E-Mail v. 19.10.2022 (Veranstaltungsreihe zum Thema „Verantwortung der Juristen – Rechte Richter, Staatsanwälte und Schöffen – Gefahr für den Rechtsstaat?“ mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben am 19. Oktober per Email einen Veranstaltungshinweis des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg, xxx, weitergeleitet erhalten zum Thema ,Rechte Richter, Staatsanwälte und Schöffen – Gefahr für den Rechtsstaat?‘. Im Begleittext findet sich ein dem Veranstaltungsflyer entlehnter Satz, der wie folgt lautet: ,Angesichts der besorgniserregenden Meldungen über AfD-nahe ,Richter und Staatsanwälte ist dies ein Thema, das für Gerichte und Anwaltschaft gleichermaßen interessant ist.‘ Die Intervention zweier Kammermitglieder veranlasst mich zu folgender Feststellung: Die Rechtsanwaltskammer Nürnberg ist parteipolitisch neutral. Der Vorstand und das Präsidium der Rechtsanwaltskammer Nürnberg treten jedweder extremen Gesinnung insbesondere im justiziellen Umfeld, gleich welcher politischen Couleur, mit Entschiedenheit entgegen. Mit freundlichen kollegialen Grüßen“ Die Ast. forderte danach am 28.10.2022 die Ag. zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, was nicht erfolgte. Daraufhin beantragte die Ast. mit Schriftsatz v. 4.11.2022 den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO mit den Anträgen: „1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, Werbung für die in Anlage K1 angekündigte Veranstaltung zu betreiben. 2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in Schreiben an Kammermitglieder von ,besorgniserregenden Meldungen über AfD-nahe Richter und Staatsanwälte‘ zu berichten. 3. Der Antragsgegnerin wird untersagt, sich in Schreiben an die Kammermitglieder gegen ,jedwede extremen Gesinnung insbesondere im justiziellen Umfeld, gleich welcher politischen Couleur‘ zu wenden.“ Zur Begründung hat die Ast. ausgeführt, dass derartige Veranstaltungen nicht vom Aufgabenbereich einer RAK umfasst seien. Die Ag. habe sich auf die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zu beschränken (§§ 62 I, 73 BRAO). Weder politische Bildung noch abstrakte Diskussionen über (angebliche) politische Rechtsprechung gehörten zu den Aufgaben der Ag. Auch die Aussage, (die Ag.) „wolle sich gegen ,extremistische Bestrebungen‘ wenden“, gehören nicht zum Aufgabenbereich einer RAK. Zudem verstoße sie gegen die Neutralitätspflicht. Ihr stehe daher als Kammermitglied ein individueller Unterlassungsanspruch zu. Die Ag. hat mit Schriftsatz v. 22.11.2022 beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, da die Veranstaltung bereits durchgeführt worden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass weitere Schreiben an die Kammermitglieder gerichtet würden. Auch sei nicht mit weiteren E-Mails an die Kammermitglieder zu rechnen, dass jedweder extremen Gesinnung entgegengetreten werde. Zudem fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch. Die Ag. habe die durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Alle Aufgaben mit Anwaltsbezug, die von Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft seien, lägen im Aufgabenbereich der Kammer. Rechtsanwälte seien unabhängige Organe der Rechtspflege. Nach § 7 Nr. 6 BRAO sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfe. Die Mitwirkung einer RAK am Funktionieren des Rechtsstaates sei daher originäre Kammeraufgabe. Auch sei es die Aufgabe der Ag., gemeinsame Belange der Mitglieder zu fördern, wozu auch gehöre, die Öffentlichkeit über aktuelle Fragen der Rechtspolitik zu informieren. Die Ag. habe auch entgegen der Behauptung der Ast. nicht allgemein zu etwaig der AfD nahestehenden Rechtsanwälte und Staatsanwälte Stellung genommen, sondern sich nur mit „besorgniserregenden Meldungen“ befasst. Die beworbene Veranstaltung sei geeignet, die Besorgnis entweder zu nehmen oder zu vertiefen. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen. II.1. Der Antrag zu 1. ist bereits unzulässig. Denn er hat sich bereits erledigt, da die Veranstaltung bereits stattgefunden hat. Insoweit fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis. 2. Zudem sind die Anträge zu 1. bis 3. unbegründet. kein Rechtsschutzbedürfnis Gemäß § 123 I 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Ast. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 I VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insb. wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 I VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Ast. hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen. Wird der Ag. ein begehrtes Unterlassen im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, würde sich die Hauptsache bereits erledigen (vgl. BVerwGE 109, 258 (261 f.) = NJW 2000, 160; BVerwG, Urt. v. 10.2.2011 – BRAK-MITTEILUNGEN 1/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 66
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0