BRAK-Mitteilungen 1/2023

sollen. Die höhere Bereitschaft der Kostenbeteiligung für die Fachwirtweiterbildung in größeren Kanzleien mag damit zusammenhängen, dass in diesen der Bedarf größer ist und der Mehrwert wiederum direkt der Kanzlei zufließt. In einem Mitarbeitergespräch lässt sich die Motivation zu einer Seminarteilnahme sicherlich klären. d) WEITERBILDUNG Wie oben bereits dargestellt, liegen Einzelkanzleien bei der Gewährung von Weiterbildungsmaßnahmen mit 80 % unter dem Bundesdurchschnitt, während Sozietäten mit knapp 95 % über dem Durchschnitt liegen. Dies mag daran liegen, dass während der Abwesenheit der alleinigen Fachkraft keine Vertretungsmöglichkeit gesehen wird. Gerade in Einzelkanzleien, in denen die Wege doch recht kurz sind, müssen flexible Absprachen möglich sein. Gegebenenfalls sollte in Erwägung gezogen werden, einen freien Mitarbeiter zeitweise zur Vertretung einzusetzen. Angebote selbstständiger ReFas wachsen stetig und finden sich sicherlich in allen Regionen Deutschlands. e) ARBEITSZEITGESTALTUNG Auch wenn Einzelkanzleien bei der Freistellung für bzw. Gewährung von Weiterbildungsmaßnahmen noch nicht punkten können, zeigen sie ihre Flexibilität um so mehr, wenn es um Arbeitszeitgestaltung geht. Wieso dies in Sozietäten, in denen mehr Personal vorhanden ist, nicht so gut läuft, muss jede Sozietät für sich hinterfragen. Auch die Gewährung von Homeoffice bzw. mobilem Arbeiten sollte niemand aus den Augen verlieren und individuell nochmals auf die Tagesordnung der Kanzleibesprechung setzen. Hierbei sollten die individuellen Bedürfnisse der Kanzlei bzw. der Mandanten den Bürozeiten angepasst werden. f) EINSATZGEBIETE Die typischen Einsatzgebiete von ReFas und ReNos werden in der Befragung genannt. Aber wissen Sie, was Ihre Fachangestellte alles könnte? Werfen Sie einen Blick auf die Ausbildungsinhalte, die Sie auf der Webseite www.recht-clever.info finden. aa) SCHREIBARBEITEN 83 % der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gaben noch immer Schreibarbeiten als typischen Aufgabenbereich an. Bereits an dieser Stelle sollte der Einsatz von Spracherkennungssoftware angesprochen werden, da der Einsatz von technischen Hilfsmitteln eine zeitliche Entlastung bietet, die in qualifizierte Tätigkeiten fließen kann. Das Vier-Augen-Prinzip kann gewahrt bleiben! Gerade längere Schriftsätze sollten von Fachkräften Korrektur gelesen werden, die nicht nur den Inhalt des Textes verstehen und damit sinnerfassend lesen, sondern auch als „Übersetzer“ Jurist – Mandant dienen können. bb) LEGAL DESIGN Die mangelnde Nachfrage an Legal Design-Kenntnissen (s. oben Abb. 3.7.6) könnte sich genau an dieser Stelle erklären. Ist es wirklich unwichtig, Feedback von Mandanten einzuholen? Die Kanzlei sollte sich nicht ausschließlich auf die juristisch korrekte Lösung eines Problems fokussieren, sondern auch reflektieren, ob ihre Texte und Verträge verständlich und visuell so gefasst sind, dass sie leicht aufgenommen werden können. Hierzu gehört auch, dass interne Strukturen bei Mandanten bekannt sind und man auch als Juristin oder Jurist Abläufe nicht zusätzlich verkompliziert. Wenn das gesamte Kanzleiteam die Mandatsstruktur und somit den Bedarf des Mandanten kennt und ernst nimmt, kann man einen echten Mehrwert anbieten und nicht nur juristisch korrekte Lösungen. cc) CHANGE MANAGEMENT Ebensowenig wird der Bedarf an Kenntnissen im Change Management gesehen. Das erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, denn „das haben wir schon immer so gemacht!“ und jede Veränderung führt zu Chaos im Ablauf und somit zu Haftungsfallen. Die verpflichtende Anwendung des elektronischen Rechtsverkehrs und damit auch des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) führte dazu, dass einzelne Verfahrensabläufe abgeändert wurden; aber geschah dies mit Blick aufs Ganze? Nur einzelne Prozesse zu optimieren, entspricht nicht „Change“ im Sinn dieser Definition. Change Management meint die Umsetzung einzelner Maßnahmen, um Abteilungen oder die gesamte Organisation tiefgreifend zu verändern. Auch wenn diese Maßnahmen im Aufgabenbereich der Kanzleiführung liegen, sollten sie in der gesamten Kanzlei kommuniziert und implementiert werden. Das Back-Office muss ebenfalls seinen Beitrag leisten, da diesem die Abläufe in der Praxis am geläufigsten sind. g) RECHTSFACHWIRTINNEN UND RECHTSFACHWIRTE Es fehlt meist die Zeit, sich neben der eigentlichen Aktenbearbeitung auch noch darum zu kümmern, einen Kanzleiablauf zu durchdenken und neu zu strukturieren. Diese Vorarbeit ist eine typische Aufgabe von Rechtsfachwirtinnen und -fachwirten, die ein Konzept ausarbeiten und der Kanzleiführung zur Entscheidung vorlegen. Leider wurden keine Angaben zum Einsatz von Fachwirtinnen und Fachwirten erhoben. In der Umfrage des BFB gaben 59 % der befragten Freiberufler an, dass Ressourcen durch unnötige Dokumentationspflichten missbraucht werden. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ist es unerlässlich, diese Aufgaben von der Kanzleiführungsebene fernzuhalten. Wer kümVETTER, DIE STAR-UNTERSUCHUNG 2022 BRINGT ES ANS LICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 11

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