BRAK-Mitteilungen 1/2023

tung, ist also nach § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien. Die DRV ist im Zulassungsverfahren anzuhören und hat ein eigenes Klagerecht. Seither wird vor den Anwaltsgerichtshöfen und dem Senat für Anwaltssachen beim BGH als Berufungsgericht geklärt, ob Arbeitsverhältnisse den Anforderungen der §§ 46 ff. BRAO an eine Zulassung genügen und so die Frage der Befreiungstauglichkeit konkreter Beschäftigungsverhältnisse im Grunde mitentschieden. Es existiert mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung der Anwaltsgerichtsbarkeit zu vielen Grundsatzfragen. Eine Gruppe blieb dabei – zum Erstaunen jedenfalls der Mitglieder der Arbeitsgruppe Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte der Rechtsanwaltskammern – von Klagen der DRV Bund lange unbehelligt: die Geschäftsführung berufsständischer Kammern. Diese erlangten ihre Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bis vor kurzem nach Zulassung zum jeweiligen Beruf allein durch Verweis auf den Satz „Zu der jeweiligen Berufsgruppe gehören auch Personen, die aufgrund berufsspezifischer Vorbildung in den Standesorganisationen oder berufsständischen Versorgungseinrichtungen beschäftigt sind“ auf S. 105 der Begründung zu § 6 SGB VI im Rentenreformgesetz 1992. Nun liegt eine erste Entscheidung zum Begriff der laufenden Geschäfte einer Bezirksärztekammer vor, welche der beigeladenen Geschäftsführerin übertragen waren. Vieles an der Entscheidung lässt sich generell auf die Geschäftsführung in berufsständischen Kammern übertragen. Nachdem im Zulassungsverfahren die Antragsunterlagen der Arbeitgeberin mehrfach durch Nachfragen der beklagten Rechtsanwaltskammer konkretisiert worden waren, argumentierte die DRV Bund im Klageverfahren (soweit hier von Interesse), die Führung der laufenden Geschäfte der Bezirksärztekammer sei hoheitlicher Natur. Sie stütze diese Angriffe zum Teil auf konkrete Behauptungen, teilweise auf Mutmaßungen zu Abläufen. Eine hoheitliche Tätigkeit allerdings stünde nach der Rechtsprechung des BGH zu § 7 Nr. 8 BRAO der Zulassung entgegen.3 3 Dazu grundlegend BGH v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18. Im Klageverfahren klärte der AGH Rheinland-Pfalz den Sachverhalt sehr gründlich sogar in Bereichen auf, in denen die DRV Bund nur Mutmaßungen geäußert hatte. Der AGH korrigierte Schwerpunkte in der Beschäftigung, da sich in der Praxis – auch aufgrund der Pandemie – die Beschäftigung in Teilen etwas anders entwickelt hatte als nach der vertraglichen Form erwartet. Für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer berufsständischer Kammern und Versorgungseinrichtungen sind deshalb gerade die ausführlichen Feststellungen und rechtlichen Würdigungen zu dieser Frage durch den AGH Rheinland-Pfalz sehr interessant. Typischerweise klären Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer in vielen Verfahren den Sachverhalt, bereiten Entscheidungen vor oder formulieren sie aus. Die Entscheidungen aber werden alle durch gewählte, ehrenamtliche Gremien getroffen, eigene Entscheidungskompetenz in Fragen mittelbarer Staatsverwaltung hat die Geschäftsführung der Kammern regelmäßig weder aufgrund Gesetzes oder Satzung noch übt sie diese in der Praxis aus. Auch über Fragen der Verkürzung von Ausbildungszeiträumen etc. entscheiden Prüfungsausschüsse, auch wenn entsprechende Vorschläge von der Geschäftsführung erfolgen sollten. Die ebenfalls zur Beschäftigung zählende Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Kammer im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften und disziplinarische Führung der Mitarbeiter ist nur teilweise anwaltlich, nimmt aber einen untergeordneten Umfang ein. Der AGH Rheinland-Pfalz arbeitet sehr gründlich auf der Sachverhaltsebene und auch in der rechtlichen Würdigung heraus, dass die Tätigkeiten im konkreten Fall nicht hoheitlich sind, da alle Entscheidungen durch ehrenamtliche Gremien getroffen werden. Der Senat stellt weiter zutreffend darauf ab, dass die das Beschäftigungsverhältnis vorrangig prägende rechtliche Beratung der Mitglieder der Bezirksärztekammer in den verschiedensten Rechtsgebieten eindeutig anwaltlichen Charakter hat und nach § 46 V BRAO zu den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers gehört. Die Entscheidung ist insgesamt eine gute Vorlage, um vertragliche Regelungen für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer in berufsständischen Kammern und Verbänden zu konkretisieren und damit ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältinnen bzw. -anwälte zu sichern, nachdem der „Freifahrtschein“ aus dem Rentenrechtsreformgesetz nicht mehr gültig ist. Etwas überraschen mag, dass der AGH Rheinland-Pfalz die Berufung nicht zugelassen hat. Dies ist zwar vor dem Hintergrund der guten Sachverhaltsaufklärung vertretbar, sollte die DRV Bund aber einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, ist mit deren Zulassung zu rechnen. Der Entscheidung kommt durchaus grundsätzliche Bedeutung für einen weiten Kreis an Beschäftigungsverhältnissen zu. Rechtsanwalt Tilman Winkler, Freiburg SYNDIKUSANWÄLTE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 55

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