BRAK-Mitteilungen 2/2023

(oder anders herum: wer noch in Papierform einreichen darf), wer mit welcher Art von Signatur einen Schriftsatz signieren muss und aus wessen Postfach dieser versendet werden muss, damit er wirksam eingereicht ist. Der Beitrag gibt einen Überblick über die in der Rechtsprechung bislang gegebenen Antworten zu diesen Fragen. II. WER MUSS PER beA EINREICHEN? Nach § 130d S. 1 ZPO (und parallel § 32d StPO, § 55d VwGO, § 46g ArbGG, § 52d FGO, § 65d SGG) sind Schriftsätze und Anlagen, die durch „einen Rechtsanwalt“ eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Damit verbunden ist die prozessuale Folge, dass Dokumente nicht wirksam eingereicht und damit ggf. Rechtsmittelfristen versäumt sind, wenn sie trotz bestehender Nutzungspflicht in Papierform oder per Fax bei Gericht eingehen. Die aktive Nutzungspflicht ist unproblematisch in allen Fällen gegeben, in denen eine Rechtanwältin oder ein Rechtsanwalt als Prozessvertretung agiert. Weniger klar ist es indes, wenn die Person, die einen Schriftsatz bei Gericht einreicht, zwar auch Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt ist, aber daneben noch eine weitere Zulassung oder eine besondere Rolle innehat. 1. AUFTRETEN IN EIGENER ANGELEGENHEIT Das VG Berlin2 2 VG Berlin, Beschl. v. 5.5.2022 – 12 L 25/22, BRAK-Mitt. 2022, 236 Ls.; dazu auch Dahns, BRAK-Mitt. 2023, 81, 84 (in diesem Heft). hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es um eine eigene Angelegenheit des Rechtsanwalts (nämlich seine Pflicht, Mindestbeiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte abzuführen) ging. Damit stellte sich die Frage, ob die aktive Nutzungspflicht am Status als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt oder an der Rolle im konkreten Verfahren festzumachen ist; denn in eigener Sache kann eine Anwältin oder ein Anwalt auch als Privatperson handeln und unterläge dann möglicherweise keiner ERV-Nutzungspflicht. Das VG äußerte Zweifel daran, ob eine statusbezogene Auslegung der aktiven Nutzungspflicht (hier: gem. § 55d S. 1 VwGO) verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sei, da sie im Ergebnis Anwältinnen und Anwälten wegen der Verletzung beruflicher Pflichten im elektronischen Rechtsverkehr in privaten Angelegenheiten den Zugang zur Justiz verwehre. Entscheiden musste das VG die Frage indes nicht, denn im konkreten Fall war klar, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt und nicht als Privatperson auftrat. Eine höchstrichterliche Klärung, ob der bloße Status als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt die Verpflichtung mit sich bringt, in allen gerichtlichen Angelegenheiten unabhängig von der Rolle, in der man an einem konkreten Verfahren beteiligt ist, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen, steht noch aus. 2. AUFTRETEN ALS BOTE Um die Rolle im konkreten Verfahren ging es auch in einem vom AG Ludwigshafen3 3 AG Ludwigshafen, Beschl. v. 26.4.2022 – 3 c IK 115/22, BRAK-Mitt. 2022, 280; dazu auch Dahns, BRAK-Mitt. 2023, 81, 84 (in diesem Heft). entschiedenen Fall. Der verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwalt hatte den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in Papierform an das Gericht gesandt. Auf Hinweis des Gerichts erklärte er, er habe den Antrag „als Bote“ für seinen Mandanten eingereicht. Das AG hielt den Antrag für unzulässig, weil § 130d ZPO nicht an die funktionale Rolle im Verfahren anknüpfe, sondern an den Status als Rechtsanwalt. Dieser könne sich nicht durch einen beliebigen Rollenwechsel seiner Nutzungspflicht des ERV entziehen. Entscheidungserheblich war die Frage auch hier nicht, da der Anwalt zugleich auch seine Bevollmächtigung in dem Verfahren angezeigt hatte, also erkennbar als Rechtsanwalt auftrat. 3. NUTZUNGSPFLICHT FÜR ANWALTLICHE INSOLVENZVERWALTER Der BGH4 4 BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, BRAK-Mitt. 2023, 58 Rn. 6. hat klargestellt, dass die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren gilt. Ein auch als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter unterliegt ihr jedenfalls dann, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt. Damit hat der BGH einen bis dahin bestehenden Meinungsstreit über die Anwendbarkeit von § 130d ZPO auf anwaltliche Insolvenzverwalter entschieden. Dagegen war angeführt worden, dass die Nutzungspflicht eine Ungleichbehandlung gegenüber nicht-anwaltlichen Insolvenzverwaltern darstelle.5 5 Vgl. etwa Kollbach, ZInsO 2022, 624 und die Nachw. bei BGH, a.a.O. Rn. 11. Angesichts der im Gesetz bereits vorgezeichneten weiteren Entwicklung des ERV überzeugt dieser Einwand nicht, denn absehbar werden weitere Berufsgruppen nutzungspflichtig; seit dem 1.1.2023 unterliegen etwa Steuerberaterinnen und -berater einer aktiven Nutzungspflicht. 4. NUTZUNGSPFLICHT FÜR SYNDIKUSRECHTSANWÄLTINNEN UND -RECHTSANWÄLTE Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte unterliegen der ERV-Nutzungspflicht auch dann, wenn sie für einen Verband auftreten und dieser (und nicht der Syndikus selbst) zur Prozessführung bevollmächtigt ist. Dies haben das LAG Hamm6 6 LAG Hamm, Beschl. v. 27.9.2022 – 10 Sa 29/22, BRAK-Mitt. 2022, 340. und das ArbG Stuttgart7 7 ArbG Stuttgart, Beschl. v. 25.2.2022 – 4 Ca 688/22. klargestellt.8 8 Vgl. dazu auch Dahns, BRAK-Mitt. 2023, 81, 83 (in diesem Heft) und – mit ausf. Darstellung des Meinungsstandes – Müller, ERVJustiz.de v. 16.12.2021 sowie Heimann/Steidle, NZA 2021, 521. Ab dem 1.1.2026 werden allerdings Verbände, die regelmäßig vor Gericht auftreten – beispielsweise Gewerkschaften, wie in den vom LAG Hamm und vom ArbG Stuttgart entschiedenen Fällen – ebenfalls einer NITSCHKE, AKTUELLE RECHTSPRECHUNG ZUM beA AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 75

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