ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR EINGANG BEIM GERICHT BEI ÜBERMITTLUNG ÜBER DAS beA ZPO §§ 85 II, 130a V 1, 233 S. 1 1. Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist erst dann gem. § 130a V 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. 2. An die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax (hier: Übermittlung der Berufungsbegründung an falschen Empfänger). BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Der Kl. wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Berufungsgericht seine Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat. Hilfsweise erstrebt der Kl. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. [2] Er legte gegen das am 30.6.2021 seinem Prozessbevollmächtigten zugestellte Urteil des LG fristgerecht Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde bis zum 30.9.2021 verlängert. Am 29.9.2021 übermittelte der Klägervertreter die Berufungsbegründungsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach (im Folgenden: beA) versehentlich an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (im Folgenden: EGVP) des LG. Am 11.10.2021 wurde von dort aus die Berufungsbegründung an das Berufungsgericht weitergeleitet. [3] Der Kl. hat mit am 12.10.2021 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zur Begründung ausgeführt, die komplette Fristenkontrolle einschließlich der Ausgangskontrolle erfolge in seiner Einzelkanzlei ausschließlich durch ihn. Er habe hinsichtlich der Berufungsbegründung kontrolliert, ob und wann das Dokument übermittelt worden sei. Es sei ihm nicht aufgefallen, dass der falsche Empfänger angegeben worden sei, weil er geglaubt habe, den richtigen Empfänger angeklickt zu haben. [4] II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Kl. als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Eingang der Berufungsbegründung in der elektronischen Eingangseinrichtung des LG stelle nicht zugleich einen Eingang beim Berufungsgericht dar. Den Klägervertreter treffe ein dem Kl. nach § 85 II ZPO zuzurechnendes Verschulden, weil er seinen Kontrollpflichten bezogen auf die Durchsicht des ihm übersandten Übermittlungsprotokolls nicht gerecht geworden sei, indem er es unterlassen habe zu überprüfen, ob der Schriftsatz an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme auch nicht ausnahmsweise deshalb in Betracht, weil das Verschulden nicht kausal für die Fristversäumung sei. Das LG sei nur gehalten gewesen, den falsch adressierten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang weiterzuleiten. Mit Blick auf die am nächsten Tag ablaufende Frist zur Begründung des Rechtsmittels habe der Kl. nicht erwarten können, dass der Schriftsatz in dieser kurzen Zeitspanne an das Berufungsgericht weitergeleitet werde. [5] III. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 I 1 Nr. 1, 522 I 4, 238 II 1 ZPO statthaft. Sie ist aber im Übrigen nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 II ZPO fehlt. Die Ablehnung der Wiedereinsetzung und die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzen weder den Anspruch des Kl. auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) noch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 20 III GG). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 574 II Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 II Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. [6] 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Berufung des Kl. als unzulässig verworfen, weil es ohne Rechtsfehler die Frist zur Begründung des Rechtsmittels als versäumt erachtet und das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht als ausreichend dargelegt angesehen hat. [7] a) Bis zum Ablauf der bis zum 30.9.2021 verlängerten Frist ist keine Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Frist nicht durch die Übersendung an das EGVP des LG gewahrt worden. [8] Ein über das beA eingereichtes elektronisches DokuSpeicherung auf EmpfängerIntermediär ment ist erst dann gem. § 130a V 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 18). Diese Voraussetzung ist mit der Übermittlung der Berufungsbegründung an das EGVP des LG nicht erfüllt. Denn hierbei handelt es sich nicht um die für den Empfang der Berufungsbegründung bestimmte Einrichtung des Berufungsgerichts nach § 130a V 1 ZPO. Hieran ändert entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nichts, dass ausweislich der vom Kl. vorgelegten StelELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 56
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