tätig sind – erwarten künftig einen geringeren Bedarf an besonderen Qualifikationen, was darauf hindeuten mag, dass sie alles selbst können. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, mag dahingestellt sein. Probleme in technischen Abläufen (Anrufe im Support inkl. Warteschleifen) oder Berufserfahrung in Abrechnungsfragen, eigenes Nachhalten der gestellten Rechnungen usw. werden gegebenenfalls nicht als wichtig betrachtet oder der zeitliche Aufwand wird nicht mit abrechenbaren Stunden verglichen. 2. MODERNER BERUF MIT ZUKUNFT a) LEGAL TECH – ÜBERNAHME DER ANWALTSKANZLEIEN DURCH ROBOTER Der Schrecken vor „Legal Tech“ zeigt sich in der Umfrage recht deutlich. Nur etwas mehr als die Hälfte gab an, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Legal Tech-Angebote nutzen. Überwiegt die Angst davor, dass Roboter unseren Alltag übernehmen? Ein Dienstleistungsverständnis so ganz ohne Menschlichkeit als ein Teil der Rechtspflege? Möglicherweise ist es aber schlicht eine Frage der Definition – oder ist tatsächlich nicht bekannt, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den ganzen lieben Tag so tun? In der hier benutzten Definition von Legal Tech geht es um die Anwendung der meist schon vorhandenen Anwaltssoftware. aa) ANWENDUNG VON KANZLEISOFTWARE Die Nutzung „digitaler Vorlagesysteme“ werde laut Angabe der befragten Rechtsanwälte von knapp 62 % der Mitarbeiter genutzt. Es ist kaum vorstellbar, dass im Jahr 2022 Wiedervorlagen in einem Handkalender eingetragen werden, wenn die Kanzleisoftware diese automatisch auf Knopfdruck anzeigt. Interessant ist bei der Betrachtung der Einsatzbereiche von Legal Tech-Anwendungen bei nicht-anwaltlichem Personal, dass Ost-Kanzleien in nahezu allen Anwendungsbereichen vorne liegen. Die Vorteile und die aktive Nutzung der Kanzleisoftware in die Praxis umzusetzen sind dort schneller gelungen als in WestKanzleien, die sich von alten Zöpfen offenbar schwerer lösen können. „Das haben wir schon immer so gemacht“ mag Traditionen erhalten, führt jedoch selten zu Fortschritt. 56 % der Befragten gaben an, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Buchhaltung digital führen. Wie erfolgt bei den restlichen 44 % die Umsatzsteuervoranmeldung ohne Schnittstelle zu Elster? Es mag noch nachvollziehbar sein, dass nur 22 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Auswertungssoftware nutzen. In vielen Kanzleien ist ein Blick auf die betriebswirtschaftliche Auswertung der Kanzleiführung vorbehalten, auch wenn Rechtsfachwirtinnen und Rechtsfachwirte gelernt haben, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse vorzunehmen. Aber auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gaben die Nutzung nur mit 28 % an. Wie erfolgt die wirtschaftliche Betrachtung der Kanzlei als Unternehmen in allen anderen Fällen? Auch Anwaltskanzleien sind Unternehmen, die trotz aller Verantwortung als unabhängiges Organ der Rechtspflege auch wirtschaftlich sein müssen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der Apell notwendig erscheint: Mit der Technik statt gegen die Technik! Sich gegen den Fortschritt zu wehren ist nicht nur ein aussichtsloser Kampf, sondern schlicht wirtschaftlicher Unfug. Niemand würde die Unterstützung durch Haushaltsgeräte als Teufelszeug abtun und wieder von Hand waschen, statt eine Wasch- oder Spülmaschine zu benutzen. Überraschendes Ergebnis aus der STAR-Umfrage 2022 ist, dass gerade Einzelkanzleien seltener auf Spracherkennung zurückgreifen. Gerade hier ist doch Entlastung der oft einzigen Fachkraft notwendig, um anstatt einfacher Schreibarbeiten eher qualitativ hochwertige Tätigkeiten zu übernehmen. Der FFI Verlag hat im Zeitraum Juli bis September 2022, also unmittelbar im Anschluss an die STAR-Umfrage, eine Befragung zu Legal Tech durchgeführt.9 9 S. https://www.legal-tech.de/ergebnisse-legal-tech-umfrage-2022/. Auch wenn 63 % der Befragten angaben, sich mit Legal Tech aus Interesse zu befassen, folgten bereits 50 % der Befragten mit dem Argument, dass die Verbesserung kanzleiinterner Prozesse der Motivator war, sich mit Legal Tech zu beschäftigen. Eine zunehmende Digitalisierung gestalte nicht nur kanzleiinterne Prozesse effizienter, sondern entlaste auch Mitarbeitende. Als größtes Digitalisierungshindernis wurde mangelnde Zeit (40 %) angegeben, gefolgt von fehlendem Wissen bzw. fehlender IT-Kompetenz (35 %). Begrenztes Budget gaben dagegen nur 21 % der Befragten an. Immerhin gaben 66 % der befragten Anwältinnen und Anwälte an, Tools wie Spracherkennung oder Dokumentenerstellung eingeführt zu haben. bb) JURISTISCHE AUSBILDUNG UND LEGAL TECH Das mangelnde Wissen bzw. die mangelnde IT-Kompetenz scheint nicht nur auf fehlende Fortbildung der zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zurückzuführen sein, sondern bereits auf die geringe Rolle von Legal Tech in der juristischen Ausbildung. Der Änderungsprozess ist schon im Fluss. Beispielsweise wurde in Bayern die JAPO10 10 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen i.d.F. ab 1.1.2023; s. dort § 49 I Nr. 8 (Pflichtwahlpraktikum für Referendare) und § 58 III Nr. 8 (Prüfungsgebiete für die zweite juristische Staatsprüfung). dem modernen Bild der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts angepasst. Für das Pflichtwahlpraktikum im Vorbereitungsdienst und für die Zweite Juristische Staatsprüfung wurde das neue AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 13
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