BRAK-Mitteilungen 5/2022

sichtslose Klage (über einen Widerruf eines Bankdarlehens) geführt, ohne ihn über die Aussichtslosigkeit belehrt zu haben. Nachdem die dortige Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, legte der Mandant, nun anderweitig anwaltlich vertreten, Berufung ein und schloss mit der Bank nach einem Hinweis des OLG nach § 522 II ZPO 2016 einen Vergleich bei Kostenaufhebung. Seine Kosten wurden vom Rechtsschutzversicherer getragen. Das LG wies die Schadensersatzklage des Versicherers ab. Das OLG wies nach § 522 II ZPO darauf hin, dass die Berufung offensichtlich keine Erfolgsaussichten habe. Daraufhin nahm der Versicherer seine Berufung zurück. Die Klage im Ausgangsverfahren sei, so das OLG, bereits nicht völlig aussichtslos gewesen. Nach dem Vortrag des Anwalts habe dieser bereits keine Pflicht gegenüber dem Mandanten verletzt, da er diesen ordnungsgemäß über die Prozessrisiken belehrt habe. Diesem Vortrag sei der Versicherer nicht qualifiziert entgegengetreten. Eine anwaltliche Pflichtverletzung liege auch nicht darin, dass der Streitwert (durch einen Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Darlehenswiderrufs) unnötig in die Höhe getrieben worden wäre. Dieser Antrag habe dem Rechtsschutzziel des Mandanten entsprochen.1 1 BGH, NJW 2017, 2340. Auch sei zweifelhaft, ob dem Mandanten ein Schaden entstanden sei, der auf den Rechtsschutzversicherer nach § 86 I 1 VVG habe übergehen können. Die Ermittlung eines Schadens nach § 249 I BGB erfordere einen Gesamtvermögensvergleich, der sämtliche von einem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen Positionen umfasst. Hierzu habe der Versicherer nicht hinreichend vorgetragen. Dieser könne sich nicht auf die Darlegung der von ihm getragenen Verfahrenskosten beschränken. Da er Ansprüche aus gesetzlichem Forderungsübergang nach § 86 I 1 VVG geltend mache, müsse der Gesamtvermögensvergleich auch dasjenige einbeziehen, was der versicherte Mandant durch den Rechtsstreit erlangt hat. Daher sei zunächst der aufgrund des im Ausgangsverfahren geschlossenen Vergleichs von der Bank gezahlte Vergleichsbetrag zu berücksichtigen. Weiter komme ein Vermögensvorteil in Form ersparter Zinsaufwendungen auf das Darlehen oder einer ersparten Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung durch Ablösung des Darlehens infolge des mit der Bank geschlossenen Vergleichs in Betracht. Hierzu habe der Versicherer nichts vorgetragen. Zudem könne sich der Anwalt auf Verjährung berufen. Spätestens nach dem Hinweis des OLG nach § 522 II ZPO im Ausgangsverfahren im Jahr 2016, dass die Berufung des VN keine Erfolgsaussichten habe, habe der Versicherer Kenntnis i.S.v. § 199 I BGB von dem möglichen Vorwurf einer aussichtslosen Klage gehabt. Er könne sich nicht darauf berufen, erst im Zuge einer Überprüfung des Falls im Jahr 2018 Kenntnis erlangt zu haben. Die Klage gegen den Anwalt sei erst 2020 erhoben worden. Da ein Rechtsschutzversicherer mit eigener Prüfungskompetenz typischerweise über eine höhere Sachkunde verfüge als der durchschnittliche Mandant, sei ihm eine jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis i.S.v. § 199 I Nr. 2 Alt. 2 BGB vorzuwerfen. Auf den Vorwurf aussichtsloser Prozessführung gestützte Klagen von Rechtsschutzversicherern gegen Anwältinnen und Anwälte sind sehr häufig geworden. Der Anwaltshaftungssenat des BGH hat mit einer Grundsatzentscheidung einige umstrittene Rechtsfragen geklärt.2 2 BGH, NJW 2021, 3324 m. Anm. Borgmann, Besprechung von Grams, BRAK-Mitt. 2021, 370. Wenn die Klage des rechtsschutzversicherten Mandanten vollumfänglich kostenpflichtig abgewiesen wurde, ist die Darstellung des auf den Versicherer übergehenden Kostenschadens unproblematisch. Wurde das Verfahren aber durch Vergleich beendet, muss der Versicherer einen Gesamtvermögensvergleich anstellen, bei dem er eben nicht nur die von ihm getragenen Verfahrenskosten berücksichtigen darf, sondern auch die vom Mandanten erzielten Vorteile einbeziehen muss. Die Darlegungslast für den Gesamtvermögensvergleich liegt beim Geschädigten. Sind Vorteile des Mandanten unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses (hier der Klageerhebung), handelt es sich also um Vorteile, die zwangsläufig mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, sind sie Teil des Gesamtvermögensvergleichs und sind unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehen. Nur bei Vorteilen, die sich nicht unmittelbar aus dem schädigenden Ereignis ergeben, sondern auf einen zusätzlich, vielleicht gar zeitlich versetzt hinzutretenden Umstand zurückzuführen sind, findet das Institut der Vorteilsausgleichung Anwendung, für die der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast trägt.3 3 BGH, MDR 2022, 99; Besprechung von Chab, BRAK-Mitt. 2022, 26. Das OLG Celle hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst dann den Versicherer eine sekundäre Darlegungslast träfe. (hg) VERJÄHRUNGSHEMMENDE MASSNAHMEN BEI RUHEN DES VERFAHRENS 1. Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen, wenn das Ruhen des Verfahrens angeordnet wird. (Orientierungssatz) 2. Das Haftungsprivileg der Partner einer PartGmbB greift nicht, wenn sowohl die Mandatsübernahme als auch die Pflichtverletzung vor Umstrukturierung aus der einfachen Partnerschaft erfolgt sind. (eigener Ls.) LG Bremen, Urt. v. 15.7.2022 – 4 O 2347/20 Scheidungsverfahren zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie lange dauern. In vielen Fällen besteht Streit bzw. Unklarheiten über die Vermögensverhältnisse, es muss mit Auskunftsansprüchen und evtl. auch SachverBRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 AUFSÄTZE 256

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