BRAK-Mitteilungen 2/2023

21, MDR 2022, 907 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 21.8.2019 – XII ZB 93/19, FamRZ 2019, 1880 Rn. 5; jeweils m.w.N.). In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg vorzunehmen (§ 130a III ZPO; vgl. BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512 Rn.15). [17] b) Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht den Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verschulden und der Fristversäumung. [18] aa) Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es nicht zu beanstanden, wenn der Richter erst bei Bearbeitung des Falles und damit nach Ablauf der Fristen die Zulässigkeit der Berufung und dabei auch die Einhaltung der Form überprüft. Allerdings gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, die Partei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie das vollständige Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift – hinzuweisen und ihr ggf. Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – VI ZB 37/08, VersR 2009, 699 Rn. 10; Beschl. v. 20.6.2012 – IV ZB 18/11, NJW-RR 2012, 1269 Rn. 14 m.w.N.). Geschieht dies nicht, geht die nachfolgende Fristversäumnis nicht zu Lasten des Rechtsuchenden; das Verschulden des Prozessbevollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr aus (Senat, Beschl. v. 11.12.2015 – V ZB 103/14, WuM 2016, 187 Rn. 10 m.w.N.). [19] bb) Diese Grundsätze gelten auch, wenn – wie hier – die Berufungsschrift über das EGVP als PDF-Dokument eingeht, ohne mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen zu sein. Ist eine nicht auf dem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereichte Berufung nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, ist das Berufungsgericht – entsprechend den Grundsätzen über das Fehlen der Unterschrift – lediglich im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs verpflichtet, die Partei darauf hinzuweisen und ihr ggf. Gelegenheit zu geben, den Fehler vor Ablauf der Berufungsfrist zu beheben. Eine generelle Verpflichtung des Gerichts, die Formalien des als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, besteht nicht (vgl. BAGE 171, 28 Rn. 39). § 130a VI ZPO gilt für Signaturfehler nicht. [20] (1) Nach § 130a VI 1 ZPO ist dann, wenn ein elekFür Signaturfehler gilt § 130a VI ZPO nicht tronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Der Absender soll damit die Gelegenheit erhalten, nach Erhalt der Fehlermeldung unverzüglich ein technisch lesbares Dokument einzureichen und glaubhaft zu machen, dass das bearbeitungsfähige Dokument und das zuerst eingereichte Dokument inhaltlich übereinstimmen, damit das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen gilt (§ 130a VI 2 ZPO). [21] (2) § 130a VI ZPO bezieht sich nur auf elektronische Dokumente, die die unmittelbar im Gesetz vorgesehenen Formvoraussetzungen erfüllen, also entweder mit qualifizierter Signatur oder mit einfacher Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurden. Nicht erfasst sind elektronische Dokumente ohne qualifizierte elektronische Signatur, die ohne eine sichere Anmeldung des Absenders an das Gericht gesandt worden sind. § 130a VI 2 ZPO erfasst nur den Irrtum über die in der Verordnung gem. Abs. 2 niedergelegten technischen Rahmenbedingungen, nicht jedoch den Verstoß gegen die Mindestanforderungen in § 130a III ZPO, da eine Heilung nicht möglich ist, wenn Authentizität und Integrität des elektronischen Dokuments nicht hinreichend gesichert sind (zum Ganzen vgl. BT-Drs. 17/12634, 26 f.). [22] cc) Gemessen daran geht die Fristversäumnis zu Lasten des Bekl. [23] (1) Da die Berufungsschrift erst am 12.1.2022 um 15:57 Uhr vor der am übernächsten Tag (14.1.2022) abgelaufenen Berufungsfrist übermittelt wurde, war im gewöhnlichen Geschäftsgang nicht zu erwarten, dass der (stellvertretende) Vorsitzende des Berufungsgerichts den Signaturfehler noch vor Ablauf der Frist hätte bemerken und auf ihn hinweisen können (vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2022 – XII ZB 311/21, NJW 2022, 2415 Rn. 21). [24] (2) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Signaturfehler sei bereits für den zuständigen Geschäftsstellenbeamten bei dem Berufungsgericht im Rahmen der ohnehin durchzuführenden Prüfung des Dateiformats nach § 130a VI ZPO leicht erkennbar gewesen. Auf eine mögliche Erkennbarkeit des Signaturfehlers für die Geschäftsstelle kommt es nicht an, weil sich die nach § 130a VI ZPO vorzunehmende Prüfung nur auf das elektronische Dokument und nicht auch auf den über dessen Einreichung erstellten Transfervermerk bezieht (vgl. oben Rn. 21). Ob die Mindestanforderungen des § 130a III ZPO gewahrt sind, ist vielmehr Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung gem. § 522 I 1 ZPO; diese ist von dem Berufungsgericht vorzunehmen. Soweit der Senat für die leichte Erkennbarkeit eines Fehlers bei der Rechtsmitteleinlegung, solange die Akte dem Richter im ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht vorgelegen hat, auf den Wissensstand des zuständigen Geschäftsstellenbeamten abgestellt hat, betraf dies die „ohne Weiteres“ bzw. „leicht erkennbare“ Unzuständigkeit des irrtümlich angerufenen Rechtsmittelgerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 11.12.2015 – V ZB 103/14, WuM 2016, 187 Rn. 10 m.w.N.). Darum geht es hier nicht, sondern um die gesetzliche Form und Frist der Berufungseinlegung, deren Prüfung dem Berufungsgericht und nicht der Geschäftsstelle obliegt. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 129

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