b) „RECHTSANWALT“ ALS EINFACHE SIGNATUR? Für ein gewisses Aufsehen sorgten Entscheidungen mehrerer Gerichte zu Fällen, in denen Schriftsätze maschinenschriftlich mit „Rechtsanwältin“ oder „Rechtsanwalt“ abgeschlossen wurden, ohne dass der Name der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts genannt wurde. Dabei handelt es sich um eine tückische Fehlerquelle vor allem in der Anfangszeit der ERV-Nutzungspflicht, denn im analogen Rechtsverkehr wurde ein Schriftsatz exakt so fertiggemacht und anschließend ausgedruckt und handschriftlich unterzeichnet. Der BGH30 30 BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22, BRAK-Mitt. 2022, 336. hat „Rechtsanwalt“ ohne Namenswiedergabe ausdrücklich nicht als einfache Signatur i.S.v. § 130a III ZPO genügen lassen, ebenso wie der 5. Senat des BAG.31 31 BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20, BRAK-Mitt. 2020, 367 Ls. 1 und Rn. 15. Zwar ist anerkannt, dass das Fehlen einer einfachen Signatur ausnahmsweise unschädlich sein kann, wenn ohne Beweisaufnahme aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass die oder der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt.32 32 Etwa BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20, BRAK-Mitt. 2020, 367 Rn. 19; zuletzt BGH, Beschl. v. 19.1.2023 – V ZB 28/22, BRAK-Mitt. 2023, 127 (in diesem Heft) Rn. 11, jeweils m.w.N. Anwältinnen und Anwälte sollten sich jedoch nicht darauf verlassen, dass Gerichte es für zweifelsfrei halten, dass sie diejenigen sind, die die Verantwortung für einen Schriftsatz übernehmen. Für einen nach dem Briefkopf als solcher ausgewiesenen Einzelanwalt sei durch den maschinenschriftlichen Zusatz „Rechtsanwalt“ hat das BAG33 33 BAG, Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZN 234/22, BRAK-Mitt. 2022, 338 mit Anm. Nitschke; s. insb. Rn. 2 des Beschlusses. angenommen, dass der Kanzleiinhaber die inhaltliche Verantwortung für den Schriftsatz übernehme, weil im Briefkopf keine weiteren Rechtsanwälte aufgeführt seien. Anders sehen es jedoch – ebenfalls für Einzelkanzleien – das OLG Karlsruhe,34 34 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.9.2021 – 17 W 13/21. das Niedersächsische OVG,35 35 OVG Niedersachsen, Beschl. v. 31.1.2023 – 13 ME 23/23 (unter 1.). das OVG Hamburg36 36 OVG Hamburg, Beschl. v. 12.8.2022 – 6 Bs 57/22 (unter 1.). und das Sächsische OVG.37 37 Sächsisches OVG, Beschl. v. 21.9.2021 – 3 A 542/20 Rn. 8. Die Gerichte hielten es nicht für zweifelsfrei, dass außer der Einzelanwältin bzw. dem Einzelanwalt nicht auch angestellte Anwältinnen und Anwälte oder eine Vertretung den Schriftsatz verantworteten oder dass dieser etwa lediglich eine versehentlich abgesandte Vorfassung darstellte. Zweifel hatte auch der BGH in der oben erwähnten Entscheidung,38 38 BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22, BRAK-Mitt. 2022, 336. obwohl der Schriftsatz mit dem Vermerk „Rechtsanwältin“ abgeschlossen war und nur eine Rechtsanwältin neben mehreren Rechtsanwälten auf dem Kanzleibriefbogen genannt war. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass eine im Briefkopf nicht genannte Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe.39 39 BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22 Rn. 12. Angesichts der überwiegend strengen Sicht der Rechtsprechung empfiehlt es sich, bei Versand aus dem eigenen beA in jedem Fall eine korrekte einfache Signatur mit vollständiger Namenswiedergabe anzubringen (oder gleich eine qeS). 4. VERTRETUNGSKONSTELLATIONEN Gewisse Schwierigkeiten bereiten Vertretungskonstellationen. Hier ist genau auf die Details des Versands zu achten. Wird ein Dokument durch dritte Personen – insbesondere eine anwaltliche Urlaubsvertretung – eingereicht, muss es nach § 130a III 1 Alt. 1 ZPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein. Wer die verantwortende Person ist bzw. wie damit umzugehen ist, wenn ein Rechtsanwalt den Schriftsatz einfach signiert und ein anderer Rechtsanwalt später das Dokument mit seiner qeS versehen und/oder versandt hat, wird unterschiedlich beurteilt. Der BGH40 40 BGH, Beschl. v. 18.10.2022 – 3 StR 262/22 Rn. 2; Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/ 22 Rn. 11 m.w.N. und das BayObLG41 41 BayObLG, Beschl. v. 19.1.2023 – 207 StRR 2/23. hatten jeweils Fälle zu entscheiden, in dem der Pflichtverteidiger die Revisionsschrift maschinenschriftlich gezeichnet bzw. unterzeichnet (also: einfach signiert) und ein anderer, nicht am Verfahren beteiligter Rechtsanwalt diese über sein beA an das Gericht gesendet hatte. Das genügte nach Ansicht beider Gerichte nicht den Anforderungen des § 32a III StPO (entspr. § 130a III ZPO), weil das elektronische Dokument weder mit einer qeS des den Schriftsatz verantwortenden Verteidigers versehen war noch von diesem auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurde. Erforderlich sei, dass das Dokument über das Postfach desjenigen Rechtsanwalts übertragen werde, dessen Name als Signatur in dem Schriftsatz als verantwortende Person aufgeführt sei. Großzügiger hat das BAG42 42 BAG, Beschl. v. 24.10.2019 – 8 AZN 589/19. dieselbe Situation beurteilt. Es hat die Nichtzulassungsbeschwerde als wirksam eingereicht angesehen, die ein Rechtsanwalt einfach signiert, aber ein anderer Rechtsanwalt derselben Kanzlei mit qeS versehen und aus seinem beA versandt hatte. Seiner Ansicht nach hat der zweite Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen, indem er seine qeS anbrachte, ist also (ebenfalls) „verantwortende Person“ i.S.v. § 130a III 1 Alt. 1 ZPO. Das BAG verweist dazu auf die (auf analogen Rechtsverkehr bezogene) Rechtsprechung des BGH, wonach ein bevollmächtigter Rechtsanwalt einen bestimmenden Schriftsatz nicht selbst verfasst haben, sondern es genügt, dass er diesen nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschreibt und damit zugleich die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt.43 43 BGH, Beschl. v. 13.6.2017 – XI ZB 25/16 Rn. 6 ff. m.w.N. In diese Richtung geht auch das LG Hamburg.44 44 LG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2021 – 322 T 92/20 Rn. 3 ff. Es erachtete als ausreichend, dass ein Anwalt einen KostenBRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 78
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