BRAK-Mitteilungen 5/2022

Der Kl. beantragt, festzustellen, dass der Bescheid der Bekl. v. 29.1.2021 in der Form der Einspruchsentscheidung der Bekl. v. 7.4.2021 rechtswidrig war. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Die Bekl. bleibt bei ihrer Auffassung, dass sowohl die notarielle Tätigkeit als auch die spätere anwaltliche Tätigkeit ein und dieselbe Rechtssache betroffen hätten, nämlich die Auseinandersetzung des Nachlasses nach ... Entscheidend für die Beurteilung sei, dass die gerichtlichen Entscheidungen, die auf Erbscheinsantrag und Testamentsvollstreckerzeugnis ergingen, streitig angegriffen wurden. Die Vorgänge würden das dem Kl. anvertraute materielle Rechtsverhältnis darstellen, das bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen sei. Der Kl. habe mit dem Abschluss des Anwaltsvertrags im Namen der Sozietät mit Frau K. gegen § 45 I Nr. 1 BRAO verstoßen, so dass der Hinweis sowohl formal als auch inhaltlich zu Recht erteilt worden sei. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Bekl. wird auf die Antragserwiderung v. 7.7.2021 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auch auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Bekl. Bezug genommen. AUS DEN GRÜNDEN: Die als Anfechtungsklage (§§ 112a I, 112c I 1 BRAO, § 42 VwGO) statthafte Klage ist zulässig. Sie ist formund fristgerecht binnen Monatsfrist erhoben worden (§ 112c I 1 BRAO i.V.m. § 74 II VwGO). Zunächst ist festzustellen, dass es unschädlich ist, dass der Kl. mit seinem Antrag v. 6.5.2021 einen „Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung“ gestellt hat, da lediglich das Klagebegehren hinreichend ersichtlich sein muss. Auch dass die Schreiben der Bekl. v. 20.8.2020 und 29.1.2021 nicht als „Bescheid“ bezeichnet waren, ist unschädlich. Der Kl. durfte aufgrund des mißbilligenden Inhalts davon ausgehen, dass die Bekl. ihm eine Rüge erteilt hatte. Diese Annahme war naheliegend aufgrund der Feststellung der Bekl., der Kl. habe gegen ein Vertretungsverbot verstoßen, also schuldhaft seine Berufspflichten verletzt. Es war deutlich, dass die Bekl. die Mandatsannahme als verboten einstufte, denn sie wies den Kl. darauf hin, dass er als (ehemaliger) Anwaltsnotar die stete Pflicht habe, seine unabhängige und unparteiliche Amtstätigkeit und die einseitige anwaltliche Interessenvertretung in derselben Rechtssache strikt zu trennen und dies nicht geschehen sei. Diese Hinweise waren nach Auffassung des Senats nicht nur als „schlichte“ Belehrung nach § 73 II Nr. 1 BRAO zu verstehen, denn die Bekl. hat dem Kl. das von ihr festgestellte Fehlverhalten deutlich vor Augen gehalten. Die Bekl. hat mit ihrem belehrenden Hinweis vielmehr belehrender Hinweis/ missbilligende Belehrung eine Maßnahme ergriffen, die zwischen der Belehrung und der Rüge i.S.d. § 74 BRAO liegt. Nach § 74 BRAO kann der Kammervorstand das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. In der Rechtsprechung des BGH ist das hoheitliche Instrument des „belehrenden Hinweises“ bzw. der „missbilligenden Belehrung“ als ein den RAKn zustehendes Maßregelinstrumentarium anerkannt, Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 74 Rn. 8a, 9, sowie BGH, BRAK-Mitt. 2003, 82 = NJW 2003, 662 = AnwBl. 2003, 304; ferner BGH, BRAK-Mitt. 2015, 45 = AnwBl. 2015, 91 = NJW 2015, 72; 21.1.2014 – AnwZ (Brfg) 67/12, n.v.; NJW 2012, 3102; BRAK-Mitt. 2012, 224 = AnwBl. 2012, 769 = NJW 2012, 3039; NJW 2007, 3349 = BRAK-Mitt. 2007, 268 = AnwBl. 2007, 790; NJW 2005, 2692; 2003, 346. Dem Kammermitglied soll so eine mögliche Konsequenz seines Verhaltens vor Augen geführt werden und es soll Gelegenheit haben, die Rechtslage zu prüfen, ohne unmittelbare Sanktionen fürchten zu müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein „belehrender Hinweis“ aber durchaus eine hoheitliche Maßnahme darstellen, die den Rechtsanwalt in seinen Rechten beeinträchtigt und als solche anfechtbar ist, und zwar mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur über § 112a BRAO, alle noch zu § 223 a.F.: BGH, Urt. v. 21.7. 1997 – AnwZ (B) 14/96, n.v.; EGH Hamburg, BRAK-Mitt. 1984, 89; Weyland, BRAO 10. Aufl. 2020, § 73 Rn. 31. Auch wenn der Kl. in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, die Rechtswidrigkeit des von ihm angegriffenen Bescheids der Bekl. v. 29.1.2021 festzustellen, ist sein Begehren richtigerweise so zu verstehen, dass er dessen Aufhebung anstrebt, seine Klage mithin als Anfechtungsklage zu behandeln ist, denn er hat mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag hinreichend zum Ausdruck gebracht, gegen die Feststellung eines berufsrechtswidrigen Verhaltens durch die Bekl. vorgehen zu wollen. Die Einspruchsentscheidung der Bekl. v. 7.4.2021 war erstmals mit einem Hinweis auf ein Rechtsmittel versehen („Auf § 112a BRAO erlauben wir uns hinzuweisen“). Ob in diesem Hinweis eine hinreichende Rechtsbehelfsbelehrung zu sehen ist, kann dahinstehen, da die einmonatige Klagefrist gem. in § 112c BRAO i.V.m. § 74 I VwGO frühestens mit Bekanntgabe des Bescheids v. 7.4.2021 zu laufen beginnen konnte, die Klageschrift aber bereits am 6.5.2021 und damit in jedem Fall innerhalb der Klagefrist von einem Monat beim AGH eingegangen ist. Die Klage bleibt jedoch ohne Erfolg, da die Bekl. den vom Kl. angegriffenen belehrenden Hinweis zu Recht erBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 271

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