BRAK-Mitteilungen 2/2023

dienen, ist keine technische Störung i.S.d. § 130d ZPO, sondern ein menschlicher Grund für das Scheitern der elektronischen Übermittlung.54 54 Bayerischer VGH, Beschl. v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 Rn. 14. In dem Fall wusste ein Rechtsanwalt nicht, wie er die Empfängeradresse des zuständigen Gerichts suchen und einsetzen konnte. Auch (behauptete) Bedienungsfehler sind keine technische Störung.55 55 Bayerischer VGH, Beschl. v. 20.1.2023 – 8 CS 22.2562 Rn. 16. Ebenso liegt keine vorübergehende technische Störung vor, wenn die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Einreichung per beA noch gar nicht geschaffen hat; strukturelle Mängel in der ITInfrastruktur eröffnen daher nicht die Ersatzeinreichung.56 56 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.2022 – 12 U 61/21 Rn. 13 m.w.N. Gleiches gilt auch für den schlichten Unwillen, das beA zu nutzen.57 57 OLG Düsseldorf, a.a.O. Auch in einem Fall, in dem einer Rechtsanwältin die beA-Karte gestohlen worden war, hat das OLG Düsseldorf dies nicht als vorübergehende technische Unmöglichkeit gewertet.58 58 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.2022 – 12 U 61/21 Rn. 14. Die Anwältin hatte vorgebracht, sie habe die Berufungsbegründung nicht mit ihrer qeS versehen können, weil sie nach dem Diebstahl ihrer bisherigen beA-Karte als Ersatz nur eine beA-Karte Basis habe, die Signaturfunktion habe ihr die Bundesnotarkammer noch nicht wieder zur Verfügung gestellt. Das genügte schon deshalb nicht als Rechtfertigung für eine Ersatzeinreichung, weil die Rechtsanwältin mit ihrer beA-Karte jedenfalls nach § 130a III 1 Alt. 2 ZPO mit einfacher Signatur und aus ihrem eigenen beA formwahrend hätte einreichen können. Diese Möglichkeit hatte sie aber nicht genutzt. b) TECHNISCHE STÖRUNGEN Darzulegen ist nach § 130d S. 2 ZPO, dass eine vorübergehende technische Störung die rechtzeitige elektronische Einreichung des Dokuments unmöglich gemacht hat. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Aus der anwaltlichen Sphäre können dies etwa ein Ausfall der Internetverbindung, oder Probleme in der Kanzlei-IT sein.59 59 Vgl. von Seltmann, BRAK-Magazin 6/2021, 12. Auch Störungen des beA-Systems können den Versand beeinträchtigen; über diese informiert die BRAK und dokumentiert sie in einer Störungshistorie.60 60 https://www.brak.de/fileadmin/02_fuer_anwaelte/bea/beA-St%C3 %B6rungsdok umentation_02.pdf Auch auf Seiten der Justiz können Störungen und Ausfälle auftreten, die etwa die Adressierung von Gerichten oder aber den Nachrichtenempfang verhindern. Diese können einzelne Gerichte, aber z.B. auch die Justizserver eines gesamten Landes betreffen.61 61 Dazu von Seltmann, BRAK-Magazin 6/2021, 12, 13. Derartige Störungen werden auf einem zentralen Portal dokumentiert.62 62 https://egvp.justiz.de/meldungen/index.php. c) VORÜBERGEHENDER CHARAKTER Die Ersatzeinreichung ist nur eröffnet, wenn eine Störung „vorübergehend“ ist. Letztlich wird das eine Einzelfallfrage sein. In einer vom OVG Nordrhein-Westfalen63 63 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.7.2022 – 16 B 413/22. entschiedenen Sache war dies nicht mehr der Fall. Dort hatte ein Rechtsanwalt geltend gemacht, die Telefonund Internetverbindung sei seitens der Telekom fünf Wochen lang ausgefallen. Das Gericht machte deutlich, dass die Möglichkeit der Ersatzeinreichung Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht von ihrer Pflicht nach § 31a VI BRAO entbindet, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten.64 64 OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. Rn. 7. Es verlangt zudem, dass sie bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe sorgen. Konkret hätte der Anwalt im Fall des OVG Nordrhein-Westfalen zumindest darlegen müssen, dass er auf eine schnellere Behebung der technischen Störung bei der Telekom hingewirkt habe; oder er hätte einen mobilen Hotspot nutzen müssen.65 65 OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. Rn. 11. Die Entscheidung legt nahe, bei einem absehbar nicht kurzfristig zu behebenden Ausfall unverzüglich eine alternative Möglichkeit zu suchen, auf das beA zumindest über die Webanwendung (sofern die Kanzleisoftware nicht nutzbar sein sollte) zuzugreifen. Wie streng die Rechtsprechung sich hier gegenüber der Anwaltschaft in künftigen Fällen zeigt, ob etwa verlangt wird, bei Problemen mit der Kanzleisoftware oder -hardware auf das private Notebook oder Rechner anderer Personen mit Internetzugang auszuweichen, bleibt abzuwarten. 2. WIE SIND TECHNISCHE STÖRUNGEN DARZULEGEN? Ist der Versand einer Nachricht per beA nicht möglich, sollten die tatsächlichen Abläufe, wie es dazu kam, möglichst genau dargestellt werden.66 66 Vgl. etwa LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20 Rn. 13. Gegebenenfalls muss auch erläutert werden, weshalb es sich um eine technische Störung und nicht um einen bloßen Bedienfehler handelt.67 67 LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20. Dies entspricht letztlich der Rechtsprechung des BGH zu Fällen, in denen technische Defekte an Faxgeräten oder Computern auftraten.68 68 Etwa BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – XI ZB 27/05 Rn. 12; Beschl. v. 17.5.2004 – II ZB 22/03. Der Bayerische VGH69 69 Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.6.2022 – 1 ZB 22.30532 Rn. 3. hat auch ein Problem mit dem Kartenlesegerät als technische Störung angesehen. Wird, wie in dem Fall des Bayerischen VGH, die beAKarte vom Kartenlesegerät nicht erkannt, ist allerdings Vorsicht geboten. Denn dies kann auch auftreten, wenn nutzerseitig Updates versäumt wurden, was eher in den Bereich eines Bedienungsfehlers fallen dürfte. Zur Glaubhaftmachung der technischen Störung kommen grundsätzlich alle präsenten Beweismittel i.S.v. §§ 355 ff. ZPO in Betracht. Für technische Störungen NITSCHKE, AKTUELLE RECHTSPRECHUNG ZUM beA BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 80

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