teilt hat und der Kl. dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wurde. Die Übernahme des anwaltlichen Mandats durch den Verstoß gegen § 45 I Nr. 1 BRAO Kl. verstieß gegen das Tätigkeitsverbot gem. § 45 I Nr. 1 BRAO, nachdem der Kl. vorangehend in derselben Rechtssache als Notar tätig gewesen ist, indem er am 5.1.2018 sowohl einen Erbscheinsantrag als auch einen Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beurkundet hatte. § 45 I Nr. 1 BRAO soll das Vertrauen in die Rechtspflege schützen, dass nicht dieselben Personen auf verschiedenen Seiten für unterschiedliche Interessen tätig werden, BGH, Urt. v. 21.12.2010 – IX ZR 48/10 m.w.N., AGH Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.8.2013 – 1 AGH 3/13, Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 45 Rn. 6. Zweck der Vorschrift ist es, bereits die „Gefahr“ einer Interessenkollision auszuschließen, wobei für die Erfüllung des Tatbestands ein tatsächlicher Interessenwiderstreit nicht begriffsnotwendig ist, Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 45 Rn. 6. Die Vorschrift konkretisiert damit die in §§ 1, 3, 43 und 43a BRAO geregelten Grundpflichten des Anwalts, den Beruf gewissenhaft auszuüben und die berufliche Unabhängigkeit nach allen Seiten zu wahren. Jede Notartätigkeit löst nach gefestigter Rechtsprejede Notartätigkeit chung des BGH das anwaltliche Vertretungsverbot in derselben Angelegenheit aus, egal ob daraus ein Interessenwiderstreit entsteht oder nicht. Maßgebend für die Beurteilung ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen, der bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist, BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 48/10 m.w.N.; AnwBl. 2011, 65; Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 45 Rn. 7. Der zeitliche Abstand zwischen Beurkundung und anwaltlicher Tätigkeit ist dabei unerheblich. Nach diesen Grundsätzen waren die beiden Vorgänge (notarielles und anwaltliches Handeln) nicht zwei eigene, in sich abgeschlossene Lebensverhältnisse, sondern ein und dieselbe Rechtssache. Entgegen der Auffassung des Kl. handelt es sich bei den von ihm vorgenommenen Beurkundungen – einerseits – und der Frage, ob frühere vom Erblasser getroffene Verfügungen dem Beurkundungsinhalt entgegenstehen – andererseits – um dieselbe Rechtssache. Es ging insgesamt um den Nachlass und die Rechtseinheitlicher Lebenssachverhalt nachfolger des Erblassers (und seiner Ehefrauen) und die dazu erklärten letztwilligen Verfügungen. Dies ist als einheitlicher Lebenssachverhalt zu qualifizieren. Anders als § 45 I Nr. 2 BRAO unterscheidet Abs. 1 Nr. 1 nicht zwischen den verschiedenen Notargeschäften; vielmehr löst jede Notartätigkeit das anwaltliche Vertretungsverbot in derselben Angelegenheit aus. Deswegen überzeugt auch die Argumentation des Kl. nicht, der Streit habe nur im Hinblick auf die eigenhändig errichteten gemeinschaftlichen Testamente, an denen er nicht beteiligt gewesen sei, bestanden. Auch wenn es nicht um die Auslegung der vom Kl. beurkundeten Testamente gegangen sein mag, so waren doch sämtliche Testamente Grundlage für die am 5.1.2018 vom Kl. beurkundeten Anträge und somit Prüfungsgegenstand und Verknüpfungspunkt des Gesamtkomplexes. Der entstandene Streit gehörte in den einheitlichen Lebenssachverhalt „Erblasserverfügungen und Rechtsfolgen“. Bei der notariellen Tätigkeit muss es sich nicht einmal um eine Urkundstätigkeit handeln, sondern es genügt jede notarielle Tätigkeit, wie sie nach §§ 21-24 BNotO ausgeübt werden darf, also z.B. die Beglaubigung von Unterschriften, Beurkundung von Versammlungsbeschlüssen, Ausstellung sonstiger Tatsachenbescheinigungen, aber eben auch die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen und insb. die Betreuungstätigkeit nach § 24 BNotO, wie z.B. die Fertigung von Urkundenentwürfen, die Beratung der Beteiligten usw. Diese notariellen Aufgaben waren bei Entwurf und Errichtung der Anträge mit ihrem auf die letztwilligen Verfügungen bezogenen Inhalt vom Kl. als Notar zu erfüllen. Bei der Beurkundung sowohl des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins wie auch auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses hatte der Kl. als Notar und in Ausübung seines öffentlichen Amtes gegenüber den Beteiligten zudem Belehrungspflichten und war schon deshalb gehalten, die Rechtslage im Hinblick auf die vorliegenden letztwilligen Verfügungen zu prüfen und zu bewerten. Das ergibt sich bereits aus der Bestimmung des § 17 I BeurkG. Darauf, ob tatsächlich ein Interessenwiderstreit besteht, kommt es indes nicht an, Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 45 Rn. 9, AnwG Frankfurt a.M., BRAK-Mitt. 2010, 223. Wegen dieser Tätigkeit und der damit einhergehenden besonderen Beziehung zur Sache hätte der Kl. jede anwaltliche Tätigkeit für die als Erbin und Testamentsvollstreckerin eingesetzte S.K. mithin ablehnen müssen, denn: hat der Notar, in welcher Amtstätigkeit auch immer, sich mit einer Rechtssache befasst, ist sie für ihn als Anwalt tabuisiert, Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, Niedersächsischer AGH, BRAK-Mitt. 2005, 87; Henssler/Prütting/Kilian§ 45 Rn. 18; Hartung/Hartung§ 45 Rn. 16. Damit steht fest, dass der Bescheid der Bekl. v. 29.1. 2021 in der Form der Einspruchsentscheidung der Bekl. v. 7.4.2021 rechtmäßig war. HINWEISE DER REDAKTION: Maßgebend für die Zuständigkeit zur Ahndung einer Pflichtverletzung ist, ob der Pflichtenverstoß eines Anwaltsnotars vorwiegend mit dem Amt des Notars oder der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Zusammenhang steht. Ist dies zweifelhaft oder besteht ein solcher Zusammenhang nicht, so ist im anwaltsgerichtlichen Verfahren, andernfalls im Disziplinarverfahren zu entscheiden (BGH, BRAK-Mitt. 2013, 128). BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 272
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