möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. VerfGH BW 27.9.2021 – 1 VB 85/17, BeckRS 2021, 31474 Rn. 9 und NVwZ-RR 2018, 133 Rn. 15). Eine Besonderheit des VerfGH besteht dabei darin, dass seine Richter ehrenamtlich tätig sind. Dies eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, dass gerade ihre hauptberufliche Tätigkeit in Anbetracht der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit gibt (vgl. VerfGH BW, NVwZ-RR 2019, 625 Rn. 15 = NJW 2019, 2080 Ls.). 2. Bei Anwendung dieser Vorgaben ist die Tatsache, dass ein Partner der Sozietät, der Richterin F angehört, insgesamt vier Mandate aus dem Bereich des Spielhallenrechts betreut, nicht geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterin zu begründen. Auch wenn für die rechtliche Bewertung von Verfahren, in denen eine Rechtsanwaltskanzlei mandatiert ist, der ein Mitglied des VerfGH hauptamtlich als Partnerin angehört, mitunter Rechtsfragen eine Rolle spielen, die Gegenstand eines anderen verfassungsgerichtlichen Verfahrens sind, ist der Umstand der Kanzleizugehörigkeit für sich genommen nicht geeignet, in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Mitglieds hervorzurufen, sofern die von der Kanzlei geführten Verfahren nicht beim VerfGH anhängig sind und das Mitglied des Gerichts mit deren Bearbeitung nicht befasst ist. So liegt die Situation hier: Richterin F befindet sich zwar Kanzleizugehörigkeit reicht allein nicht aus aufgrund der gemeinsamen Kanzleizugehörigkeit in einem beruflichen Näheverhältnis zu ihrem Kollegen und den von ihm betreuten Mandaten. Verdeutlicht wird dies durch den Umstand, dass üblicherweise eine Mandatierung der Sozietät insgesamt, nicht einzelner Rechtsanwälte erfolgt. Eine über diese nur allgemeine Beziehung zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde hinausgehende „Beteiligung“ der Richterin ist jedoch nicht ersichtlich. Der Kanzleikollege der Richterin F ist hier weder im Verfassungsbeschwerdeverfahren selbst mandatiert (was im Verfahren 1 VB 85/17 zu einer begründeten Selbstablehnung führte, vgl. VerfGH BW 27.9.2021 – 1 VB 85/17, BeckRS 2021, 31474) noch war er in das zugrunde liegende fachgerichtliche einstweilige Rechtsschutzverfahren involviert. Die von ihm betreuten Mandate stehen auch in keinem sonstigen sachlichen Zusammenhang mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde. Richterin F wurde nach eigener Aussage bislang in keikeine Involvierung ner Weise in die Verfahren ihres Kollegen einbezogen. Sie selbst betreue keine Mandate aus dem Glücksspielbereich; die Sozietät sei auch nicht schwerpunktmäßig auf diesem Gebiet tätig. Es liegt damit eine bloße Befassung mit Rechtsfragen vergleichbarer Art – hier der sog. Zäsur-Rechtsprechung zu § 51 V 5 BWLGlüG – durch von einem Sozius betreute Mandate vor; diese allenfalls mittelbare Betroffenheit reicht für sich genommen nicht aus, um von einer konkreten Nähe zum vorliegenden Verfahren auszugehen, die über eine Beteiligung allgemeiner Art hinausgeht. Entgegen der Auffassung der Stadt X ist auch keine Parallele zur begründeten Selbstablehnung einer als Abteilungsleiterin im Justizministerium tätigen Richterin in einem früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren gegeben. Dort stellte das Gericht entscheidend auf die Position der Richterin als hervorgehobene Führungskraft sowie auf die Betroffenheit des Geschäftsbereichs der Behörde durch die Rechtsfragen der Verfassungsbeschwerde ab (vgl. VerfGH BW, NVwZ-RR 2019, 625 Rn. 22 = NJW 2019, 2080 Ls.). Die hier vorliegende Konstellation ist jedoch anders gelagert. Eine Rechtsanwaltssozietät ist nicht mit einem Ministerium des Landes vergleichbar. Dieses ist Teil der Landesregierung und damit der Staatsgewalt des Landes, gegen die sich Verfassungsbeschwerden richten. Daher kann sich bei der Mitwirkung eines hochrangigen Beamten eines Ministeriums als Mitglied des VerfGH die Problematik stellen, dass das betroffene Land in dessen Person gleichsam „auf der Richterbank“ sitzen würde (vgl. VerfGH BW, NVwZ-RR 2019, 625 Rn. 24 = NJW 2019, 2080 Ls.). Dies ist bei Rechtsanwaltssozietäten von vornherein nicht der Fall, sofern sie nicht – anders als vorliegend – in einem konkret anhängigen verfassungsgerichtlichen Verfahren mandatiert sind. Im Übrigen kann bei Rechtsanwälten, anders als bei hochrangigen Ministerialbeamten, auch nicht die abstrakte Vermutung nachvollzogen werden, sie identifizierten sich in solchem Maße mit den Interessen aller Mandanten ihrer Kanzlei, dass die Besorgnis bestünde, sie würden ihre verfassungsrichterliche Tätigkeit in sachfremder Weise ausrichten. Insbesondere besteht kein behördentypisches Hierarchie- oder Weisungsverhältnis, das aus Sicht von Außenstehenden befürchten ließe, dass Mandate der Kanzlei automatisch zur „eigenen Sache“ aller Partner würden. Hinzu kommt, dass die hier zu entscheidenden Rechtsfragen nur einzelne rechtliche Aspekte in den Mandaten des Kollegen betreffen und damit nicht ersichtlich ist, dass diese von besonderer Bedeutung sein könnten. Rechtsanwälte vertreten zwar die Interessen ihrer Mandanten, allerdings als unabhängige Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO). Ihre Aufgabe ist gerade auch die zutreffende rechtliche Beratung, die bei noch ungeklärten und streitigen Rechtsfragen den Hinweis auf die Möglichkeit einer für den jeweiligen Mandanten ungünstigen Klärung umfasst. Daher kann nicht angenommen werden, dass in solchen Fällen der für den Mandanten ungünstige Ausgang eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens einen wesentlichen Nachteil auch für dessen bevollmächtigten Rechtsanwalt darstellt, erst recht nicht für Kanzleikollegen, die zwar ebenfalls bevollmächtigt, aber in die Bearbeitung des Mandats tatsächlich nicht eingebunden sind. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 133
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