nicht denkbar.5 5 Hierzu etwa BRAK-Stn.-Nr. 56/2020, 5 – Positionspapier „Rechtsstaat 2.0 – stark & zukunftssicher. Nur ein transparenter Rechtsstaat ist ein starker Rechtsstaat“: „[...] das Gericht [muss im Strafverfahren] aufgrund seines persönlichen Eindrucks von Angeklagten, Zeugen und zentralen Beweismitteln in der Hauptverhandlung entscheiden [...].“ Dennoch sind die Möglichkeiten der Verbesserung durch Digitalisierung im Strafverfahren vielfältig. Sie reichen über die eAkte,6 6 Vgl. hierzu Knierim, StV-S 2021, 156 ff. die Frage des Umgangs mit großen Datenmengen über den Einsatz von Audio- und/oder Videotechnik bei Zeugenvernehmungen, die öffentliche Übertragung von Verhandlungen online bis hin zum Einsatz künstlicher Intelligenz (KI),7 7 Hierunter fällt auch der Einsatz von Legal Tech und Legal Robots, vgl. etwaWagner, Legal Tech und Legal Robots, 2018, passim. der zunehmend auch für Ermittlungs- und Gerichtsverfahren vorgeschlagen wird.8 8 Vgl. Enders, JA 2018, 721 ff.; Ibold, ZStW 2022, 504 ff.; Kuhlmann, in C. Bär et al., Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht, 2018, 87 ff.; Staffler/Jany, ZIS 2020, 164 ff. Mit diesem Thema beschäftigt sichWolf in seinem Beitrag „Der Zauber der KI“, BRAK-Mitt. 2022, 240 (in diesem Heft). Auf der am 11.11.2022 stattfindenden Konferenz sollen vor allem die Themen Akteneinsicht im Digitalen Zeitalter9 9 Vortrag von Stephanie Schott. und der Einsatz von Audio- und/oder Videotechnik in der Hauptverhandlung und die Folgen für das Revisionsverfahren10 10 Vorträge von Dr. Marc Tully, Prof. Dr. Anne Paschke, Prof. Dr. Rene Krenz-Baath und Dr. Louisa Bartel. erörtert werden. 1. DER EINSATZ VON AUDIO- UND VIDEOTECHNIK IM STRAFVERFAHREN Bereits seit 2013 kann die Vernehmung eines Zeugen, aber auch eines Beschuldigten durch Polizei, Staatsanwaltschaft oder Ermittlungsrichter gem. § 58a StPO bzw. § 163a I 2 StPO i.V.m. § 58a StPO in Bild und Ton aufgezeichnet werden.11 11 Vgl. Weigend, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 49, 51: Für die Vernehmung von Beschuldigten ist dies seit 2013 vorgesehen. Seit dem 1.1.2020 muss die Vernehmung eines Beschuldigten gem. § 136 IV StPO aufgezeichnet werden in Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Tötungsdelikte oder wenn die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten hierdurch besser gewahrt werden können.12 12 Vgl. Weigend, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 49, 51. Demgegenüber beinhaltet die Vorschrift des § 58a I 2 StPO „nur“ ein intendiertes Ermessen für die Aufzeichnung einer richterlichen Zeugenvernehmung, wenn die schutzwürdigen Interessen des Zeugen dadurch besser gewahrt werden oder zu besorgen ist, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. a) DIGITALE DOKUMENTATION DER HAUPTVERHANDLUNG Seit Jahren wird die audio-visuelle Aufzeichnung oder umfassende Transkription der Hauptverhandlung von Anwaltschaft und Wissenschaft gefordert.13 13 Vgl. Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Abschlussbericht_Re form_ StPO_Kommission.html (zuletzt abgerufen am 22.8.2022); vgl. Bericht der Expertenkommission zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/2021/0701_Dokumentation_Haupt verhandlung.html (zuletzt abgerufen am 22.8.2022); BRAK-Stn.