BRAK-Mitteilungen 5/2022

für sich Anspruch auf Beratungshilfe hat, aber dennoch Gebühren ihm gegenüber abrechnet. Es mag zwar nicht besonders attraktiv erscheinen, Mandate mit Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe anzunehmen. Deshalb aber nicht auf die Möglichkeiten hinzuweisen kann im Ergebnis fatal werden. Dem AG genügte hier auch nicht, dass der Anwalt dem Mandanten einen Fragebogen ausgehändigt hatte, in dem ganz allgemein auf die Möglichkeit von Prozesskostenhilfe hingewiesen wird, falls keine Rechtsschutzversicherung besteht und der Mandant das Verfahren aus eigenen Mitteln nicht finanzieren kann. Dieser Hinweis enthalte nicht das Geringste zur Beratungshilfe gemäß BerHG. Grundsätzlich besteht auch die berufsrechtliche Pflicht, Beratungshilfemandate zu übernehmen, siehe §§ 48, 49 und 49a BRAO. Das wird nicht immer besonders ernst genommen. (bc) FRISTEN beA: ERSATZEINREICHUNG NICHT AUS „MENSCHLICHEN GRÜNDEN“ Eine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung eines Schriftsatzes aus technischen Gründen liegt nicht vor, wenn die fristgemäße Übermittlung aufgrund eines Anwendungs- bzw. Bedienungsfehlers scheiterte, d.h. wenn der handelnde Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Fristablaufs zwar das notwendige technische Equipment einschließlich der Bedienungssoftware vorgehalten hatte, er aber aufgrund nicht ausreichender Schulung bzw. nicht hinreichender vorheriger autodidaktischer Befassung subjektiv nicht in der Lage war, die Übermittlung rechtzeitig vor Fristablauf umzusetzen. In diesem Fall liegt ein menschlicher und kein technischer Grund für das Scheitern der fristgemäßen elektronischen Übermittlung vor. BayVGH, Beschl. v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 Gemäß § 130d S. 2, 3 ZPO bzw. hier § 55d S. 2, 3 VwGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Gemeint sind Systemabbrüche, unerklärliche Fehlermeldungen u.Ä. Hier scheiterte die fristgerechte Übermittlung nach dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten daran, dass es nicht möglich gewesen sei, den VGH in die vorgesehene Adresszeile einzusetzen und auch eine Suche über die Suchmaske gescheitert sei. Der BayVGH stellt voran, dass es sich bei der Ersatzeinreichung um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand handele; vom Gesetzgeber ausschließlich akzeptierte technische Gründe seien von sonstigen – die Ersatzeinreichung nicht rechtfertigenden – Gründen abzugrenzen. Bei dem vom Klägervertreter geschilderten Sachverhalt sei von einem Bedienungsfehler bzw. subjektivem Bedienungsunvermögen der beA-Software auszugehen, da er offenbar mit der Suchmaske nicht zurechtgekommen sei. Der BayVGH geht offensichtlich von einem numerus clausus technischer Gründe aus, denn er schreibt wörtlich (Rn. 24 ff. des Urteils): „Weil nicht glaubhaft gemacht wurde, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Abend des 14. Februar 2022 – aufgrund eines technischen Fehlers im Bereich der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten, – aufgrund eines nicht vollständig zur Verfügung gestandenen beA-Systems, – aufgrund eines Fehlers auf den Intermediären, – aufgrund einer Störung der VAS-Suche oder – aufgrund einer fehlenden Erreichbarkeit der Intermediäre von außen vom Klägerbevollmächtigten nicht auf herkömmlichem Weg als Empfänger/Adressat über die beA-Anwendung gesucht bzw. ausgewählt werden konnte, verbleibt als Grund für die gescheiterte Adresssuche nur ein – nicht von § 55d I 3 VwGO erfasster – Bedienungsfehler.“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme wegen des fehlenden Bedienungswissens des Bevollmächtigten ebenfalls nicht in Betracht. Das ist starker Tobak. Der BayVGH macht deutlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte umfassend in der Anwenderhilfe der BRAK hätte kundig machen müssen, welche Tricks es bei der Suche noch geben könnte. Wenn jedoch, wie vorgetragen, die zutreffende Bezeichnung in die Suchmaske eingegeben wurde und dennoch kein Ergebnis erzielt wurde, ist nicht verständlich, weshalb hier noch in Anwenderhilfen gesucht werden müsste. Allenfalls hätte der Prozessbevollmächtigte die abgelehnte Eintragung in der Suchmaske per Screenshot zur Glaubhaftmachung des technischen (sic!) Grundes vorlegen sollen. Hoffen wir, dass die strengen Gerichte dereinst mit ihrem justizeigenen System souverän werden umgehen können. (ju) beA: GLAUBHAFTMACHUNG BEI VORÜBERGEHENDER UNMÖGLICHKEIT 1. (...) 2. Ein Screenshot der Fehlermeldung genügt zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit aus technischen Gründen. 3. (...) BayVGH, Beschl. v. 8.6.2022 – 1 ZB 22.30532, BayVBl 2022, 569 In diesem Fall scheiterte die Übermittlung daran, dass das Kartenlesegerät die beA-Karte bei mehreren Versuchen, Schriftsätze mittels beA an Gerichte zu senden, nicht akzeptiert habe. Hier nahm der BayVGH einen technischen Grund an, die Glaubhaftmachung durch Vorlage eines Screenshots der Fehlermeldung reichte ihm. (ju) JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 AUFSÄTZE 258

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