BRAK-Mitteilungen 2/2023

bende Sozietät an allen genannten Orten eine Niederlassung bzw. zumindest eine Zweigstelle unterhält.2 2 Vgl. hierzu auch bereits LG Hamburg, BRAK-Mitt. 2014, 320. 2. SEHR ZUGESPITZTES SCHLUSSPLÄDOYER Auch wenn inzwischen sogar vom BVerfG3 3 BVerfG, BRAK-Mitt. 2020, 287 zur unzulässigen Verurteilung wegen Beleidigung einer Amtsperson. anerkannt worden ist, dass ein Rechtsanwalt im Kampf um das Recht auch starke und eindringliche Ausdrücke bzw. sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtspositionen zu unterstreichen, wird um die Grenzen des berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebots noch immer regelmäßig gerungen. Der AGH Nordrhein-Westfalen4 4 AGH Nordrhein-Westfalen, BRAK-Mitt. 2022, 95. hat klargestellt, dass die Freiheitsrechte eines Rechtsanwalts die Teilhabe des Bürgers am Recht nur dann sachgerecht gewährleisten können, wenn jedenfalls dem Strafverteidiger in seinem Schlussplädoyer die größtmöglichen Handlungsräume für seinen Mandanten eröffnet werden. Die Kritik eines Strafverteidigers darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Im Rahmen der Abwägung einander widerstreitender Rechtspositionen innerhalb eines Strafverfahrens muss darüber hinaus berücksichtigt werden, dass jedenfalls ein Staatsanwalt wie auch ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und gehalten sein müssen, scharfe und schärfste Kritik an ihrer Arbeit beim Kampf um das Recht auszuhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in diesem Fall einem Rechtsanwalt im Ergebnis ohne Folgen zur Last gelegt, im Zuge seines Schlussvortrags vor einer kleinen Strafkammer Folgendes geäußert zu haben: „Dass ich sowas von einem noch jungen Staatsanwalt in einer Sitzung in einem deutschen Gericht hören muss – das macht mich als Bürger betroffen. Wir hatten schon einmal sowas in Deutschland. Das ist zum Glück schon lange her. Da war ich noch nicht Strafverteidiger. Da gab es auch einen Gerichtshof. Der hieß Volksgerichtshof.“ Der AGH verstand diese Äußerung als den zeitlos legitimen, eindringlichen Apell an das dortige Gericht, rechtsstaatliche Grundsätze stets zu wahren und Verfahrensvorschriften wie das Beweisverwertungsverbot unbeirrt über eine vermeintlich offenkundige materielle Gerechtigkeit zu stellen. 3. PROVISIONEN VERBOTEN Im Zusammenhang mit dem Vordringen sog. Legal Tech-Angebote wird auf berufspolitischer Ebene vermehrt über das für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte geltende Provisionsverbot nach § 49b III BRAO diskutiert. Im Rahmen seines Gesetzes zur Förderung verbrauchsgerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt5 5 BGBl. I 2021, 3415 hat der Gesetzgeber zwar das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren gelockert, das die Unabhängigkeit schützende Provisionsverbot jedoch unangetastet gelassen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, eine Entscheidung des OLG Düsseldorf6 6 OLG Düsseldorf, BRAK-Mitt. 2022, 95. in Erinnerung zu rufen. Das OLG stellte klar, dass eine Vereinbarung zwischen Rechtsanwälten, nach der die Vermittlung von Mandaten gegen Entgelt erfolgen soll, ohne dass hierfür eine konkrete, dem Mandat zuzuordnende Tätigkeit geschuldet ist, gegen § 49b III BRAO verstößt. § 49b III BRAO stellt ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB dar. Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass es nach § 49b III 2 BRAO aber zulässig ist, eine über den Rahmen der Nr. 3400 der Anl. 1 zum RVG hinausgehende Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts angemessen zu honorieren. Danach kann ein Rechtsanwalt einen weiteren Anwalt beauftragen, an der Bearbeitung des Mandats mitzuarbeiten und diesen hierfür im eigenen Namen honorieren. 4. ÜBERREAKTION AUF GOOGLE-BEWERTUNG Auch Anwaltskanzleien, die einen Internetauftritt haben, müssen damit rechnen, dass ihre Arbeit über Google bewertet wird. Erfahrungsgemäß wird diese Bewertungsfunktion nicht selten auch von unzufriedenen Mandanten genutzt. Insoweit betroffene Berufsträgerinnen und Berufsträger haben dann zwei Möglichkeiten: Entweder bemühen sie sich um die Löschung unzulässiger Bewertungen. Alternativ können sie aber auch eigene Kommentare zu den Bewertungen abgeben. Von der zweiten Option hatte eine Rechtsanwältin Gebrauch gemacht. Im Zusammenhang mit einer negativen Bewertung einer ehemaligen Mandantin gab sie Einzelheiten aus dem Privatleben dieser Mandantin einschließlich Informationen über deren Tochter, Ehemann und Vermögensverhältnisse sowie über Verfahrensabläufe preis und kritisierte die Entscheidung der Mandantin über das weitere prozessuale Vorgehen. Der Bayerische AGH7 7 Bayerischer AGH, BRAK-Mitt. 2022, 155. stellte zunächst klar, dass für einen Rechtsanwalt grundsätzlich eine Befugnis bestehen kann, Mandatsgeheimnisse zu offenbaren, wenn sich dieser berufsrechtlichen Vorwürfen seines Mandanten ausgesetzt sieht. Hierbei handelt es sich um eine anerkannte Fallgruppe einer Durchbrechung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Gleichzeitig wiesen die Richter allerdings darauf hin, dass der Berufsträger Mandatsgeheimnisse nur offenbaren darf, soweit dies für ihn zur Wahrung seiner Rechte unbedingt erforderlich ist. In diesem Fall war die Rechtsanwältin in Bezug auf die negative Bewertung ihrer Mandantin nicht zu einer Offenlegung von Details aus dem Mandatsverhältnis berechtigt. Dies gilt selbst dann, wenn eine Bewertung jeglicher Fakten entbehrt. Die Rechtsanwältin hätte beispielsweise auf die Substanzlosigkeit der in keiner Weise nachvollziehbaren und damit offensichtlich unbegründeten Anwürfe hinweisen dürfen. BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 82

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