[15] a) Nach gefestigter Rechtsprechung muss der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (Senatsbeschl. v. 21.8.2019 – XII ZB 93/19, FamRZ 2019, 1880 Rn. 5 m.w.N.). In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg persönlich vorzunehmen, damit die Echtheit und die Integrität des Dokuments wie bei einer persönlichen Unterschrift gewährleistet sind (vgl. § 130a III ZPO). [16] Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Beteiligte, der dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (vgl. Senatsbeschl., BGHZ 222, 105 = NJW 2019, 2230 Rn. 25 m.w.N.). [17] Ein etwa vorliegender Irrtum war nicht unvermeidVermeidbarer Irrtum bar in diesem Sinne. Die BRAK hatte bereits in einem Newsletter zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (Ausgabe 48/2017 v. 30.11.2017) folgenden Hinweis erteilt: „Die „einfache elektronische Signatur“ (oder einfach: Signatur) besteht einfach darin, einen Namen unter das Dokument zu setzen, gleich ob man ihn tippt oder eine gescannte Unterschrift einfügt.“ Hierüber konnte sich die Bevollmächtigte des Antragsgegners nicht ohne Verletzung ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflichten hinwegsetzen. Zudem war im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeschrift bereits Rechtsprechung des BAG veröffentlicht, wonach das Wort „Rechtsanwalt“ als Abschluss des Schriftsatzes nicht genügt (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476). [18] b) Hat der Verfahrensbevollmächtigte das Dokument entgegen den gesetzlichen Erfordernissen nicht mit einer einfachen Signatur versehen, entlastet es ihn auch nicht, wenn im Prüfprotokoll der Übermittlung an das EGVP zwar unter „Zusammenfassung und Struktur“ vermerkt ist: „Sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis“, gleichzeitig jedoch angegeben ist: „keine Signatur gefunden“. Zwar darf der Rechtsanwalt in einem solchen Fall davon ausgehen, dass die Übersendung an das Gericht als solche erfolgreich war (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21 f.). Die Bestätigung der ordnungsgemäßen Übertragung besagt aber nichts darüber, ob das eingereichte Dokument für sich genommen den gesetzlichen Erfordernissen hinsichtlich Echtheitsund Integritätsnachweisen entspricht, ebenso wie ein erfolgreiches Telefaxübertragungsprotokoll keine Bestätigung darüber bietet, dass das per Telefax versendete Schriftstück eine rechtsgültige Unterschrift trägt. Angesichts der Angabe „keine Signatur gefunden“ war für die Verfahrensbevollmächtigte offenkundig, dass das Dokument – entgegen ihrer Annahme – nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war. Somit konnte es allenfalls aufgrund einer enthaltenen einfachen Signatur Rechtswirksamkeit entfalten. Ob eine solche vorhanden war, oblag der Prüfungsverantwortung der Rechtsanwältin. HINWEISE DER REDAKTION: Zur einfachen elektronischen Signatur bei einem Einzelanwalt vgl. auch die nachfolgend wiedergegebene Entscheidung des BAG auf S. 338 in diesem Heft. EINFACHE ELEKTRONISCHE SIGNATUR BEI EINZELANWALT ArbGG § 46c III 1 Alt. 2, IV Nach § 46c III 1 Alt. 2 ArbGG muss ein auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 46c IV ArbGG bei Gericht eingereichter Schriftsatz – zumindest – mit einer einfachen Signatur versehen sein. Dazu genügt bei einem nach dem Briefkopf als solcher ausgewiesenen Einzelanwalt der maschinenschriftliche Abschluss des Schriftsatzes mit „Rechtsanwalt“ (ohne Namenszusatz). Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob die darüber geleistete – mit dem Schriftsatz eingescannte – Unterschrift entzifferbar ist. BAG, Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZN 234/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] Die auf den Zulassungsgrund des § 72 II Nr. 3 Alt. 2 ArbGG gestützte Beschwerde hat Erfolg. [2] I. Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeeinlegung und -begründung genügen entgegen der Auffassung des Kl. den sich aus §§ 72 VI, 46c III 1 Alt. 2 ArbGG ergebenden Anforderungen an die Einreichung von elektronischen Dokumenten beim BAG. Nach den BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 338
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