III. SONSTIGES: REGRESS DES RECHTSSCHUTZVERSICHERERS GEGEN DEN ANWALT 1. ISOLIERTE DRITTWIDERKLAGE GEGEN DEN MANDANTEN Der BGH50 50 Vgl. BGH, Urt. v. 27.4.2022 – IV ZR 344/20 Rn. 7 ff. m. zust. Anm. Johannes, jurPRVersR 8/2022 Anm. 1. S.a. Elzer, FD-ZVR 2022, 448975 und Grams, FD-VersR 2022, 449136. hat die isolierte Drittwiderklage51 51 Also eine ausschließlich gegen einen bislang am Prozess nicht beteiligten Dritten und nicht zugleich gegen den Kläger erhobene Widerklage. einer vom Rechtsschutzversicherer aus gem. § 86 I VVG übergegangenem Recht auf Schadenersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch genommene Rechtsanwältin gegen ihren Mandanten auf Feststellung, dass diesem keine derartigen Ansprüche zustehen, für grundsätzlich zulässig erachtet. Dies, weil eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht enge Verknüpfung der Streitgegenstände von Klage und Drittwiderklage vorliege und schutzwürdige Interessen des Drittwiderbeklagten nicht verletzt würden. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben, weil der Rechtsanwalt nicht Partei des Versicherungsvertrags sei und die dortigen Verhältnisse nicht kenne. Es seien rechtlich Fälle vorstellbar, in denen in rechtlicher Hinsicht eine Unsicherheit bestehe, ob der gegen den Anwalt erhobene Anspruch auf den Versicherer übergegangen sei und weiterhin diesem und nicht dem Versicherungsnehmer zustehe. Die darüber hinaus notwendige schutzwürdige Betroffenheit der Drittwiderklägerin ergebe sich für Fall, dass der widerbeklagte Mandant sich vorprozessual Ansprüchen gegen den Anwalt berühmt habe. 2. KOSTENSCHADEN AUCH BEI MANDAT UNTER BEDINGTER DECKUNGSZUSAGE In einer weiteren Entscheidung hat der BGH52 52 Vgl. BGH, Urt. v. 29.9.2022 – IX ZR 204/21 m. Anm. H.-J. Mayer, FD-RVG 2022, 454559; krit. Cornelius-Winkler, jurisPR-VersR 12/2022 Anm. 2 und ders., BRAKMitt. 2023, 62 (in diesem Heft). in konsequenter Fortführung seiner Grundsatzentscheidung aus dem Vorjahr53 53 Vgl. Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19 und ausf. hierzu Völker, BRAK-Mitt. 2022, 20 (24 f.). entschieden, dass der Deckungsanspruch eines Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer infolge einer Beratungspflichtverletzung einen Kostenschaden auch dann nicht ausschließe, wenn der Mandant den Auftrag unter der Bedingung einer Deckungszusage erteilt habe. Auch in diesem Fall stellten bei der notwendigen normativen und wertenden Betrachtung gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzes die vom Rechtsschutzversicherer übernommenen Kosten einen Schaden des Mandanten dar. In der „Segelanweisung“ an das Berufungsgericht, an das der Senat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückverwies, bestätigt er sodann seine erwähnte Grundsatzentscheidung: Eine originäre aus dem Mandatsverhältnis fließende Pflicht, einen aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen gebe es weder gegenüber rechtsschutzversicherten noch gegenüber nicht versicherten Mandanten. Der Rechtsanwalt schulde in beiden Situationen gleichermaßen eindeutige Beratung über die Aussichten der Rechtsverfolgung und den Vorschlag, den hiernach sichersten und gefahrlosesten Weg zu gehen. Erst bei Verletzung dieser Pflicht, könne zwischen versicherten und nichtversicherten Mandanten unterschieden werden. Im ersteren Fall greife hinsichtlich der Kausalität von Pflichtverletzung und (Kosten-)Schaden kein Anscheinsbeweis zugunsten des Mandanten, wenn die ins Auge gefasste Rechtswahrnehmung objektiv jedenfalls nicht völlig aussichtslos gewesen sei. Wie sich ein verobjektivierter, vernünftig urteilender Mandant bei sachgerechter Aufklärung verhalten hätte, habe der Tatrichter zu entscheiden. 3. AUFKLÄRUNGSPFLICHT ÜBER PROZESSRISIKEN Einen plastischen Anwendungsfall dieser vom BGH festgeschriebenen Grundsätze und die essentielle Notwendigkeit der vertieften Aufklärung über Prozessrisiken auch in rechtsschutzversicherten Mandaten liefert im Berichtszeitraum das OLG Karlsruhe:54 54 Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.9.2022 – 17 U 22/21, beck-online Rn. 33 ff. Ein von einer Treuhandgesellschaft mit gleichzeitiger Zulassung als Steuerberatungsgesellschaft geschädigter, rechtsschutzversicherter Kapitalanleger betraute seinen Anwalt mit der Prüfung und gegebenenfalls Geltendmachung von Deckungsansprüchen der in Insolvenz gefallenen Gesellschaft gegen die dort unterhaltene Berufshaftpflichtversicherung für Steuerberater gem. § 110 VVG. Nach Freigabe des Deckungsanspruchs durch den Insolvenzverwalter und Einholung einer Deckungszusage erhob der Anwalt für seinen Mandanten eine auf Prospekthaftungsansprüche gestützte Klage. Das LG wies die Klage ab, weil die in Rede stehenden Pflichtverletzungen nicht vom Deckungsumfang der Pflichtversicherung für Steuerberater umfasst seien. Das hiergegen angerufene OLG wies, die nach vorheriger Einholung einer Deckungszusage eingelegte Berufung mit derselben Begründung durch Beschluss nach § 522 II 1 ZPO zurück. Der Anwalt beantragte sodann für seinen Mandanten Kostendeckung für eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Diese wurde zunächst abgelehnt, nach einer neuerlichen Anfrage des Revisionsanwalts dann aber zugesagt. Nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde in der Folge eingelegt und begründet worden war, musste der später beklagte Instanzanwalt seinem Mandanten empfehlen, das Rechtsmittel im erteilten Einvernehmen mit dem Rechtsschutzversicherer zurückzunehmen, weil der BGH in drei Parallelverfahren die dortigen Nichtzulassungsbeschwerden zurückgewiesen hatte. Der Rechtsschutzversicherer nahm daraufhin den Anwalt aus gem. § 86 I VVG übergegangenem Recht auf Ersatz des Kostenschadens für die Berufungs- und die ReviVÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2022 BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 AUFSÄTZE 24
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