BRAK-Mitteilungen 2/2023

Nutzungspflicht im ERV unterliegen. Sie müssen nach dem Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften9 9 BGBl. 2021 I 4607. ab dann das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) nutzen.10 10 Dazu Nitschke, BRAK-Mitt. 2021, 218, 223. 5. NUTZUNGSPFLICHT BEI MEHRFACHZULASSUNG Ob Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch dann zur Nutzung ihres beA verpflichtet sind, wenn sie daneben auch noch als Steuerberaterin oder Steuerberater zugelassen sind und in dieser Funktion auftreten, hatte das FG Berlin-Brandenburg11 11 FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2022 – 8 V 8020/22, BRAK-Mitt. 2022, 165 mit Anm. von Seltmann. zu entscheiden. Auch hier ging es also um die im Zusammenhang mit dem Auftreten in eigener Angelegenheit oder als Bote (oben 1. und 2.) aufgeworfene Frage, ob die beA-Nutzungspflicht an den Status als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt anknüpft oder an die konkrete Rolle im Verfahren. Nach Ansicht des FG ist ein Rechtsanwalt auch dann zur Nutzung seines beA verpflichtet, wenn er zugleich als Steuerberater zugelassen ist. Dass eine ERV-Nutzungspflicht für Steuerberater zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand,12 12 Zur Nutzungspflicht seit dem 1.1.2023 s. oben I. spielt aus Sicht des FG keine Rolle, da die anwaltlichen Berufspflichten unteilbar seien. Eine Wahlfreiheit wie etwa bei der Abrechnung widerspreche dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht, die die Digitalisierung in der Justiz insgesamt fördern solle. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage hat das FG die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das ist konsequent, denn die Frage betrifft auch andere Kombinationen von Zulassungen zur Rechtsanwaltschaft, als Steuerberaterin oder -berater und als Wirtschaftsprüferin oder -prüfer, und auch Berufsbetreuerinnen und -betreuer, die zudem zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind.13 13 Zu letzteren von Seltmann, BRAK-Mitt. 2022, 167. III. WAS MUSS PER beA EINGEREICHT WERDEN? Die Pflicht, Dokumente elektronisch einzureichen, betrifft nach § 130d ZPO „vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“. Hierzu zählen sämtliche Arten prozessualer Anträge und Erklärungen, etwa auch der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil,14 14 LG Köln, Urt. v. 22.2.2022 – 14 O 395/21, JurPC Web-Dok. 40/2022 (Einspruch per Fax unwirksam). Anträge im Eilrechtsschutz,15 15 FG Münster, Beschl. v. 22.2.2022 – 8 V 2/22 (Antrag auf Aussetzung der Vollziehung). der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,16 16 OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22 (Wiedereinsetzungsantrag per Fax unwirksam). die Verteidigungsanzeige im zivilprozessualen schriftlichen Vorverfahren17 17 LG Frankfurt/Main, Versäumnisurt. v. 19.1.2022 – 2-13 O 60/21, BRAK-Mitt. 2022, 102. sowie Erklärungen und Anträge im Insolvenzverfahren.18 18 AG Hamburg, Beschl. v. 21.2.2022 – 67h IN 29/22 (Geltung von § 130d ZPO über die Verweisung des § 4 InsO). § 130d S. 1 ZPO ist insoweit enger gefasst als § 130a I ZPO, nach dem zusätzlich auch schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter elektronisch eingereicht werden können. Was signiert werden muss, hat der BGH jüngst klargestellt: Es genügt nicht, lediglich eine mitgesandte Anlage mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) zu versehen, signiert werden muss vielmehr der Schriftsatz selbst19 19 BGH, Beschl. v. 19.1.2023 – V ZB 28/22, BRAK-Mitt. 2023, 127 (in diesem Heft) Rn. 8. – also die oben erwähnten Anträge und Erklärungen. Denn die Signatur lediglich der Anlage bietet nach Ansicht des BGH keine vergleichbare Gewähr dafür, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz verantwortet und in Umlauf bringen will. IV. WER MUSS WIE SIGNIEREN UND WORAUS VERSENDEN? Die wirksame elektronische Einreichung erfordert, dass das Dokument den in §§ 2, 5 ERVV geregelten technischen Vorgaben u.a. für das Dateiformat entsprechen muss und dass es auf einem der in § 130a IV ZPO festgelegten sog. sicheren Übermittlungswege eingereicht werden muss. Das gilt für qualifiziert elektronisch signierte Dokumente nach § 130a III 1 Alt. 1 ZPO deshalb, weil § 4 I ERVV den sicheren Übermittlungsweg in Nr. 1 als zulässigen Versandweg festlegt.20 20 Das in Nr. 2 genannte elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) wird in der Praxis seit Einführung des beA durch Anwältinnen und Anwälte praktisch nicht mehr genutzt. Über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müssen Dokumente außerdem nach § 130a III 1 Alt. 2 ZPO, wenn damit zugleich ohne qeS die Form gewahrt werden soll. Dann müssen sie durch die verantwortende Person einfach signiert und von ihr aus dem eigenen beA versendet werden. Wer ein Dokument signiert hat und aus welchem Postfach es von wem versandt worden ist, ist also entscheidend dafür, ob es die prozessuale Form wahrt. In der Praxis zeigten sich hierbei Unklarheiten etwa in Vertretungskonstellationen, aber auch infolge der in Kanzleien üblichen Arbeitsteilung zwischen Anwältinnen und Anwälten und ihrem Kanzleipersonal. 1. VERSAND DURCH KANZLEIPERSONAL In Kanzleien ist seit jeher die Aufgabenteilung üblich, dass eine Anwältin oder ein Anwalt einen Schriftsatz unterzeichnet und eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Kanzlei den Schriftsatz sodann an das Gericht NITSCHKE, AKTUELLE RECHTSPRECHUNG ZUM beA BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 76

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