teressen und geschützten Rechte der Kl. nicht derart überwiegen, dass es gerechtfertigt wäre, dem Bekl. künftig die Berichterstattung über die inzwischen aufgehobene Beschlussverfügung des LG Stadt1 v. 20.11. 2020 zu untersagen. Ausreichend und verhältnismäßig wäre ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens und die Aufhebung der Entscheidung, den die Kl., weil es sich insoweit um eine objektiv feststellbare Veränderung der Sachlage handelt, auch beanspruchen könnte. aa) Allerdings kann sich der Bekl. nicht in gleichem MaNachtrag ausreichend ße wie die Presse (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.4. 1997 – 1 BvR 765/97 Rn. 16; Beschl. v. 2.5.2018 – 1 BvR 666/17 Rn. 20] darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen oder im Nachgang zu einer Berichterstattung neuerliche Nachforschungen über den weiteren Fortgang eines berichteten, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts anzustellen. Denn zum einen handelt es sich bei dem Beitrag nicht um einen journalistischen Bericht, sondern um einen kommerziell orientierten Blog, der sich vorrangig/in erster Linie zu Werbezwecken an gegenwärtige und potentielle Kunden des Bekl. wendet. Das weitere Bereithalten dient nicht, wie Online-Archive von Zeitungen, dazu, einen Beitrag im öffentlichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit etwa zu Recherchezwecken dauerhaft verfügbar zu halten. Zum anderen ist es dem Bekl. bei der Zahl der von ihm vorgehaltenen Beiträge und vor allem angesichts des Umstands, dass er an dem Eilverfahren, über das er berichtete, selbst als Anwalt beteiligt war, durchaus zumutbar, die Berichterstattung aktuell zu halten. Der Presse wird angesichts der Vielzahl der von ihr veröffentlichten Berichte zugestanden, dass sie sich im Grundsatz nicht erneut mit vergangenen Berichterstattungsgegenständen befassen, insb. keine besonderen Nachrecherchebemühungen anstellen muss. Die Umstände, die diese Wertung rechtfertigen, sind bei dem Bekl. nicht gegeben. Hinzu kommt ein geringerer Verbreitungsgrad des streitgegenständlichen Blogbeitrags als im Fall von Presserzeugnissen. Da sich die Meldung nicht in einem Presseorgan, sondern auf der Internetseite einer Anwaltskanzlei befindet, ist die Reichweite eher gering. Mindernd zu würdigen ist auch, dass die Kl. die Möglichkeit hat, auf ihrer eigenen Internetseite zu dem Eilverfahren Stellung zu nehmen und über dessen Fortgang zu informieren. bb) Ferner ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Kl. durch die weitere Bereithaltung des Beitrags über die gegen sie erlassene Beschlussverfügung des LG Stadt1 drohende Beeinträchtigung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts erheblich weniger gravierend ist als beispielsweise im Fall einer überholten Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat (zum Gesichtspunkt des Gewichts der drohenden Persönlichkeitsverletzung in diesem Zusammenhang vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 7.7.2020 a.a.O. Rn. 11). Zwar mag es für den sozialen Geltungsanspruchs der Kl. als Wirtschaftsunternehmen abträglich sein, wenn bekannt bleibt, dass jedenfalls ein erstinstanzliches Gericht sie zur Löschung eines in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeintrags und zur Unterlassung der weiteren Verarbeitung dieser Daten verpflichtet hat mangels eines berechtigten Interesses hieran. Da andererseits der Leser erkennt, dass es sich nur um den Zwischenstand in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren handelt, ist diese drohende Einbuße des Ansehens der Kl. nicht sehr schwerwiegend. Selbst wenn an ihrem Ruf gleichwohl „etwas hängen“ bliebe, wäre davon allein das Unternehmenspersönlichkeitsrecht eines gewerblichen Unternehmens betroffen, welches in der Schwere nicht mit einem schweren moralischen Vorwurf gegen eine natürliche Person wie im Fall einer Straftat vergleichbar ist. cc) Andererseits ist dem Bekl. ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Altmeldung in seinem Blog zuzugestehen, mag dieses auch nicht gewichtig sein. Es besteht ein anerkennenswertes Interesse des Bekl., gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zugunsten des von ihm als Anwalt vertretenen Mandanten entschieden hat. Auch nachdem die von ihm gegen die Kl. erwirkte Beschlussverfügung rechtskräftig aufgehoben wurde, ist ein schützenswertes Interesse des Bekl. anzuerkennen, die von ihm erwirkte und seiner Rechtsansicht folgenden und von ihm für rechtlich zutreffend gehaltene Ursprungsentscheidung des LG Stadt1 weiterhin in seinem Blog zu dokumentieren. dd) Nach alldem stellt sich eine Löschung der angegrifkein Recht auf Löschung fenen Äußerungen über die Beschlussverfügung des LG Stadt1 wegen Änderung der Sachlage durch die neue Verfahrensentwicklung als zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Bekl. dar. Dieser könnte nicht mehr auf diese Entscheidung als mögliche und einmal von einem (Unter-)Gericht vertretene Rechtsauffassung hinweisen. Hinzu tritt, dass die in den Äußerungen lit. a) Satz 2 und lit. e) geäußerte Meinung des Bekl. nur auf diese Beschlussverfügung bezogen sind und durch deren spätere Aufhebung nicht unzulässig werden. Demgegenüber kann dem Interesse der Kl., dass mit dem Beitrag allein über die erstinstanzlich für den Mandanten des Bekl. erfolgreiche Beschlussverfügung des LG nur „die halbe Wahrheit“ mitgeteilt wird, durch einen klarstellenden Nachtrag über die geänderte Sachlage in ausreichender Weise Rechnung getragen werden. Dabei handelt es sich um ein gegenüber der Löschung der angegriffenen Äußerungen milderes Mittel. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines solchen Nachtragsanspruchs als besondere Form der Folgenbeseitigung nach §§ 1004 I 2 analog 823 I BGB sind auch gegeben. Die Veränderung der Sachlage durch die Aufhebung der Beschlussverfügung v. 20.11. 2020 des LG Stadt1 mit dessen Urt. v. 15.3.2021 und BRAK-MITTEILUNGEN 2/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 138
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