Die bloße Erklärung des Verteidigers, dass eine Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist, rechtfertigt keine Ersatzeinreichung. Ein Verteidiger muss vortragen, dass er über eine einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, und ob eine Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist ferner darzulegen, seit welchem Zeitpunkt die Störung besteht, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-)Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. LG Arnsberg, Beschl. v. 6.7.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22 Die Berufung wurde per Fax und Post eingelegt. In dem Berufungsschriftsatz wird lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Das reichte dem LG nicht aus: Damit werde lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbstständige Prüfung ermöglichen. Das LG verlangt Vortrag dazu, dass überhaupt eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur vorhanden ist, wozu ein Internetanschluss gehöre, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte. Darzulegen sei ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-)Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. An sich ist davon auszugehen, dass man keine Selbstverständlichkeiten vortragen muss, was angesichts der gesetzlichen Pflicht in Bezug auf ein funktionsfähiges beA der Fall ist. Wenn das Gericht insoweit Zweifel hat, müsste es grundsätzlich zumindest einen Hinweis nach § 139 ZPO geben. Das gilt allerdings nur, wenn der Vortrag überhaupt eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe enthält, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht,6 6 BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 19/16, NJW 2016, 3312. was hier nicht der Fall war. Anzuraten ist also, ebenso wie beim Wiedereinsetzungsantrag, möglichst umfassend vorzutragen, woran die Übermittlung gescheitert ist. (ju) beA: KEINE VERSCHULDENSZURECHNUNG BEI VERSTOSS GEGEN § 32D STPO 1. Folge der Nichteinhaltung der Übermittlungsverpflichtung gem. § 32d S. 2 StPO ist die Unwirksamkeit der Erklärung. 2. Bei Verstoß gegen die Formvorschrift des § 32d StPO, § 110c OWiG kann dem Betroffenen jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. KG, Beschl. v. 11.5.2022 – 3 Ws (B) 88/22 – 162 Ss 47/22, NJW 2022, 2286 In diesem Fall hatte der Verteidiger am 31.1.2022 die Rechtsbeschwerde per Fax eingelegt – nicht wegen technischer Probleme, sondern „in Verkennung der Rechtslage“. Im Zivilprozess wäre nichts zu retten gewesen. Im Strafprozess hingegen gilt die Besonderheit, dass das Anwaltsverschulden der Partei nicht zugerechnet wird. Hier lohnt also immer ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand! Wichtig: Jedenfalls der Wiedereinsetzungsantrag muss dann formwirksam aus dem beA gestellt werden, ebenso die nachgeholte versäumte Handlung!7 7 S. OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, bespr. in BRAK-Mitt. 2022, 202. (ju) KEINE WIRKSAME ANBRINGUNG EINES STRAFANTRAGS MITTELS „EINFACHER“ E-MAIL Die gesetzlichen Anforderungen an die Einreichung elektronischer Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 32a III StPO gelten auch für Strafanträge, und zwar auch für solche, die von Behörden gestellt werden. BGH, Beschl. v. 12.5.2022 – 5 StR 398/21 Hier geht es mal nicht um einen Fehler eines Anwalts, sondern einer Behörde: Das LG hatte einen Angeklagten u.a. wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der BGH hob die Entscheidung insoweit auf, weil der nach § 145a S. 2 StGB erforderliche schriftliche (§ 158 II StPO) Strafantrag der Aufsichtsstelle fehle. Die zuständige Aufsichtsstelle hatte innerhalb der Antragsfrist einen Strafantrag lediglich per E-Mail an die zuständige Staatsanwältin gesandt. Elektronische Dokumente, die der Schriftform unterliegen, müssten jedoch entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 32a III StPO). Eine unsignierte und direkt an den Empfänger versandte einfache E-Mail erfülle keine dieser Voraussetzungen. Diese Anforderungen gälten auch für Strafanträge, und zwar auch für solche, die von Behörden gestellt werden. (hg) AUSGANGSKONTROLLE BEI MIT DER POST ZU VERSENDENDEN SCHRIFTSTÜCKEN 1. Die Löschung der Frist im Fristenkalender darf erst dann erfolgen, wenn abschließend und zuverlässig sichergestellt ist, dass das Schriftstück ohne weitere organisatorische Zwischenschritte zur Post verbracht wird. 2. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die ErleAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 259
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