d) Nach hier vertretener Auffassung besteht nicht nur aktive Nutzungspflicht für Syndici eine aktive ERV-Nutzungsmöglichkeit, sondern eben auch eine aktive ERV-Nutzungspflicht jedenfalls in den Fällen, in denen nach außen erkennbar für den Verband ein Syndikusrechtsanwalt handelt, wie dies auch in der Kommentierung von Natter (JurisPK-ERV/Natter, 1. Aufl., § 46c ArbGG, Rn. 41.1) vertreten und begründet wird. Dabei sind § 46g ArbGG und § 46c ArbGG in ihrem Zusammenspiel sowie die gesetzgeberische Intention, den ERV voran zu treiben, gemeinsam in den Blick zu nehmen. Zusammenfassend lässt sich daraus der gesetzgeberische Wille ableiten, möglichst zügig und umfassend all diejenigen in den ERV einzubinden, für die ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht. aa) Auszugehen ist zunächst vom reinen Gesetzeswortlaut. Nach § 46g S. 1 ArbGG trifft einen Rechtsanwalt als Einreicher eine aktive beA-Nutzungspflicht; eine Ausnahme für den Syndikusrechtsanwalt ist in dem Gesetz weder vorgesehen noch ist sie erforderlich. Da auch für den Syndikusrechtsanwalt in dieser Funktion ein beA eingerichtet ist (bei gleichzeitiger Rechtsanwaltszulassung ja sogar ein weiteres separates, (§ 46c V BRAO), steht ihm der sichere Übermittlungsweg offen. Dem ArbG Stuttgart (ArbG Stuttgart, 18.7.2022, 4 Ca keine Ausnahme vorgesehen 1688/22) ist in der Begründung zu folgen, dass ein rein statusbezogenes Verständnis abzulehnen ist und eine ERV-Nutzungspflicht auch an die Berufsausübung gekoppelt sein muss. Diese Voraussetzung liegt hier jedoch unproblematisch vor, denn der Syndikusrechtsanwalt würde sein beA letztlich genau zu der Art der Berufsausübung nutzen (müssen), zu der ihm die Zulassung erteilt wurde. bb) Dieser schlichten Wortlauttreue zu § 46g S. 1 ArbGG steht nach Auffassung des Gerichts § 46g S. 2 ArbGG nicht entgegen, denn auch wenn – wohl unbestritten – die vertretungsberechtigte Person in § 46g S. 2 ArbGG der Arbeitgeberverband ist, ergibt sich daraus im Ergebnis nichts anderes. Die beiden Sätze 1 und 2 derselben Norm verfolgen einen einheitlichen Zweck und können als sich ergänzend gelesen werden. (1) Wie bereits mehrfach ausgeführt und unstreitig, vertreten die Verbandssyndikusrechtsanwälte die am Rechtsstreit beteiligten Unternehmen nicht unmittelbar, sondern vertretungsbefugter Bevollmächtigter bleibt gem. § 11 II Nr. 4 ArbGG der Verband selbst. Flankierend dazu regelt § 46 V 2 Nr. 2 BRAO, dass Syndikusrechtsanwälte Rechtsdienstleistungen ihres Arbeitgebers gegenüber Verbandsmitgliedern erbringen. Verbandsvertreter werden durch ihre Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt somit nicht zu rechtsanwaltlichen Bevollmächtigten des jeweils vertretenen Unternehmens, sie genießen über die Verweisung des § 46c I BRAO aber die prozessuale Stellung von Rechtsanwälten und unterscheiden sich dadurch von Verbandsvertretern ohne entsprechende Zulassung. (2) Gemäß § 11 II 3 ArbGG handeln Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. Die Norm ist insoweit wortidentisch mit § 79 II 3 ZPO. Beide Vorschriften enthalten eine Klarstellung zur Postulationsfähigkeit von Bevollmächtigten, die keine natürlichen Personen sind: Im Prozess handlungsbefugt sind außer ihren Organen (nur) die innerhalb des Unternehmens oder Verbands „mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter“, die jedoch wiederum eigene Erklärungen abgeben (so auch LAG Hamm, 3.5.2022, 14 Sa 1381/21, ArbG Stuttgart 15.12.2021, 4 BV 139/21; Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 79 ZPO, Rn. 10). Insoweit gilt nichts anderes als bei der Stellvertretung nach § 164 I BGB, bei welcher der Vertreter in fremden Namen eigene Willenserklärungen abgibt (vgl. LAG Hamm, 3.5.2022, 14 Sa 1381/21; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, 16. Aufl., § 164 Rn. 3). (3) Auch in anderem Zusammenhang ist es der Rechtsprechung im Übrigen nicht fremd, auf die persönlichen Eigenschaften der handelnden Personen abzustellen, sofern eine juristische Person nach § 11 II ArbGG bevollmächtigt ist, naheliegend ist dies etwa für den in § 41 Nr. 4 ZPO geregelten Ausschlussgrund entschieden, bei dem trotz § 11 II ArbGG „Prozessbevollmächtigter“ nur die für die vertretungsberechtigte juristische Person handelnde natürlichen Personen sein könne (BAG, 7.11.2012, 7 AZR 646/10 (A)). (4) Tatsächlich und körperlich einen Schriftsatz bei Gericht einreichen kann denklogisch immer nur eine natürliche Person unabhängig von der Frage, wer Prozessbevollmächtigter ist. Soweit nun vertreten wird, § 46g ArbGG knüpfe nicht Anknüpfung an die tatsächlich handelnde Person an die tatsächlich, sondern die rechtlich handelnde Person an, da Personen, die keine natürlichen Personen sind, naturgemäß nie selbst handeln könnten und dann eine aktive Nutzungspflicht für Behörden oder Verbände inhaltsleer bliebe (Elking, NZA 2022, 1009 ff.), so vermag dies nicht zu überzeugen. Abzustellen ist vielmehr auf den für die erfolgreiche Nutzung und Förderung des ERV alles entscheidenden sicheren Übermittlungsweg. Da eben für Behörden das beBPO und nunmehr für die Verbände das eBO eingerichtet ist, haben diese bzw. selbstverständlich die für sie jeweils handelnden Personen den dafür gedachten sicheren Übermittlungsweg zu nutzen. Damit bliebe aber auch das eBO nicht ungenutzt, da die Assessoren dies künftig nutzen müssen. cc) Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass sich eine beA-Nutzungspflicht des Syndikusrechtsanwalts zwanglos aus § 46g S. 1 ArbGG herauslesen lässt und diesem Ergebnis § 46 S. 2 ArbGG jedenfalls nicht entgegensteht. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 343
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0