BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) KEINE BERUFSPFLICHT GEGENÜBER RECHTSSCHUTZVERSICHERER DES MANDANTEN BRAO § 43a VII 2; BORA §§ 4 II 1, 23 * 1. Die berufsrechtliche Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld besteht lediglich gegenüber dem eigenen Mandanten, nicht aber gegenüber dessen Rechtsschutzversicherung. * 2. Im Verhältnis zwischen der Rechtsschutzversicherung eines Mandanten und dessen Rechtsanwalt genügen die zivilrechtlichen Regelungen, die sich aus den §§ 675, 667 BGB i.V.m. § 86 I VVG bzw. aus den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung ergeben. Hamburgisches AnwG, Urt. v. 17.11.2022 – III 3/21 EV 125/20 n.rkr. AUS DEN GRÜNDEN: I.1. Der RA ist am ... geboren und mit seiner Kanzlei unter der Adresse ... in ... tätig. (...) 2. Dem Rechtsanwalt werden in zwei Fällen Verstöße gegen seine Berufspflichten nach § 43a VII 2 BRAO i.V.m. § 4 II 1 BORA und § 23 BORA vorgeworfen. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft v. 18.2.2021 hat das Gericht am 2.11., 9.11. und 17.11.2022 die Hauptverhandlung durchgeführt. Auf die diesbezüglichen Protokolle wird verwiesen. Der Anschuldigung lagen folgende Sachverhalte zu Grunde: a) ln einem aus dem Jahr 2012 stammenden Fall hat der Rechtsanwalt von der Rechtsschutzversicherung seiner Mandantin Leistungen i.H.v. 5.227,73 Euro erhalten. Zwar teilte er der Rechtsschutzversicherung mit, dass der Rechtsstreit durch Vergleich beendet wurde. Die erhaltene Gerichtskostenerstattung von 484 Euro kehrte er jedoch nicht an die Rechtsschutzversicherung aus, sondern verrechnete diese mit seinem Honoraranspruch. Eine Kopie der entsprechenden Abrechnung gegenüber der Mandantin leitete der Rechtsanwalt der Rechtsschutzversicherung zu. Diese machte im Wege der Klage gegenüber dem Rechtsanwalt einen Erstattungsanspruch von 484 Euro geltend. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, in dem sich der Rechtsanwalt verpflichtete, 330 Euro an die Rechtsschutzversicherung zu zahlen. b) ln dem Fall aus dem Jahr 2016 hat der Rechtsanwalt von der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten einen Vorschuss von 1.116,16 Euro erhalten. Nach Abschluss des Verfahrens zahlte die Versicherung des Prozessgegners 808,13 Euro an den Rechtsanwalt zum Ausgleich seiner Gebühren. Diesen Betrag leitete der Rechtsanwalt nicht an die Rechtsschutzversicherung weiter, sondern verrechnete ihn gegenüber dem Mandanten mit seinem Honorar. Von dieser Rechnung erhielt die Rechtsschutzversicherung eine Kopie. Im Nachgang verklagte die Rechtsschutzversicherung den Rechtsanwalt auf Zahlung von 808,13 Euro. Dagegen wehrte sich der Rechtsanwalt nicht, sondern akzeptierte ein entsprechendes Versäumnisurteil und leistete Zahlung. Sein Verhalten hat der Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung damit erklärt, dass es zu aufwendig gewesen wäre, die jeweiligen Sachverhalte aufzuarbeiten. Aus wirtschaftlichen Gründen habe er sich entschieden, die jeweilige Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsschutzversicherungen zu akzeptieren und auszugleichen. II. Der Rechtsanwalt war vom Vorwurf des Verstoßes gegen § 43a VII 2 BRAO i.V.m. § 4 II 1 BORA und § 23 BORA freizusprechen. Zunächst ist festzustellen, dass der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung zur Abrechnung nachgekommen ist. Die Abrechnung schuldete er seinem jeweiligen Mandanten. Eine Kopie der Abrechnung hat er der jeweiligen Rechtsschutzversicherung zur Verfügung gestellt. Damit hat er seine Abrechnungspflichten am Schluss des jeweiligen Mandats ordnungsgemäß erfüllt. Ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur WeiterleiAbrechnungspflicht gegenüber Mandant erfüllt tung des Fremdgeldes vorliegt oder der Rechtsanwalt zur Aufrechnung mit Honoraransprüchen berechtigt war, kann dahinstehen, denn die Einhaltung der entsprechenden Berufspflichten schuldet der Rechtsanwalt gegenüber der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten nicht. Sie gehört nicht zum Kreis derer, um deren Schutz es bei der Behandlung von Fremdgeld gem. § 43a VII BRAO und § 4 II 1 BORA geht (vgl. BGH v. 23.7.2019 – VI ZR 307/18 Rn. 14 ff.). Anders als zu seinem Mandanten hat der Rechtsanwalt keine Berufspflicht gegenüber Versicherer mit der Rechtsschutzversicherung kein Vertragsverhältnis. Das Mandatsverhältnis ist es jedoch, welches der Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts und seiner Stellung als Organ der Rechtspflege zugrunde liegt. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 121
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