Die Kl. hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI für ihre in der Zeit vom 1.3. 2016 bis zum 7.12.2016 bei der Beigeladenen zu 3) ausgeübte Beschäftigung. Die Kl. stand in der streitigen Zeit in einem festen Dienst- und Anstellungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 3), einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin. Die Kl. hat der Beigeladenen zu 3) ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und war in deren Arbeitsorganisation eingegliedert. Eine anwaltliche Berufsausübung ist in dieser äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich und kann dem Berufsfeld des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden (BSG in seinen Urt. v. 3.4.2014 – B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R). Für ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin kann eine Befreiung nicht ausgesprochen werden. In dieser Tätigkeit unterliegt die Kl. nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, da sie diese nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwältin scheidet schon deshalb aus, da die Kl. nicht als solche zugelassen worden ist. Die Kl. ist auch nicht im Wege der Erstreckung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre bei der Beigeladenen zu 3) ausgeübten Tätigkeit zu befreien. Nach § 6 V 2 SGB VI erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des I Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da wie bereits ausgeführt kein Fall des § 6 I Nr. 1 und 2 SGB VI vorliegt. Voraussetzung für eine „Erstreckung“ ist bereits nach dem Wortsinn das Vorliegen einer Befreiung nach I Nr. 1 und 2. Nur ein bestehender Befreiungsstatus kann auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden (BSG, Urt. v. 31.10.2012 – B 12 R 8/10 R). Ebenso folgt aus dem weiteren Wortlaut der Vorschrift, dass ein Befreiungstatbestand des I Nr. 1 und 2 vorliegen muss. Denn nur „in den Fällen des I Nr. 1 und 2“ kann sich eine Befreiung erstrecken. Dies bedeutet, dass Bezugspunkt der Erstreckung eine Befreiung nach I Nr. 1 und 2 ist. Ohne eine Befreiung nach I und II ist eine Erstreckung auf eine andere Tätigkeit nicht möglich. Es verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, dass eine Befreiung im Wege der Erstreckung für eine berufsfremde Tätigkeit nur für dem Grunde nach versicherungspflichtige Personen (z.B.: angestellte Rechtsanwälte) und nicht für nicht versicherungspflichtige Personen (z.B.: selbstständige Rechtsanwälte) möglich ist. Art. 3 I GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und ist verletzt, wenn gesetzliche Bestimmungen, die verschiedene Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dabei ist nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat. Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung liegt hier darin, dass zwischen Personen unterschieden wird, die grundsätzlich als versicherungspflichtig Beschäftigte den Regelungen des SGB VI unterliegen und solchen Personen, die der Gruppe der Selbstständigen/Freiberufler angehören und daher grundsätzlich nicht von den Regelungen des SGB VI erfasst werden. Es liegt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, an den Lebenssachverhalt eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses andere Rechtsfolgen zu knüpfen als an den Lebenssachverhalt einer selbstständigen bzw. freiberuflichen Tätigkeit. HINWEISE DER REDAKTION: Die zunächst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, beim BSG anhängig unter dem Az. B 12 R 9/22 B, hat die Klägerin inzwischen zurückgenommen. BRAK-MITTEILUNGEN 5/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 296
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