AUS DEN GRÜNDEN: [45] Die gem. § 143 SGG statthafte und gem. § 151 I SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Kl. ist zulässig. Die Berufung bedurfte insb. nicht der Zulassung nach § 144 I 1 SGG, denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. [46] Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Bekl. v. 29.9.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 16.3.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Bekl. gegenüber dem Kl. und der Beigeladenen festgestellt hat, dass für die Tätigkeit der Beigeladenen als Rechtsanwältin in der Anwaltskanzlei des Kl. in der Zeit v. 1.1. 2010 bis zum 31.3.2016 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 I, 55 I Nr. 1, 56 SGG). Da von der Bekl. ausdrücklich verfügt wurde, dass die festgestellte Versicherungspflicht am 1.1.2010 beginnt, wäre die Zeit davor nicht zulässiger Streitgegenstand einer Feststellungsklage. Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Versicherungspflicht. Das Vorliegen einer Beschäftigung i.S.v. § 7 I SGB IV ist, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht und damit nur ein Element der mit unmittelbaren Rechtsfolgen verbundenen Feststellung von Versicherungspflicht. Demzufolge sind weder die Deutsche Rentenversicherung Bund als „Clearingstelle“ noch die Gerichte befugt, im Rahmen von § 7a SGB IV isoliert das Vorliegen von Beschäftigung festzustellen. Zwar räumt auch das BSG ein, dass für ein zulässiges Begehren auf Feststellung von Beschäftigung ein Bedürfnis besteht, dem aber erst durch die ab 1.4.2022 geltende Neuregelung des § 7a SGB IV Rechnung getragen wurde (BSG 27.4.2021, B 12 KR 27/19 R, Rn. 12). Ob für die Zeit v. 1.10.2009 bis 31.12.2009 in dem (von der Bekl. angenommenen) Beschäftigungsverhältnis in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit bestand, bedarf daher keiner Entscheidung. [47] Die Berufung des Kl. ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten. Die Beigeladene unterlag in ihrer Tätigkeit für den Kl. nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. [48] Nach § 7a I 1 SGB IV in der bis zum 31.3.2022 geltenden Fassung können die Beteiligten schriftlich (und seit dem 5.4.2017 auch elektronisch) eine Entscheidung der nach § 7a I 3 SGB IV zuständigen Bekl. (Clearingstelle) beantragen, ob Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Inhaltlich entscheidet die Clearingstelle gem. § 7a II SGB IV aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände. § 7a VI SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (S. 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (S. 2). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. Die Bekanntgabe der Statusfeststellung gegenüber den Beteiligten erfolgt seitens der Bekl. durch einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. [49] Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die Voraussetzungen abhängiger Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 I Nr. 1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 I 1 und 2 Nr. 1 SGB XI), der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 I 1 SGB III). Beschäftigung ist gem. § 7 I SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S. 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden. [50] Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die GerichELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 6/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 348
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