BRAK-Mitteilungen 1/2023

SONSTIGES REGRESS WEGEN FÜHRENS EINES AUSSICHTSLOSEN RECHTSSTREITS BGB §§ 280, 675 I; VVG § 86 I 1 Der Deckungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer schließt die Annahme eines (Kosten-) Schadens des Mandanten infolge einer Beratungspflichtverletzung des Rechtsanwalts auch dann nicht aus, wenn der Mandant nur einen Auftrag unter der Bedingung einer Deckungszusage erteilt. BGH, Urt. v. 29.9.2022 – IX ZR 204/21 AUS DEM TATBESTAND: [1] Der Kl. nimmt den Bekl. Rechtsanwalt aus abgetretenem Recht seines Rechtsschutzversicherers auf Ersatz eines Kostenschadens in Anspruch. Der Schaden soll dadurch entstanden sein, dass der Bekl. einen von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit geführt habe. [2] Der Bekl. erwirkte in 2009 im Auftrag des Kl. gegen K.A. ein Versäumnisurteil über eine Hauptforderung i.H.v. 30.000 Euro nebst Zinsen. Im Oktober 2011 beauftragte der Kl. den Bekl., gegenüber der Bank des A. als Drittschuldnerin vorzugehen und hierfür bei dem Rechtsschutzversicherer des Kl. eine Deckungszusage zu erwirken. Nachdem der Rechtsschutzversicherer die Deckungszusage erteilt hatte, beantragte der Bekl. den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bezüglich angeblicher Ansprüche des A. gegen die Bank „aus allen bestehenden Geschäftsverbindungen, sämtlicher Art und Rechtsnatur“, der antragsgemäß erlassen wurde. Nach Zustellung des Beschlusses erklärte die Bank, eine Kontoverbindung zu A. würde nicht mehr bestehen. Der Bekl. erhob Klage gegen die Bank, gerichtet auf Auskunft und Zahlung. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erteilte einen Hinweis gem. § 522 II ZPO, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, da die gepfändete Forderung in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht hinreichend bestimmt sei. Mit Beschl. v. 10.12.2012 wies das OLG die Berufung zurück. [3] Der Kl. verlangt mit seiner Klage Schadensersatz wegen der erfolglosen Prozessführung gegen die Bank. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl., mit der nur noch die Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. [4] Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter. AUS DEN GRÜNDEN: [5] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. [6] I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Rechtsschutzversicherer des Kl. habe keine Schadensersatzforderung gegen den Bekl. erlangt, die er an den Kl. hätte abtreten können. [7] Der Rechtsschutzversicherer habe nur im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 86 I VVG einen Schadensersatzanspruch des Kl. gegen den Bekl. wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten erlangen können, den er sodann an den Kl. hätte zurückabtreten können. Es könne dahinstehen, ob der Bekl. seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt habe, da dem Kl. jedenfalls kein Schaden entstanden sei. Erbringe der Versicherungsnehmer vor der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers weder Zahlungen noch erteile er einen unbedingten Auftrag an den Rechtsanwalt, erleide der Versicherungsnehmer zu keinem Zeitpunkt einen Vermögensschaden. Ein Schaden entstehe allenfalls dem Rechtsschutzversicherer, der die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Es sei auch kein übergangsfähiger Schaden des Versicherungsnehmers zu fingieren, da der Rechtsschutzversicherer selbst die Erfolgsaussichten einer Klage zu prüfen habe und den Eintritt eines Schadens vermeiden könne. [8] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. [9] Ein unter dem Gesichtspunkt der Rechtsanwaltshaftung in Betracht kommender und für das Revisionsverfahren zu unterstellender Schadensersatzanspruch des Kl. gegen den Bekl. wäre auf den Rechtsschutzversicherer des Kl. übergegangen (§ 86 I VVG). Dieser Anspruch konnte an den Kl. zurückabgetreten werden. [10] 1. Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 I 1 VVG gilt. Nach dieser Regelung geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang i.S.v. § 412 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, NJW 2021, 3324 Rn. 17 m.w.N.). Die Voraussetzungen für den Anspruchsübergang sind erfüllt. [11] a) Der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch des Kl. gegen den Bekl. ist ein Ersatzanspruch i.S.d. § 86 I 1 VVG. [12] aa) Der Annahme eines Ersatzanspruchs gem. Anspruch nach § 86 I 1 VVG § 86 I 1 VVG steht der versicherungsvertragliche Deckungsanspruch nicht entgegen. Dieser schließt die Annahme eines (Kosten-)Schadens des Versicherungsnehmers nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2021 a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kl. habe bezüglich der angefallenen Rechtsverfolgungskosten zu keinem Zeitpunkt einen Vermögensschaden erlitten, der eine Schadensersatzforderung geBRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 62

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