3. Weist das Gericht nicht unverzüglich auf Formmängel im elektronischen Dokument hin, entfällt dadurch weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit des gesetzlichen Heilungsverfahrens. 4. Es fehlt nicht an der Formwirksamkeit eines elektronischen Dokuments, wenn nicht sämtliche Schriftarten eingebettet sind. BAG, Beschl. v. 25.4.2022 – 3 AZB 2/22, NZA 2022, 803 Das BAG war aufgrund der vorgezogenen Pflicht zur aktiven beA-Nutzung im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit als erstes oberstes Gericht schon mit etlichen Fragestellungen rund um das beA befasst und hat einige grundlegende – und teils auch strenge – Entscheidungen getroffen. In dieser neuen Entscheidung setzt es sich mit den etwas erleichterten Voraussetzungen, die durch die Änderungen der ERVV seit dem 1.1.2022 gelten, auseinander. Der Prozessbevollmächtigte hatte im Sommer 2021 Berufung und Berufungsbegründung per beA eingereicht. Die Dateien waren weder durchsuchbar noch kopierbar, noch waren alle Schriftarten eingebettet. All dies war bis zum 31.12.2021 vorgeschrieben. Auf gerichtlichen Hinweis hin reichte er im Dezember die Dateien nochmals ein, allerdings weiterhin ohne Einbettung sämtlicher Schriftarten. Bei Gericht wurden all diese Dokumente ausgedruckt und zur Papierakte genommen. Der Senat betont zunächst, dass grundsätzlich die bei Fristablauf maßgeblichen Vorschriften gelten. Danach waren die Schriftsätze nicht formwirksam. Allerdings differenziert er danach, wie das Gericht mit den Schriftsätzen weiter verfährt. Die wenigsten Gerichte führen nämlich bislang selbst elektronische Akten i.S.d. § 298a ZPO, sondern weiterhin Papierakten. (Die elektronische Akte wird dort erst ab dem 1.1.2026 Standard.) Das BAG zieht hieraus folgenden Schluss: Das ausgedruckte Dokument habe aufgrund § 416a ZPO den Charakter einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift. Das eingereichte elektronische Dokument könne hingegen aufgrund § 298 IV ZPO nach Ablauf von sechs Monaten gelöscht werden. Daraus lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber den elektronischen Dokumenten eine geringere Bedeutung beigemessen habe, wenn die Akten (noch) in Papierform geführt werden. Soweit die Dokumente ausgedruckt werden können, seien sie grundsätzlich zur Bearbeitung im Sinne des Gesetzes geeignet, und damit als wirksam anzusehen. Gerade diese Erwägungen machten deutlich, dass in Zeiten technischen Umbruchs, formale Anforderungen nicht übermäßig gestellt werden und nicht zu einer reinen Förmelei verkommen dürften. Dem ist letztlich nichts hinzuzufügen, und solange ein Großteil der Gerichte selbst weit entfernt von einer funktionierenden elektronischen Aktenführung sind, wäre ein pragmatischer Umgang mit technischen „Unsauberkeiten“ wünschenswert. (ju) beA-PFLICHT AUCH BEI EIGENVERTRETUNG UND FÜR MEHRFACHBÄNDER Wird ein Rechtsanwalt in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig, besteht für ihn die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen nach § 55d VwGO jedenfalls dann, wenn er explizit als Rechtsanwalt auftritt. VG Berlin, Beschl. v. 5.5.2022 – 12 L 25/22, BRAK-Mitt. 2022, 236 Ls. (in diesem Heft) Hier hatte sich der Rechtsanwalt in eigener Sache vertreten und Schriftsätze nicht per beA eingereicht. Das VG Berlin weist darauf hin, dass dem Wortlaut von § 55d VwGO nicht zu entnehmen sei, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird, ob also der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des § 55d VwGO zu unterliegen oder ob darüber hinaus zu fordern ist, dass der Rechtsanwalt im konkreten Fall auch tatsächlich als solcher auftritt. Tatsächlich war hier der Antragsteller nämlich als „Rechtsanwalt T.“ aufgetreten, so dass das VG die beAPflicht bejahte. Wird ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Anwendungsbereich des § 52d FGO von einem Rechtsanwalt nicht in elektronischer Form eingereicht, so ist er unzulässig. § 52d FGO knüpft dabei allein an den Status (Zulassung) als Rechtsanwalt an. Ist der Bevollmächtigte zugleich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen, ändert dies nichts an der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO. FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2022 – 8 V 8020/22, BRAKMitt. 2022, 165 mit Anm. von Seltmann; Stbg 2022, 193 Das FG liest § 52d FGO enger: Die Norm knüpfe allein an den Status (Zulassung) als Rechtsanwalt an. Der Meinung, dass bei einer Mehrfachzulassung ein Bevollmächtigter als Rechtsanwalt zwar unter die Nutzungspflicht falle, er aber „in Eigenschaft als Steuerberater“ erst ab 2023 unter die aktive Nutzungspflicht falle, könne nicht gefolgt werden. Die Berufsausübungspflichten als Rechtsanwalt seien nicht teilbar und knüpften allein an die Zulassung als Rechtsanwalt an. Hier kann man sicher auch anders argumentieren; Fazit muss jedoch sein, dass es für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in jedem Fall der „sicherere Weg“ ist, den Weg über das beA zu wählen. Da sie es für ihre Anwaltstätigkeit ohnehin nutzen müssen, spricht ja auch nichts dagegen. (ju) § 130d ZPO: PROBLEMDARLEGUNG SCHON BEI ERSATZEINREICHUNG Die unverzügliche Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit darf nicht erst aufgrund Hinweises des Gerichts erfolgen. OLG München, Beschl. v. 24.1.2022 – 28 U 8331/21 Bau Dass die Computertechnik bisweilen „zickt“, wissen wir alle. Von daher ist es gut, dass der Gesetzgeber mit AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2022 201
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