BRAK-Mitteilungen 2/2023

hielt. Hintergrund ist ein Unfallereignis v. 28.11.2018, dessen Folgen streitig sind und das die Ag. vorgerichtlich auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 14 % sowie durch Zahlung des vereinbarten Krankenhaustagegeldes reguliert hat. Die Ast. ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Versicherungsnehmer. Sie behauptet, der unfallbedingte Invaliditätsgrad habe mindestens 50 % betragen, so dass insb. die vereinbarte monatliche Unfallrente zu zahlen gewesen sei. Mit Beschl. v. 2.12.2022 hat das LG den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen (Bl. 26 ff. d.A. – LG). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass schon nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht aussichtslos sei. Ferner habe die Ast. nicht aufgezeigt, mindestens zehn Rechtsanwälte trotz gehöriger Information und Mitteilung der von ihrer Rechtsschutzversicherung bereits erteilten Deckungszusage erfolglos kontaktiert zu haben. Auch die konkreten Gründe für die Mandatsablehnung seien nicht vorgetragen worden. Dieser Beschluss ist der Ast. am 7.12.2022 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ging am 8.12.2022 per Telefax beim OLG Nürnberg ein (Bl. 31 ff. d.A.). Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss v. 14.12.2022 nicht abgeholfen und die Sache erneut dem OLG Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 176 ff. d.A. – LG). II.1. Die sofortige Beschwerde der Ast. ist statthaft gem. §§ 78b II, 567 I Nr. 1 ZPO. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 I und II ZPO). Das im Original mit einer Unterschrift versehene Telefax v. 8.12. 2022 entspricht der geforderten Schriftform (vgl. MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 569 Rn. 14 m.w.N.). Anwaltszwang besteht selbstverständlich nicht (vgl. OLG München, BeckRS 2001, 30200075). 2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das LG hat die Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 78b ZPO (sog. „Notanwalt“) zu Recht abgelehnt. a) Zutreffend hat die Vorinstanz herausgearbeitet, dass die Beiordnung zum einen davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos erscheint (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – IX ZR 163/05, BeckRS 2006, 8544 Rn. 1 und v. 14.12. 2017 – I ZR 195/15 Rn. 11). Diese Einschränkung soll den Rechtsanwalt vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in einer von vornherein keinerlei Erfolg versprechenden Sache bewahren. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – V ZA 14/11, NJW-RR 2012, 84 Rn. 4 m.w.N.). Hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen. Es darf keiner Partei verwehrt werden, eine auch nur geringe Chance auf einen Prozesserfolg wahrzunehmen. Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist von dem Ast. zu verlangen, dass er einen hinreichend substantiierten Sachverhalt geordnet vorträgt, der es dem Gericht erlaubt, die Erfolgsaussichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht summarisch zu beurteilen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.6.2021 – 4 EK 7/21 Rn. 5 f.; OLG München, Beschl. v. 3.3.1993 – 1 W 1014/93 Rn. 5 ff.). Dies ist einem Laien ohne anwaltliche Vertretung auch zumutbar. Hieran fehlte es der Antragsschrift v. 28.11.2022 jedoch, wie das LG im angefochtenen Beschluss fehlerfrei festgestellt hat. Die bloße Vorlage der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers genügte diesem Erfordernis nicht. Mit der Beschwerdeschrift hat die Ast. im Rahmen des substantiierter Sachverhalt erforderlich § 571 II 1 ZPO ergänzend zur Sache vorgetragen bzw. weitere Unterlagen vorgelegt. Dies betrifft insb. den Unfallbericht v. 13.1.2019, diverse Behandlungsberichte und die vorgerichtliche Korrespondenz mit der Ag. nebst ärztlichen Gutachten. Danach lässt sich die völlige Aussichtslosigkeit der Durchsetzung eines Anspruchs aus § 178 I VVG, § 1922 I BGB nicht feststellen. b) § 78b I ZPO setzt weiter voraus, dass die Ast. darlegt und glaubhaft macht, dass sie im Rahmen zumutbarer Anstrengungen eine gewisse Anzahl von Rechtsanwälten vergeblich um die Übernahme eines Mandats ersucht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.1995 – III ZB 4/95, NJW-RR 1995, 1016). Die konkrete Anzahl der zu kontaktierenden Anwälte richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BeckOK- ZPO/Piekenbrock, § 78b Rn. 5, Stand: 1.12.2022; Smid/Hartmann, in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 78b Rn. 5). Im Großraum Nürnberg als Sitz des beabsichtigten Prozessgerichts sind – wie der Senat aus öffentlichen Quellen ermittelt hat – allein 45 Fachanwälte für Versicherungsrecht zugelassen. Eine Vielzahl hiervon käme in Betracht, wollte man auf die wohnortnahe Landeshauptstadt München abstellen. Die vom LG hier geforderte Mindestzahl von zehn Rechtsanwälten begegnet daher keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. auch Burgermeister, in Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl., § 78b Rn. 3 m.w.N.). Es bestand auch keine gesteigerte Eilbedürftigkeit. Die abschließende Abrechnung der aus Sicht des Versicherers geschuldeten Leistungen und die Ablehnung weitergehender Ansprüche erfolgten im März 2020. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung gehemmt (§ 15 VVG), abgesehen davon, dass die Fälligkeit dieser Ansprüche erst mit Abschluss der notwendigen Erhebungen des Versicherers im Januar 2020 gegeben war (§ 14 I VVG). Verjährung kann daher frühestens am 31.12.2023 eintreten (§§ 195, 199 I BGB). Mit der Antragstellung sind außerdem die jeweiligen zehn Rechtsanwälte Ablehnungsgründe anzugeben und zu belegen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.2.2004 – IV ZR 290/03, NJW-RR 2004, 864). Letzteres ist jedenfalls mit der Beschwerdeschrift und soweit möglich BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 125

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0