BRAK-Mitteilungen 6/2022

Der Kl. war in der Zeit v. 3.2.2020 bis zum 28.2.2021 bei der Bekl. als kaufmännischer Angestellter im Vertrieb beschäftigt. Mit der am 21.6.2021 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Klage hat der Kl. Zahlung von Provisionen i.H.v. 1.417,40 Euro brutto verlangt und sich dazu auf eine mündliche Provisionsvereinbarung berufen, die er mit dem Ehemann der Geschäftsführerin der Bekl. geschlossen hätte. Die Bekl. hat das Vorliegen einer Provisionsvereinbarung sowie auch die entsprechende Vollmacht des Ehemanns der Geschäftsführerin bestritten. Das Arbeitsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Nach Durchführung einer Parteivernehmung ist es zu der Würdigung gelangt, der Kl. habe mit dem Ehemann der Geschäftsführerin eine mündliche Provisionsabrede getroffen, die sich die Bekl. jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen müsse. Gegen dieses ihr am 28.1.2022 zugestellte Urteil v. 18.1.2022 hat die Bekl. durch den Arbeitgeberverband A e.V. vorab per Telefax am 24.2.2022 und später per Originalschriftsatz Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt. Der Berufungsschriftsatz wurde ausdrücklich kenntlich gemacht als von „Syndikusrechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht“ B. stammend (vgl. Bl. 53 d.A.). Ein elektronischer Eingang der Berufung auf sicherem Übermittlungsweg per besonderem elektronischen Anwaltspostfach erfolgte indes nicht. Die Berufungsbegründung wurde ebenfalls per Telefax sowie durch Originalschriftsatz, eingereicht, nicht jedoch auf elektronischem Weg. Bereits mit Schriftsatz v. 4.5.2022 rügte der Kl. die Zulässigkeit der Berufung; das Landesarbeitsgericht unterbreitete daraufhin den Parteien unter dem 12.5.2022 einen Vergleichsvorschlag nach § 278 VI ZPO und verwies in der erläuternden Begründung ebenfalls auf die ungeklärte Problematik der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für die als Vertreter des Arbeitgeberverbandes auftretenden Syndikusrechtsanwälte. Erneut mit Hinweis v. 30.8.2022 wies das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass über die Zulässigkeit der Berufung nunmehr durch Beschluss entschieden werden sollte, da es zu der Rechtsauffassung neige, eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Syndikusrechtsanwälte zu bejahen und gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die Berufung war mangels formwirksamer Einlegung als unzulässig zu verwerfen. I. Für den auf Seiten der Bekl. als Prozessbevollmächtigten auftretenden Arbeitgeberverband A e.V. hat Syndikusrechtsanwalt B. am 24.2.2022 Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt, diese allerdings lediglich in Papierform übermittelt. II. Die Einlegung der Berufung erfolgte nicht formwirksam. Seit dem 1.1.2022 war der für den Arbeitgeberverband handelnde Syndikusrechtsanwalt jedoch gem. § 64 VI ArbGG, § 519 IV ZPO i.V.m. §§ 46g, 46c ArbGG verpflichtet, das für ihn eingerichtete besondere elektronische Anwaltspostfach (im Folgenden beA) zu nutzen. 1. Gemäß § 46g S. 1 ArbGG sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln (sog. aktive Nutzungspflicht). Näheres zur Ausgestaltung des elektronischen Dokuments regelt § 46c ArbGG. Für die Rechtsanwaltschaft ist dazu als sog. sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 46c IV Nr. 2 ArbGG zur aktiven Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs (im Folgenden ERV) nach § 31a BRAO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), für die Behörden und öffentlichrechtlichen Körperschaften i.S.d. § 46c IV Nr. 3 ArbGG das besondere elektronische Behördenpostfach (im Folgenden beBPO) eingerichtet. 2. Gemäß § 46g S. 2 ArbGG gilt die gleiche Verpflichtung zur Übermittlung elektronischer Dokumente auch für die nach diesem Gesetz, mithin dem ArbGG, vertretungsberechtigten Personen, sofern ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c IV 1 Nr. 2 zur Verfügung steht. Zu den davon erfassten, im arbeitsgerichtlichen Verfahren vertretungsberechtigten Personen gehört unbestritten gem. § 11 II 2 Nr. 4 ArbGG auch der hier für die Bekl. auftretende Arbeitgeberverband. Für die Verbände gibt es allerdings derzeit noch keinen zwingend zu verwendenden sicheren Übermittlungsweg, da das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (im Folgenden eBO) zum einen zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung technisch noch nicht funktionsfähig war und dessen aktive Nutzungspflicht zum anderen erst zum 1.1.2026 beginnt. Grundsätzlich besteht daher für die Arbeitgeberverbände noch keine Verpflichtung, Schriftsätze als elektronisches Dokument einzureichen. 3. Kontrovers diskutiert und höchstrichterlich noch Meinungsstreit nicht entschieden ist die hier zu entscheidende Frage, wie es sich auswirkt, falls als zur Prozessführung Beauftragter nunmehr ein Syndikusrechtsanwalt des bevollmächtigten Arbeitgeberverbands nach Maßgabe des § 11 IV 2 ArbGG i.V.m. § 46c II Nr. 2 2. Alt. BRAO auftritt. Da für den Syndikusrechtsanwalt ein personenbezogenes beA eingerichtet ist, ihm in dieser Funktion also ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung stünde, stellt sich die Frage, ob insoweit eine aktive Nutzungspflicht herzuleiten und zu bejahen ist. Anders ausgedrückt ist umstritten, ob im Rahmen des § 46g ArbGG auf das „ERV-Pflichtenprogramm“ des Verbandes oder aber des im Einzelfall beauftragten BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 341

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