eine wiederum nicht elektronisch eingereichte Stellungnahme mit Ausführungen dazu, dass die beA-Karte des Einreichers nicht zu nutzen war. Noch strenger als das BAG ist der BGH hier hinsichtlich des Wahlrechts, die Glaubhaftmachung schon mit Ersatzeinreichung oder aber unverzüglich danach einzureichen. Der IX. Zivilsenat geht davon aus, dass dieses Wahlrecht nicht bestehe, sondern die unverzügliche Nachholung nur ausnahmsweise und nur dann möglich sei, wenn der betreffende Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm nicht mehr ausreichend Zeit verbleibt, auch noch die technische Unmöglichkeit darzulegen und glaubhaft zu machen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese strenge Ansicht durchsetzt; einstweilen muss man aber sicherheitshalber davon ausgehen. Folgerichtig meint auch der III. Zivilsenat des BGH, dass jedenfalls eine Glaubhaftmachung fünf Wochen nach Ersatzeinreichung und lediglich auf Hinweis des Gerichts nicht ausreicht. Hier wurde die technische Unmöglichkeit damit begründet, dass sich das Programm nach Aufspielen eines Updates für den „beA Client Security“ nicht mehr starten ließ. Der Senat sah in dieser Entscheidung auch keinen Anlass, in einer Übergangszeit nach dem 1.1.2022 die neuen Vorschriften gleichsam „behutsam“ anzuwenden. Die Anwaltschaft habe sich rechtzeitig auf die Rechtsänderungen einstellen können. Zusammenfassend kann man festhalten, dass technische Schwierigkeiten bei der beA- Übermittlung, stammen sie nun aus der Sphäre der Gerichte oder auch aus der Sphäre des Absenders der fristgebundenen Schriftsätze, vorkommen können. Kann die Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen glaubhaft gemacht werden, muss die Ersatzeinreichung durch Fax oder per Post oder anderen früher zulässigen Wegen erfolgen. Alle übrigen Wirksamkeitskriterien sollten also vorliegen. Dabei sollte tunlichst schon unmittelbar mit der Ersatzeinreichung die Glaubhaftmachung für die technische Störung erfolgen. Schafft man das aus Zeitgründen nicht mehr, erscheint es sinnvoll, sich zunächst um die Ersatzeinreichung selbst zu kümmern, dann aber möglichst unmittelbar im Anschluss die notwendige Glaubhaftmachung nachzuschieben – zur Not eben auch noch in derselben Nacht. Sobald die Technik wieder funktioniert, wäre sicherheitshalber auch das elektronische Dokument noch einzureichen. Auf Anforderung muss dies ohnehin geschehen. Vorbereitete Checklisten für den Ernstfall sind sicher hilfreich, um trotz aufkommender Hektik nichts zu vergessen. Die den vorgestellten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte spielten sich alle kurz nach der Einführung der zwingenden beA-Nutzung ab. Es bleibt zu hoffen, dass inzwischen auch schon deutlich mehr Routine in den Kanzleien Einzug gehalten hat. (bc) KEINE WIEDEREINSETZUNG WEGEN FEHLENDER beA-KENNTNISSE DES RECHTSANWALTS 1. Die elektronische Einreichungspflicht nach § 46g ArbGG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 2. § 46g S. 3 ArbGG sieht eine Ausnahme von der elektronischen Einreichungspflicht für den Fall vor, dass eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, nicht jedoch bei subjektivem Unvermögen des Prozessbevollmächtigten. 3. Rechtsanwälte sind nicht nur nach § 31a VI BRAO verpflichtet, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, vielmehr müssen sie sich auch die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen aneignen, damit sie die zugestellten Dokumente auch zur Kenntnis nehmen und Schriftsätze im Notfall auch ohne das Sekretariat fristwahrend versenden können. Der Anwalt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er sich mit dieser Anwendung nicht hinreichend auseinandersetzt und blind auf das Funktionieren seines Sekretariats vertraut. LAG Hamm, Beschl. v. 12.1.2023 – 18 Sa 909/22 In einem Rechtsstreit vor dem ArbG legte der Anwalt gegen ein Versäumnisurteil am 19.8.2022 um 13:20 Uhr per Telefax Einspruch ein. Nach einem Hinweis des Gerichts, dass gem. § 46g ArbGG Schriftsätze auf elektronischem Weg einzureichen seien und dass eine etwaige vorübergehende technische Unmöglichkeit unverzüglich glaubhaft zu machen sei, beantragte der Anwalt Wiedereinsetzung. Er trug vor, dass eine seiner beiden Sekretärinnen erkrankt gewesen sei, die andere sei deswegen überlastet gewesen. Diese zweite Sekretärin habe an dem Tag um 13:00 Uhr Feierabend gemacht, so dass er den Schriftsatz selbst habe erstellen müssen. Da er keine Kenntnisse im Umgang mit der Kanzleisoftware RA Micro habe, sei ihm die elektronische Übersendung nicht möglich gewesen. Wiedereinsetzungsantrag und Einspruch blieben erfolglos. Das LAG entschied (nur noch im Rahmen einer Kostenentscheidung nach Erledigterklärung), dass eine Ersatzeinreichung nur bei einer objektiv nachprüfbaren technischen Störung wie z.B. einem Serverausfall zulässig sei, nicht dagegen bei subjektivem Unvermögen des Anwalts. Die Kanzleiorganisation liege in der Risikosphäre des Anwalts und sei von diesem steuerbar. Wiedereinsetzung komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Anwalt habe schuldhaft gehandelt. Gerade bei krankheitsbedingten Personalausfällen erhöhten sich die Sorgfaltspflichten. Es sei auch schon nicht dargelegt, warum es der verbliebenen Sekretärin nicht möglich gewesen sein solle, den Schriftsatz noch selbst vor 13:00 Uhr zu übermitteln. § 46g ArbGG (entspricht § 130d ZPO) sei eng auszulegen. Es bestünden keine Zweifel an der Vereinbarkeit mit der aus Art. 19 IV GG folgenden Garantie effektiven AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 89
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0