DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2022 RECHTSANWALT DR. DIRK ENGEL* * Der Autor ist Fachanwalt für Erbrecht in Potsdam und Mitglied der Satzungsversammlung bei der BRAK. Er gehört dem Ausschuss 1 – Fachanwaltschaften – der Satzungsversammlung an. Der nachfolgende Beitrag befasst sich im Anschluss an die vorherige Berichterstattung1 1 S. Engel, BRAK-Mitt. 2021, 366. mit der Entwicklung des Fachanwaltsrechts seit November 2021. Er behandelt dabei sowohl die Normsetzung unter besonderer Beachtung der Tätigkeit der Satzungsversammlung als auch die Rechtsprechung in Fachanwaltssachen. I. GESETZ- UND SATZUNGSGEBUNG 1. SATZUNGSVERSAMMLUNG Die Satzungsversammlung trat im Berichtszeitraum am 6.12.2021 in einer Videokonferenz und am 29.4.2022 und 30.4.2022 erstmals wieder in Präsenzform zusammen. Beide Sitzungen behandelten intensiv auch Fragen der Fachanwaltschaften.2 2 S. dazu Nachr. aus Berlin 9/2022 v. 4.5.2022 m.w.N. a) NEUE FACHANWALTSCHAFTEN aa) FACHANWALT FÜR OPFERRECHTE Nach der Ablehnung seines Antrags auf Einführung der Fachanwaltschaft für Opferrechte in der 6. Satzungsversammlung legte der Fachanwaltsausschuss der Satzungsversammlung erneut den Antrag auf Einführung der Fachanwaltschaft vor. Dem ging wiederum eine kontroverse Diskussion der Mitglieder der Satzungsversammlung voraus, in der erneut deutlich wurde, dass diese Fachanwaltschaft vehemente Befürworter, wie auch nachdrückliche Gegner versammelte. So verwiesen die Unterstützer der Fachanwaltschaft erneut auf das Bedürfnis der Opfer, ihren Sachverhalt nicht mehrfach schildern zu müssen, auf das wichtige Zeichen, welches mit der Einführung einer Fachanwaltschaft für Opferrechte verbunden wäre, wie auch auf das negative Signal nach außen, wenn Außenstehende den Eindruck bekämen, die Anwaltschaft engagiere sich mehr für das Sportrecht als für die Opfer von Straftaten. Skeptiker und Gegner der Fachanwaltschaft verwiesen hingegen darauf, dass bereits der Opferbegriff unklar und die Opferrolle eines Mandanten problematisch sei. Dabei verwiesen insbesondere Strafverteidiger darauf, dass sie Opfer selbst bestens vertreten könnten. Schließlich sei eine personenspezifische Ausrichtung der Fachanwaltschaft grundsätzlich problematisch. Bei der nachfolgenden Abstimmung votierten 39 Mitglieder für den Antrag, 23 Mitglieder sprachen sich gegen den Antrag aus. Es gab drei Enthaltungen. Damit verfehlte der Antrag auf Einführung der Fachanwaltschaft für Opferrechte erneut die Mehrheit des § 191b II 1 BRAO, wonach Beschlüsse zur Berufsordnung mit der Mehrheit aller stimmberechtigten Mitglieder gefasst werden. Es bleibt abzuwarten, ob eine künftige Satzungsversammlung das hoch streitige Thema nochmals aufgreifen wird. b) REFORM BISHERIGER FACHANWALTSCHAFTEN aa) FACHANWALTSCHAFT FÜR INSOLVENZRECHT Bereits auf der Sitzung der Satzungsversammlung am 6.12.2021 reformierte diese § 5 I lit. g FAO. Damit wurde aus dem Fachanwalt für Insolvenzrecht nunmehr der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht. § 1 FAO stellt klar, dass Fachanwälte für Insolvenzrecht alternativ auch die Fachanwaltsbezeichnung für Insolvenz- und Sanierungsrecht führen dürfen. Mit einer Änderung von § 5 I lit. g Nr. 3a FAO wird klargestellt, dass auch eine Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Verfahren, die Unternehmen mit bis zu 5 Arbeitnehmern betreffen, geeignet ist, die in § 5 I lit. g Nr. 1 FAO geforderten Verfahren zu ersetzen. Ferner wurde § 14 FAO neu gefasst und bezieht sich nunmehr in Ziffer 1 auf das materielle Insolvenz- und Sanierungsrecht. bb) FACHANWALT FÜR BAU- UND ARCHITEKTENRECHT Die Satzungsversammlung beschloss eine Änderung zu § 5 I lit. l FAO. Danach wird die Anzahl der erforderlichen selbstständigen Beweisverfahren von bisher sechs auf drei Verfahren reduziert. Damit trägt die Satzungsversammlung der Entwicklung Rechnung, dass die Anzahl der selbstständigen Beweisverfahren in den letzten 15 Jahren erheblich abgenommen habe. Rechtsanwälte sind zunehmend dazu übergegangen, Privatgutachten einzuholen, um eine spätere Einigung oder ein Klageverfahren vorzubereiten. 2. TÄTIGKEIT DES AUSSCHUSSES 1 – FACHANWALTSCHAFTEN – DER SATZUNGSVERSAMMLUNG Der Fachanwaltsausschuss der Satzungsversammlung kam im Berichtszeitraum nur zu zwei Sitzungen am 29.11.2021 und am 20.9.2022 zusammen. Gegenstand seiner Erörterungen waren die mögliche Einführung einer Fachanwaltschaft für Arzneimittel- und Medizinprodukterecht, einer Fachanwaltschaft für Kinderrechte und Opferschutz sowie einer Fachanwaltschaft für Corona-Recht. Des Weiteren befasste sich der Ausschuss mit einer möglichen Reform der Bestimmungen in § 4 FAO über den Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse sowie über möglichen Änderungsbedarf im Bereich der Fachanwaltschaften für gewerblichen Rechtsschutz und für Familienrecht. ENGEL, DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2022 BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 AUFSÄTZE 304
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