BRAK-Mitteilungen 5/2022

BRAK MIT TEILUNGEN OKTOBER 2022 · AUSGABE 5/2022 53. JAHRGANG AKZENTE WER HEIZT MEINE KANZLEI? Dr. Ulrich Wessels Strom, Gas, Treibstoffe, Papier und IT – die Kosten, für Dinge, die ganz grundlegend nötig sind, um in der Kanzlei arbeiten und um Gerichtstermine wahrnehmen zu können, explodieren förmlich. Das sind nur einige der Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Anwältinnen und Anwälte treffen sie besonders hart. Gerade von Kolleginnen und Kollegen, die in kleinen oder mittelgroßen Kanzleien arbeiten, hören wir dieser Tage nicht selten, dass sie sich Gedanken machen müssen, wie sie die enormen Kostensteigerungen schultern sollen. Angesichts der in den beiden letzten Jahren deutlich gestiegenen Miet- und Lohnkosten wird das umso schwerer. Doch anders als Gewerbetreibende können Anwältinnen und Anwälte diese Kostensteigerungen nicht einfach so an ihre Mandantschaft weitergeben, sie sind in vielen Fällen durch das gesetzliche Gebührenrecht beschränkt. Und dieses lässt wenig Spielraum, um die gestiegenen Kosten zu decken. Fahrtkosten zu Gericht etwa können nach Nr. 7003 VV-RVG mit 0,42 Euro pro Kilometer abgerechnet werden. Doch bei den enorm gestiegenen Kraftstoffpreisen ist das längst nicht mehr kostendeckend. Es bedarf nicht viel Phantasie, um zu erkennen, dass auch die übrigen Gebühren unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr auskömmlich sind. Doch in den bislang drei Entlastungspaketen der Bundesregierung finden sich leider keine Maßnahmen zur Entlastung der Anwaltschaft. Der essenziellen Funktion von Anwältinnen und Anwälten für unseren Rechtsstaat wird das nicht gerecht. Sie müssen auch finanziell in der Lage sein, dessen Funktionieren weiterhin zu gewährleisten. Klar ist also: Der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der rasanten Inflation muss dringend etwas entgegengesetzt werden. Ohne eine deutliche lineare Erhöhung der gesetzlichen Gebühren geht es nicht! Denn die zugrunde liegenden Streitwerte, gerade im mittleren Bereich, steigen durch die Inflation nicht – nur die damit zu finanzierenden Kosten der eigenen Kanzlei. „Was wollen die schon wieder?“ mag mancher denken, und auf den ersten Blick verwundert das nicht einmal, gab es doch erst zu Beginn des vergangenen Jahres eine Anpassung der anwaltlichen Gebühren. Doch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021, das ein paar strukturelle Änderungen und eine lineare Gebührenerhöhung um 10 % brachte, war nicht etwa auf die Zukunft gerichtet, geschweige denn auf den Ausgleich der aktuellen Inflation. Es bewirkte nur eine teilweise Anpassung an die wirtschaftlichen Entwicklungen der vorangegangenen Jahre – nach acht Jahren ohne jegliche Gebührenerhöhung, während die Tariflöhne in derselben Zeit um 16 % stiegen. Bereits damals betonte die BRAK, dass das zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei, dass die Anwaltschaft aber eine regelmäßige lineare Erhöhung brauche. In jeder Legislaturperiode und angepasst an die wirtschaftliche Entwicklung. Die Diäten der Bundestagsabgeordneten sind an die Entwicklung des Nominallohnindexes gekopplet – warum orientiert man nicht auch die gesetzlichen Anwaltsgebühren daran? Ganz besonders bei den kleineren Streitwerten ist ein Ausgleich notwendig. Eine Analyse von Wolf zeigt, dass hier die gesetzlichen Gebühren schon lange nicht mehr auskömmlich sind. Doch auch global betrachtet gilt: Anwältinnen und Anwälte sind nur durch eine regelmäßige und substanzielle lineare Erhöhung der Vergütung nachhaltig in der Lage, den Zugang zum Recht angemessen zu gewährleisten. Die Rede sollte dabei allein von einer Erhöhung der anwaltlichen Vergütung sein. Die Länder verknüpfen deren Erhöhung regelmäßig mit der Forderung nach einer Erhöhung auch der Gerichtskosten. Ein derartiges Junktim verbietet sich. Die Justiz zu finanzieren ist nicht Aufgabe der Rechtsuchenden, sie ist Teil der Daseinsvorsorge und damit Sache des Staates. Gerade in der aktuellen Inflationslage darf der Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger nicht durch steigende Gerichtskosten unerschwinglich werden. Seien Sie versichert, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die BRAK wird sich mit Nachdruck für eine rasche und spürbare Gebührenerhöhung und effektive Entlastungen auch für die Anwaltschaft einsetzen. Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 239

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