BRAK-Mitteilungen 2/2023

Die Berufungsbegründungsfrist wurde nicht eingehalten. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hatten die Prozessbevollmächtigten vorgetragen, dass in der Kanzlei Fristen selbstständig durch entsprechend eingearbeitetes und stichprobenhaft überwachtes Büropersonal bearbeitet werden. Die Fristen seien nach Erledigung zu streichen. Diese seien hier zuvor korrekt in den elektronischen und den Papierkalender eingetragen gewesen, aber leider frühzeitig gestrichen worden. Die Streichung erfolge im Papierkalender lediglich durch einen Strich ohne Namenskürzel. Allabendlich sei darüber hinaus noch einmal eine Fristenkontrolle durchzuführen, bei der auch darauf zu achten sei, ob bei gestrichenen Fristen die fristgebundene Handlung auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Dies sei an dem betreffenden Abend auch so passiert. Allerdings sei die mit der Kontrolle befasste Mitarbeiterin hier einfach davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung wie in der Kanzlei üblich schon zusammen mit der Berufung versandt worden sei. Die mangelhafte Kontrolle unterlief weisungswidrig. Dem Berufungsgericht genügte dies nicht, weil nicht ausreichend vorgetragen worden sei, wie es zum ersten Fehler, der Streichung der Frist, gekommen war. Tatsächlich fehlten auch nach Ansicht des BGH Ausführungen dazu, von wem, wann und warum die Berufungsbegründungsfrist im Kalender gestrichen worden war. Der Senat hält das aber im Ergebnis für unschädlich. Selbst dann, wenn auf der ersten Stufe der Fristenkontrolle (auch) ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten vorgelegen haben sollte, sei dies ggf. nicht ursächlich geworden. Das schließe eine Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn die rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis entfalle und somit eine überholende Kausalität vorliege. Die abendliche Kontrolle diene gerade dazu, individuelle Bearbeitungsfehler zu finden und nach Möglichkeit zu beheben. Da diese ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten versagte, wurde Wiedereinsetzung gewährt. Die richtige Organisation der abendlichen Fristenkontrolle bekommt mit dieser Entscheidung noch einmal besonderes Gewicht, denn Versäumnisse in diesem Zusammenhang können zuvor unterlaufene Fehler bei der Streichung der Frist – auch wenn sie sich als organisatorische Fehler herausstellen sollten – gleichsam aushebeln. Man darf allerdings gespannt sein, ob andere Senate dem XI. ZS in diesem Punkt folgen werden. Im Zweifel sollte jedenfalls auch zur ersten Kontrollstufe hinsichtlich Büroorganisation und konkretem Fehler im Wiedereinsetzungsantrag vollständig vorgetragen werden. (bc) UNTERSCHRIFT DURCH NICHT VERANTWORTENDEN ANWALT NICHT WIRKSAM Wird ein bestimmender, grundsätzlich von einem zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig zu unterzeichnender Schriftsatz – hier Berufungsbegründung (§§ 520 V, 130 Nr. 6 ZPO) – von dem den Schriftsatz verfassenden Rechtsanwalt nicht unterzeichnet und vom unterzeichnenden Rechtsanwalt nicht verantwortet, fehlt es an einer wirksamen Unterschrift (im Anschluss an BGH, Urt. v. 19.6.2005 – V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a und BGH, Beschl. v. 14.3.2017 – VI ZB 34/16, NJW-RR 2017, 686 Rn. 7 ff.). BGH, Beschl. v. 6.12.2022 – VIII ZA 12/22, MDR 2023, 183; NJW-RR 2023, 209 Der Anwalt unterzeichnete eine Berufungsbegründung mit dem Zusatz: „Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter.“ Das LG verwarf die Berufung als unzulässig. Wegen des Zusatzes mangele es an der nach §§ 520 V, 130 Nr. 6 ZPO erforderlichen eigenhändigen Unterschrift eines den Schriftsatz verantwortenden Anwalts. Der BGH lehnte den PKH-Antrag für eine gegen diese Entscheidung beabsichtigte Rechtsbeschwerde ab. Zwar sei ein Anwalt nicht gehindert, eine Berufungsbegründung von anderen Personen vorbereiten zu lassen. Erforderlich sei aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt.11 11 BGH, NJW 1989, 394; NJW 2005, 2709; NJW 2008, 1311; NJW-RR 2017, 686. Im Normalfall reiche das äußere Merkmal der Unterschrift aus. Anders sei dies, wenn der der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert oder wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Anwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat. Der erstgenannte Ausnahmefall liege hier vor. Der unterzeichnende Anwalt habe durch den Zusatz deutlich gemacht, dass er jegliche Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes ablehnt. Damit sei der Schriftsatz nicht wirksam unterschrieben. (hg) ÜBERNAHME DER VERANTWORTUNG FÜR SCHRIFTSATZ AUCH OHNE NENNUNG DES ANWALTS AUF BRIEFKOPF 1. Es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner eines bestimmenden Schriftsatzes sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat, dafür die Verantwortung übernimmt und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig wird. 2. Liegt eine Erklärung des Unterzeichners vor, kommt es darauf an, ob er als Unterbevollmächtigter im Namen des hauptbevollmächtigten Anwalts aufgetreten ist oder eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben hat. Ein Handeln als Vertreter ist anzunehmen, wenn sich neben der Unterschrift der Zusatz „i.V.“ oder der Zusatz „für“ den Hauptbevollmächtigten befindet. 3. Es reicht aus, wenn das Handeln als Vertreter aus den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Briefkopf des JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 AUFSÄTZE 92

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