349/21, BeckRS 2021, 41692. Das LG Nürnberg-Fürth stützt sich dabei auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach „Art. 19 V GG“ [sic!]. Art. 19 IV GG garantiert allerdings nur Rechtsschutz durch den Richter, nicht gegen den Richter.19 19 Ultsch, MittBayNot 1995, 6, 10 m.w.N. b) ÜBERSEHEN EINES FRISTVERLÄNGERUNGSANTRAGS Der Kläger hatte in erster Instanz nur teilweise Erfolg. Auf seine Berufung weist ihn das Berufungsgericht auf die Absicht hin, die Berufung nach § 522 II 1 ZPO zurückweisen zu wollen. Der rechtzeitig eingereichte Fristverlängerungsantrag wird dem Senat erst verspätetet vorgelegt, nämlich erst nachdem er die Berufung durch Beschluss nach § 522 II 1 ZPO zurückgewiesen hat. Der BGH20 20 BGH, Beschl. v. 28.9.2021 – VI ZR 946/20, NJW-RR 2022, 286. stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs fest, weil das Berufungsgericht den klägerischen Fristverlängerungsantrag verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen hat. Einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die beantragte Fristverlängerung nicht hätte gewähren müssen und dass in den hypothetischen Ausführungen des Klägers im Rahmen einer fiktiven Stellungnahme zum Hinweisbeschluss „nichts Zulassungsrelevantes dargelegt“ worden ist. Eine Entscheidung verletzt schon dann Art. 103 I GG, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie anders ausgefallen wäre, wenn das Vorbringen berücksichtigt worden wäre. Davon sei in diesem Fall auszugehen. Die Frist zur Stellungnahme nach § 522 II 2 ZPO ist nach § 224 II ZPO verlängerbar. Zudem darf nicht ausgeschlossen werden können, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung einer – dann innerhalb der verlängerten Frist abgegebenen – Stellungnahme zu seinem Hinweisbeschluss zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre. Dies setzt nach dem BGH nicht voraus, dass die hypothetischen Ausführungen in einer fiktiven Stellungnahme „zulassungsrelevant“ sind. Vielmehr gilt berufungsgerichtlicher Prüfungsmaßstab des § 529 ZPO. Der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Der Kläger hatte jedenfalls vor Zurückweisung der Berufung keinen Anlass, sich zu erkundigen, ob und bis wann das Berufungsgericht die Frist zur Stellungnahme verlängert hat oder verlängern wird. 6. AUSLEGUNG VON PROZESSHANDLUNGEN Für die Auslegung von Prozesshandlungen (hier als einseitige Erledigungserklärung) ist nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Der BGH bestätigt abermals eine Auffassung, nach der der erklärte Wille entscheidend ist, der auch aus Begleitumständen und der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht.21 21 BGH, Urt. v. 21.7.2021 – IV ZR 191/20, NJW-RR 2021, 1260 Rn. 17. 7. ZULÄSSIGKEIT EINES „SAMMELKLAGENINKASSOS“ FÜR SCHWEIZER ERWERBER IM SOG. DIESELSKANDAL Nach dem OLG Braunschweig soll die Einziehung von Forderungen, deren Berechtigung sich nach ausländischem Recht beurteilt, nicht mehr von der Inkassoerlaubnis nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG gedeckt sein. Erforderlich sei (zusätzlich) eine Registrierung nach § 10 I 1 Nr. 3 RDG für „Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht“.22 22 OLG Braunschweig, Urt. v. 7.10.2021 – 8 U 40/21, AnwBl. 2021, 689. Im konkreten Fall ging es um Ansprüche eines Schweizers gegen die VW AG im Zusammenhang mit dem Kauf eines „manipulierten“ Dieselfahrzeugs, die sich ein inländischer „Inkassodienstleister“ hat abtreten lassen. Das Gericht sah die Abtretung der (Schweizer Recht unterliegenden) Ansprüche als nichtig (§ 134 BGB) an und wies die Klage mangels Aktivlegitimation ab.23 23 Kritisch Deckenbrock, EWiR 2021, 703. Auf die Revision des Inkassodienstleisters hob der BGH24 24 BGH, Urt. v. 13.6.2022 – VIa ZR 418/21, becklink 2023548 – Gründe z.Zt. des Redaktionsschlusses noch nicht abgesetzt; s. dazu BGH, Pressemitt. Nr. 91/2022 v. 13.6.2022. das Berufungsurteil auf. Ein nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister benötigt auch dann keine weitere Erlaubnis nach § 10 I 1 Nr. 3 RDG, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht. Der BGH stützt sich dabei auf den Wortlaut, die Systematik und auf den Sinn und Zweck des RDG sowie auf dessen Gesetzgebungsgeschichte. ULTSCH, DIE ENTWICKLUNG DES ZIVILVERFAHRENSRECHTS BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 AUFSÄTZE 196
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