Klägers gegen den Anwalt sei ein Ersatzanspruch i.S.v. § 86 I 1 VVG. Der Annahme eines Ersatzanspruchs gem. § 86 I 1 VVG stehe der Deckungsanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer nicht entgegen. Das OLG habe zu Unrecht angenommen, dass der Kläger bezüglich der angefallenen Rechtsverfolgungskosten zu keinem Zeitpunkt einen Vermögensschaden erlitten habe. In der Rechtsschutzversicherung stelle der Anspruch auf Kostenbefreiung die Hauptleistung des Versicherers dar. Die Kosten der Rechtsverfolgung bildeten den Schaden, dessen Deckung der Versicherer übernommen habe. Entschließe sich der Versicherungsnehmer zu einem gerichtlichen Vorgehen, handle es sich bei den anfallenden Kosten um seinen Schaden. Dies gelte auch dann, wenn der Mandant dem Anwalt einen Auftrag nur unter der Bedingung einer Deckungszusage seitens des Versicherers erteile. Der Rechtsschutzversicherer habe die Kosten aufgrund der dem Kläger erteilten Deckungszusage getragen. Dass die Deckungszusage in dem Wissen erteilt worden sei, dass ein Deckungsanspruch nicht bestehe, sei nicht ersichtlich. Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch den Rechtsschutzversicherer aus übergegangenem Recht verstoße nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Rechtsverfolgung sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherer die Deckungsanfrage des Anwalts geprüft und die nun behauptete Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können. Das OLG müsse daher prüfen, ob der Anwalt seine Beratungspflicht gegenüber dem Mandanten bezüglich der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung verletzt habe und wie sich der Mandant im Fall pflichtgemäßer Beratung verhalten hätte. Insoweit könne relevant sein, dass der Mandant eine Rechtsschutzversicherung hatte. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Pflicht des Anwalts zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung unabhängig davon bestehe, ob der Mandant rechtsschutzversichert sei oder nicht, und dass etwaige Schadensersatzansprüche des Mandanten nach § 86 I 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergehen.1 1 BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324, Bespr. v. Grams, BRAKMitt. 2021, 370. Nun hat der BGH ergänzend festgestellt, dass dies auch dann gilt, wenn der Mandant den Auftrag an den Anwalt überhaupt nur unter der Bedingung erteilt, dass sein Rechtsschutzversicherer vor Auslösung von Kosten eine Deckungszusage erteilt. Der BGH geht davon aus, dass trotz Erteilung der Deckungszusage bereits vor Einleitung kostenauslösender Maßnahmen ein Schaden des Mandanten im Rechtssinne vorliege. Hierzu bezieht sich der BGH auf seine Rechtsprechung zum Gesamtvermögensvergleich, der stets einer normativen Kontrolle gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes unterzogen werden müsse.2 2 Z.B. BGH, NJW 2021, 53; WM 2014, 231; VersR 2020, 174. Leider erläutert der BGH nicht weiter, warum diese normative Wertung hier zur Annahme eines Schadens führt, obwohl der Mandant durch die Verfahrenskosten keine Vermögenseinbuße erleidet, weil er ja aufgrund der Deckungszusage seines Versicherers insofern von Anfang an einen Freistellungsanspruch hat. In dieser Konstellation hatte das Berufungsgericht3 3 OLG Dresden, Urt. v. 4.11.2021 – 10 U 1231/20. wie zuvor auch schon das OLG München4 4 OLG München, Urt. v. 25.11.2020 – 15 U 2415/20, r+s 2021, 151, Bespr. v. Grams, BRAK-Mitt. 2021, 84. einen Schaden des Mandanten mit nachvollziehbarer Begründung verneint. (hg) HAFTUNG VON SCHEINSOZIEN Mit dem Zusatz „Inhaber“ neben einem Rechtsanwalt auf dem Briefbogen der Kanzlei wird nach außen nicht hinreichend deutlich, dass die anderen Rechtsanwälte angestellt sind. Der angestellte Anwalt ist aus Sicht des Mandanten als Scheinsozius anzusehen. LG Bremen, Urt. v. 9.9.2022 – 4 O 2229/19 Der Mandant hatte „die Kanzlei E.“ mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Bank wegen vermeintlicher Falschberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem Fonds beauftragt. Die Klage wurde wegen Verjährung abgewiesen, weil der Schlichtungsantrag mangels Beifügung von Unterlagen nicht geeignet gewesen sei, die Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Die anschließende Haftpflichtklage richtete der Mandant nicht gegen die Kanzlei (wohl eine BGB-Gesellschaft), sondern gegen den zuständigen Sachbearbeiter, welcher zum Zeitpunkt der Mandatsbearbeitung bei der Kanzlei E. als angestellter Rechtsanwalt tätig war. Dieser machte geltend, nicht passiv legitimiert zu sein, da der Anwaltsvertrag nur mit der Kanzlei E., nicht jedoch mit ihm persönlich zustande gekommen sei. Das LG meint, dass derjenige, der eine Anwaltssozietät aufsucht und einen Auftrag erteilt, grundsätzlich das Mandat allen als Mitglieder der Sozietät erscheinenden Anwältinnen und Anwälten übertragen will. Diese Vorstellung entspringt allerdings einer überkommenen Rechtslage aus der Zeit vor 2001,5 5 Grundsatzentscheidung BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056. in der der BGB-Gesellschaft keinerlei Rechtsfähigkeit zuerkannt wurde. Seitdem wird ein Mandatsvertrag regelmäßig mit „der Kanzlei“ – in welcher Rechtsform auch immer – geschlossen. Ob ein Haftpflichtanspruch dann (auch) gegen einzelne Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gerichtet werden kann, hängt davon ab, ob diese gesellschaftsrechtBRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 AUFSÄTZE 26
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