BRAK-Mitteilungen 1/2023

Offen, und in der jetzigen Entscheidung leider nicht thematisiert, ist damit noch die Frage einer analogen Anwendung der Grundsätze eines anderen Urteils des VI. Zivilsenats,6 6 BGH, Urt. v. 17.11.2009 – VI ZR 58/08. weil dieser dort meinte, dass auch den Zessionar (hier also den Rechtsschutzversicherer) ausnahmsweise dann eine Schadensminderungspflicht treffen könne, wenn er Einfluss auf die Schadenentwicklung habe. Zwar wäre danach der Versicherer versicherungsrechtlich (weil es sich bei § 3a ARB 2000 um eine „Kann“-Bestimmung handelt) nicht verpflichtet, die Erfolgsaussichten zu prüfen und wegen fehlender Erfolgsaussichten Versicherungsschutz abzulehnen, und die Deckungszusage wirkt auch nur zugunsten des Versicherungsnehmers. Möglicherweise wäre aber die Treuwidrigkeit unter rein haftungsrechtlichen Gesichtspunkten zu bejahen, nachdem unstreitig ausschließlich diese maßgeblich sind. Schließlich kommt ein Regress ja nach der oben erwähnten ersten Entscheidung des Anwaltshaftungssenats nur bei einer „objektiven Erfolglosigkeit“ in Betracht, also dann, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich oder durch den EuGH entschieden ist und auch keine neue (vertretbare) Argumentation vorliegt, die möglicherweise zu einer Änderung der Rechtsprechung führen könnte. Diese „objektive Erfolglosigkeit müsste sich auch einem qualifizierten Sachbearbeiter einer Rechtsschutzversicherung aufdrängen. Zusammengefasst ist das besprochene Urteil aus Anwaltssicht so zu werten, dass auch bei einem bedingten Mandat ein Schaden des Mandanten durch den BGH bejaht wird und entsprechend auch bei dieser Konstellation Schadensersatzansprüche nach § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergehen können. Für die Versicherungswirtschaft könnte die BGHRechtsprechung zumindest bei einigen Gesellschaften dazu führen, dass man auch bei mittleren und hohen Streitwerten – um Personalkosten einzusparen – keine Prüfung der Erfolgsaussichten mehr vornimmt oder den Einwand nach §§ 3a ARB 2000 ff. erhebt, sondern stattdessen bei (aus Rechtsgründen) verlorenen Rechtsstreitigkeiten die weitere Fallbearbeitung an einschlägig tätige Kanzleien outsourct. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Joachim Cornelius-Winkler, Berlin* * Der Autor ist Mitglied des BRAK-Ausschusses Versicherungsrecht und Lehrbeauftragter für Versicherungsrecht an den Universitäten Hamburg und Münster sowie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. INFORMATION EINER RECHTSANWALTSKAMMER ÜBER EINE VERANSTALTUNGSREIHE DES OLG BRAO § 73; VwGO § 123 I * 1. Zwar haben Rechtsanwaltskammern kein allgemein politisches Mandat. Die Kammeraufgaben umfassen jedoch gemäß der Generalklausel des § 73 I 1, 3 BRAO alle Angelegenheiten, welche von allgemeiner – nicht nur reinwirtschaftlicher – Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft sind. * 2. Bei der Bestimmung ihres Aufgabenbereichs kommt der Rechtsanwaltskammer ein Ermessensspielraum zu. Bayerischer AGH, Beschl. v. 24.11.2022 – BayAGH III 4-2/22 AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Ast. ist als Rechtsanwaltsgesellschaft Mitglied der RAK Nürnberg, der Ag. Diese informierte ihre Mitglieder mit E-Mail v. 19.10.2022 auf Bitte des Präsidenten des OLG Nürnberg über eine Veranstaltung im OLG Nürnberg. Diese war Bestandteil der „Veranstaltungsreihe Unsere Verantwortung als Juristen“ und war mit der Überschrift „Rechte Richter, Staatsanwälte und Schöffen – Gefahr für den Rechtsstaat?“ versehen. Der Wortlaut der E-Mail lautete: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf Bitte des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg möchte ich Sie auf eine Veranstaltung in der kommenden Woche hinweisen: Am Donnerstag, den 27. Oktober 2022 um 17.00 Uhr wird der Jurist, Autor und freie Journalist ... kompetent und profund in das Thema ,Rechte Richter, Staatsanwälte und Schöffen – Gefahr für den Rechtsstaat?‘ einführen. Ist die Unabhängigkeit der Justiz heute stärker von innen als von außen bedroht? Sind Politik und Justiz ihrer Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsextremismus bisher gerecht geworden? Angesichts der besorgniserregenden Meldungen über AfD-nahe Richter und Staatsanwälte ist dies ein Thema, das für Gerichte und Anwaltschaft gleichermaßen interessant ist. Die Veranstaltung mit einem anschließenden geselligen Austausch findet im Säulengang des 3. Obergeschosses im Oberlandesgericht Nürnberg statt. Näheres entnehmen Sie bitte dem beigefügten Flyer. Da nicht unbegrenzt Plätze zur Verfügung stehen, ist eine Anmeldung per E-Mail unter xxx erforderlich. Mit freundlichen kollegialen Grüßen“ Die Ast. wandte sich daraufhin mit E-Mail v. 20.10. 2022 an die Ag. und rügte die Bewerbung der aus ihrer Sicht „rein politischen“ Veranstaltung“. Die Ag. habe unzulässig Werbung für diese Veranstaltung betrieben und dies mit einer eigenen Stellungnahme verbunden, nämlich zu „besorgniserregende(n) Meldungen über AfD-nahe Richter und Staatsanwälte“. Daher forderte die Ast. die Ag. auf, weitere Maßnahmen durch eine formale Entschuldigung an alle angeschriebenen Mitglieder zu vermeiden. Wörtlich heißt es dort: „Es ist aber völlig indiskutabel, dass eine mit Zwangsgebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Körperschaft, deren Zwangsmitglied u.a. auch der AfD angehörende Rechtsanwälte sind, zu derartigen parteipolitischen Veranstaltungen auch nur einlädt, geschweige denn eigene, die AfD diffamierende Stellungnahmen trifft. Um es auch für Sie, Frau [...], nachvollziehbar zu machen: Ersetzen Sie in der Einladung ,rechte‘ durch ,linke‘ Richter usw., und AfD durch Grüne. Ich bezweifle, dass Sie einen solchen Text versandt hätten ...“ Die Ag. versandte daraufhin am 26.10.2022 eine E-Mail mit dem Betreff „Stellungnahme zu unserer BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 65

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