BRAK-Mitteilungen 5/2022

fremde Tätigkeit. Auch verstoße der Bescheid der Bekl. gegen Art. 3 I GG, da er zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von selbstständigen Rechtsanwälten im Vergleich zu angestellten Rechtsanwälten führe. Mit Widerspruchsbescheid v. 18.5.2017 wies die Bekl. den Widerspruch als unbegründet zurück. Das BSG habe klargestellt, dass § 6 V SGB VI keinen eigenen Befreiungstatbestand darstelle, sondern von seiner systematischen Stellung und der Gesetzesbegründung her als Bezugspunkt eine bereits nach § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI erteilte ursprüngliche Befreiung voraussetze und unmittelbar an diese anknüpfe. Für selbstständige Kammermitglieder, die ihren Kammerberuf ausübten und dabei nicht rentenversicherungspflichtig seien, scheide eine Erstreckung aus. Sie seien nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und könnten daher auch nicht befreit werden. Die Kl. hat am 19.6.2017 Klage erhoben. Eine Grundbefreiung, die sich erstrecken könne, liege vor, da sie als selbstständige Rechtsanwältin kraft Gesetzes von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Diese Grundbefreiung erstrecke sich auch auf ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3), die im Voraus durch Vertrag zeitlich begrenzt gewesen sei, und die sie tatsächlich nur bis zum 7.12.2016 ausgeübt habe. Unerheblich sei, ob sich die Grundbefreiung aus einer Beschäftigung oder aus einer selbstständigen Tätigkeit ergebe. Andernfalls käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von selbstständigen Rechtsanwälten im Vergleich zu angestellten Rechtsanwälten. Die von der Bekl. zitierte Entscheidung des 3. Senats des LSG NRW v. 16.7.2001 – L 3 RA 73/00 sei vorliegend nicht einschlägig, da der dortige Kl. keinen Antrag nach § 6 V SGB VI gestellt habe. Wenn schon ein grundsätzlich versicherungspflichtiger Beschäftigter oder ein grundsätzlich versicherungspflichtiger Selbstständiger sich auf Antrag unter den näheren Voraussetzungen des § 6 V 2 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht auch für eine Hauptbeschäftigung befreien lassen könne, müsse dies auch und erst recht für einen in seiner bisherigen Tätigkeit schon nicht der Rentenversicherungspflicht unterworfenen Selbstständigen gelten. Die Kl. hat beantragt, die Bekl. unter Aufhebung des Bescheides v. 26.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 18.5.2017 zu verpflichten, sie für die Dauer ihrer Tätigkeit v. 1.3.2016 bis zum 7.12.2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege einer Erstreckung nach § 6 V i.V.m. § 6 I Nr. 1 SGB VI zu befreien. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht im Wege der Erstreckung nicht möglich sei, da es an einer Befreiung im Kammerberuf fehle. Die in der Vergangenheit ausgesprochenen Befreiungen hätten sich explizit nur auf die jeweiligen zeitlich befristeten berufsfremden Beschäftigungen bezogen. Das Sozialgericht hat die Bayerische Rechtsanwaltsund Steuerberaterversorgung – Beigeladene zu1) –, die AOK Baden-Württemberg – Beigeladene zu 2) –, die Universität zu N – Beigeladene zu 3) – sowie die RAK München – Beigeladene zu 4) – beigeladenen. Die Beigeladenen haben allesamt keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 1) hat mitgeteilt, dass für die Kl. in der Zeit v. 1.3.2016 bis zum 7.12.2016 Pflichtbeiträge aus selbstständiger Tätigkeit als Rechtsanwältin festgesetzt und bezahlt worden seien (Grundbeitrag als Beitragsuntergrenze). Durch Urteil v. 15.5.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: „Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urt. v. 31.10. 2012 – B 12 R 8/10 R) setzt die Erstreckung einer für eine Beschäftigung erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine andere, vorübergehende versicherungsfähige Beschäftigung voraus, dass die ursprünglichen Befreiungsvoraussetzung nach Abs. 1 Nr. 1 (Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständigen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständigen Kammer) weiterhin vorliegen. Das BSG fordert insoweit, dass bei einer Erstreckung der Befreiung eine ausdrückliche ursprüngliche Befreiung durch Verwaltungsakt vorliegt (BSG a.a.O.). Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift des § 6 SGB VI. Denn eine „Erstreckung“ setzt vom Wortsinn voraus, dass eine ursprüngliche Befreiung dem Grunde nach vorliegt. Die Regelung des § 6 V 2 SGB VI bezieht sich ausdrücklich und auch von ihrer Systematik her auf eine Befreiung nach § 6 I Nr. 1 SGB VI. Die Kl. verfügt jedoch nicht über eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 I Nr. 1 SGB VI. Sie war im streitigen Zeitraum nicht als Syndikusanwältin zugelassen und als solche von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit, sondern unterlag als selbstständige Rechtsanwältin per Gesetz nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kl. auch nicht aus einer teleologischen Auslegung der Vorschrift. Die Kl. argumentiert insoweit zwar zu Recht, dass es Sinn der Vorschrift sei, Versorgungslücken des Betroffenen zu schließen. Bei einem grundsätzlich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Syndikusanwalt solle sich eine nur vorübergehend und zeitlich befristete anderweitige Tätigkeit nicht nachteilig auf die Altersvorsorge auswirken, wenn der Betroffene anderweitig abgesichert sei. Um eine solche Fallkonstellation handelt es sich im Fall der Kl. indes nicht. Die Kl. ist weder als Syndikusanwältin von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Noch war sie seit ihrer Zulassung im November 2003 in SONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 294

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