anders zu beurteilen sein. Denn hier existiert eine Gesellschaft – in der Regel eine GbR –32 32 S. oben II. als Grundlage der Bürogemeinschaft. An diese können sowohl Haftungsansprüche adressiert als auch eine Versicherungspflicht angeknüpft werden.33 33 So etwa Zimmermann/Hartung, NJW 2022, 1792, 1794 f. Rn. 17 f.; im Ergebnis auch BRAK, FAQ zur Versicherungspflicht (unter 8.); ebenso sind wohl auchSassenbach/Riechert, in Münchener AnwaltsHdb. Versicherungsrecht, § 18 Rn. 170 zu verstehen. b) AUSRÄUMEN DES ETWAIGEN RECHTSSCHEINS EINER SOZIETÄT Angesichts der noch unklaren Rechtslage sollten Bürogemeinschaften sorgfältig darauf achten, durch ihren Außenauftritt nicht den Anschein einer gemeinschaftlichen Berufsausübung zu erwecken. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommen als Träger für die Begründung eines Rechtsscheins insbesondere Kanzleischild und Kanzleibriefbögen in Betracht, aber auch die Gestaltung der Website, von Vollmachtsformularen und Werbeauftritten.34 34 Ausführl. dazu Wetter, BRAK-Mitt. 2016, 109 f. Für Anwältinnen und Anwälte, die in einer Bürogemeinschaft tätig sind, ist also besondere Vorsicht bei der Gestaltung dieser nach außen wirkenden Elemente geboten, um nicht den Anschein einer Sozietät zu erwecken und damit zugleich deren Versicherungspflicht zu begründen. Erforderlich ist, dass die Kanzlei den Rechtsschein einer Gesellschaft oder eines Gesellschafters im Briefbogen aktiv zerstört.35 35 Sassenbach/Riechert, in Münchener AnwaltsHdb. Versicherungsrecht, § 18 Rn. 169. Das gilt auch für Einzelanwältinnen und -anwälte, die angestellte oder frei mitarbeitende Anwält:innen beschäftigen. Für diese ist anerkannt, dass ein klarstellender Hinweis auf den wahren Status als Angestellte bzw. freie Mitarbeiterin auf dem Briefbogen und anderen möglichen Rechtscheinsträgern ausreicht, um den Rechtsschein einer Gesellschafterstellung auszuräumen.36 36 S. nur BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IV ZR 42/10, NJW 2011, 3718, 3721 Rn. 27. Für in Bürogemeinschaft tätige Anwältinnen und Anwälte ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt, ob der von einigen verwendete Zusatz „in Bürogemeinschaft“ auf Briefbogen usw. ausreicht, um eine Rechtsscheinhaftung zu vermeiden.37 37 S. etwa OLG Köln, Urt. v. 17.12.2002 – 22 U 168/02, NJW-RR 2004, 279: „in Kanzleigemeinschaft“ bzw. „Gemeinschaftskanzlei“ genügen nicht – für „Bürogemeinschaft“ offengelassen, jedoch dagegen argumentierend; s. dazu Weyland/ Brüggemann, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 59a Rn. 84. Begründet wurde dies damit, dass das rechtsuchende Publikum den Begriff „Bürogemeinschaft“ nicht richtig werten könne, sondern vielmehr wegen der weiten Verbreitung von Sozietäten davon ausgehe, dass es sich um zusammenarbeitende Anwälte handele.38 38 S. bereits Grams, BRAK-Mitt. 2002, 119, 120; OLG Köln, Urt. v. 17.12.2002 – 22 U 168/02, NJW-RR 2004, 279, 280 m.w.N. Das überzeugt nicht uneingeschränkt. Der Begriff der Bürogemeinschaft wird seit langen Jahren im Rechtsverkehr verwendet, daher dürfte seine Bedeutung in Abgrenzung zu Sozietäten und zu Rechtsanwaltsgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH, AG oder PartG hinlänglich bekannt sein. 39 39 Peres/Depping, DStR 2006, 2261, 2263 gehen insoweit sogar von einer Erkundigungspflicht des Publikums aus. Gestalten die Partnerinnen und Partner einer Bürogemeinschaft einen gemeinsamen Briefkopf und Internetauftritt – was durchaus zu den organisatorischen Maßnahmen zu rechnen ist, denen eine Bürogemeinschaft dient –, sollten sie darauf achten, dass der Zusatz „in Bürogemeinschaft“ nicht der einzige erkennbare Hinweis auf die Eigenständigkeit der zur Bürogemeinschaft verbundenen Anwältinnen und Anwälte ist. Vielmehr sollte auch die sonstige Gestaltung und ggf. durch textuelle Erläuterungen eindeutig erkennen lassen, dass alle beteiligten Anwältinnen und Anwälte lediglich die Infrastruktur teilen, auf eigene Rechnung tätig sind und ihren Beruf nicht gemeinschaftlich ausüben. Anderenfalls besteht das Risiko einer Versicherungspflicht als (Schein-)Berufsausübungsgesellschaft. DIE ANWALTSCHAFT IM BLICK DES 12. SENATES DES BSG RECHTSANWÄLTE MATTHIAS HERBERG UND JÖRN SCHROEDER-PRINTZEN* * Der Autor Herbergist Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Sozialrecht und für Medizinrecht in Dresden. Der Autor Schroeder-Printzen ist Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Sozialrecht und für Medizinrecht in Berlin. Beide sind Mitglieder des Ausschusses Sozialrecht der BRAK. Zwei aktuelle Entscheidungen des 12. Senats des Bundessozialgerichts werden sich erheblich auf die Praxis auswirken, nämlich einerseits auf die Frage, in welcher Rechtsform Anwältinnen und Anwälte ihre gemeinsame Berufsausübung organisieren, und andererseits auf die – angesichts zunehmender Schwierigkeiten bei der Gewinnung anwaltlichen Nachwuchses nicht unbedeutende – Frage, ob der Arbeitgeber Beiträge seiner angestellten Anwältinnen und Anwälte zur Berufshaftpflichtversicherung übernimmt. In der Konsequenz führen beide Entscheidungen dazu, dass Rückstellungen für die nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge gebildet werden sollten – denn die nächste Betriebsprüfung kommt bestimmt. Die Autoren erläutern beide Entscheidungen und ihre Konsequenzen und zeigen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 301
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0