-Nr. 61/2021, 3 ff.; Kudlich, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 163 ff.; Meyer-Gossner, in Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, 2008, 135 ff.; Sabel, in Hoven/Kudlich (Hrsg.), Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151 ff. Insbesondere in erstinstanzlichen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten, in denen über die wesentlichen Förmlichkeiten hinaus keine Protokollierung erfolgt,14 14 Ein Inhaltsprotokoll i.S.d. § 273 II StPO, wie es für amtsgerichtliche Verfahren vorgesehen ist, existierte von 1964 bis 1974 auch in land- und oberlandesgerichtlichen Verfahren, vgl. dazu Meyer-Gossner, in Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, 2008, 135, 138; Mosbacher, StV 2018, 182; Sabel, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151, 154. ist der derzeitige status quo rückständig. Der Inhalt der gerichtlichen Beweisaufnahme, insbesondere der Inhalt von Zeugenaussagen, muss für alle Verfahrensbeteiligten verbindlich dokumentiert werden.15 15 Vgl. etwa Sabel, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151, 154. Diskrepanzen zwischen tatsächlicher Aussage und dem im Urteil rezipierten Inhalt der Aussage wären so kaum mehr möglich.16 16 Vgl. Sabel, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151, 158. Eine audio-visuelle Aufzeichnung bzw. umfassende Transkription der Hauptverhandlung würde daher insgesamt die Transparenz des Verfahrens stärken.17 17 Vgl. Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Abschlussbericht_Re form_StPO_Kommission.html (zuletzt abgerufen am 22.8.2022), 129 ff.; relevanter Ausschnitt abgedruckt bei Sabel, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151, 154 ff. Darüber hinaus würde die Aufzeichnung entgegen einer häufig geäußerten Kritik auch die Arbeit des Gerichts erleichtern. Insbesondere in lang andauernden Verfahren wäre das Gericht nicht mehr nur auf (handschriftlich verfasste) Notizen verwiesen.18 18 Vgl. Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Abschlussbericht_Re form_StPO_Kommission.html (zuletzt abgerufen am 22.8.2022), 129 ff.; relevanter Ausschnitt abgedruckt bei Sabel, in Hoven/Kudlich, Digitalisierung und Strafverfahren, 2020, 151, 155; s. hierzu auch Bartel, StV 2018, 678, 679 f. Zudem würde eine solche Dokumentation der Hauptverhandlung im Falle eines Verteidigerwechsels die Einarbeitung des neuen Verteidigers in das Verfahren erleichtern.19 19 Vgl. BRAK-Stn.-Nr. 61/2021, 9 f. Dabei ist eine solche Dokumentation zwar in erstinstanzlichen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten aufgrund aktuell fehlender Protokollierung insbesondere von Zeugenaussagen besonders wichtig. Sie ist aber auch in Verfahren vor den Amtsgerichten von Vorteil, in denen gem. § 273 II StPO ein Inhaltsprotokoll der wesentlichen Ergebnisse einer Vernehmung verpflichtend ist. Denn das „Inhaltsprotokoll“ hat mangels Autorisierung der vernommenen Person keinen eigenen Beweiswert.20 20 Vgl. Meyer-Gossner, in Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, 2008, 135, 136 ff. Niedergeschrieben wird nur und ausschließlich das, was dem Protokollführer wichtig schien und wie er es verstanden hatte.21 21 Vgl. Meyer-Gossner, in Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag, 2008, 135, 138. Indes werden auch Einwände gegen eine Dokumentation der Hauptverhandlung erhoben, die vor allem die Revision betreffen.22 22 Vgl. zur Diskussion etwa: Bartel, StV 2018, 678, 681 ff.; Mosbacher, StV 2018, 182; Schmitt, NStZ 2019, 1, 7 ff. Aus dem Blickwinkel der Revision wird Dr. Marc Tully, Präsident des Hanseatischen OLG, am 11.11.2022 referieren. KNAUER, DIGITALISIERUNG DES STRAFPROZESSES IM KONTEXT RECHTSSTAAT UND ZUGANG ZUM RECHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 245
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