BRAK-Mitteilungen 3/2023

AUFSÄTZE BERUFSRECHT DER INSOLVENZVERWALTER – KOMPROMISSVORSCHLAG DER BRAK RECHTSANWALT ROLF G. POHLMANN* * Der Autor ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie Partner der Kanzlei POHLMANN HOFMANN. Er ist Mitglied u.a. der Ausschüsse Insolvenzrecht und Bundesrechtsanwaltsordnung der BRAK. Die derzeitige Praxis, nach der Insolvenzrichterinnen und -richter jeweils eigene Vorauswahllisten für mögliche Insolvenzverwalterinnen und -verwalter führen, wird seit Langem als unbefriedigend empfunden. Ebenso lang wird daher über unterschiedliche Modelle für ein Insolvenzverwalter-Berufsrecht gestritten. Die Justizministerkonferenz sprach sich im Herbst 2021 für eine zentrale Vorauswahlliste aus, die durch eine behördliche Stelle geführt wird. Dagegen standen Vorschläge der Berufsverbände, die zumeist eine staatliche Aufsicht ablehnen und unterschiedliche Selbstverwaltungs-Lösungen vorsahen, u.a. der Vorschlag der BRAK aus dem Jahr 2020, der die Aufsicht bei den regionalen Rechtsanwaltskammern verortet. Nach Diskussionen mit den anderen Verbänden und dem Bundesjustizministerium hat die BRAK nunmehr einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, der u.a. die Forderung nach einer zentralen und gesonderten Verwalter-Vorauswahlliste umsetzt. Diesen sowie die Hintergründe stellt der nachfolgende Beitrag vor. I. EINLEITUNG Nach der derzeitigen Rechtslage obliegt es den einzelnen Insolvenzrichterinnen und -richtern, jeweils eigene sog. „Vorauswahllisten“ für Insolvenzverwalterinnen und -verwalter zu erstellen und zu pflegen. Indes fehlen generelle und transparente Vorgaben für den Zugang zur Insolvenzverwaltertätigkeit ebenso wie gesetzliche Regelungen zur Ausübung der Insolvenzverwaltertätigkeit. In der Insolvenzordnung finden sich lediglich Bestimmungen zur Abwahl, Entlassung, Vergütung und Haftung des Verwalters sowie zur Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Verwalter, die allein auf das jeweilige Insolvenzverfahren bezogen ist. Die Rechtsprechung zieht insoweit – jedenfalls bei anwaltlichen Insolvenzverwaltern – ergänzend das anwaltliche Berufsrecht heran.1 1 BGH, Urt. v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, BRAK-Mitt. 2015, 238 Rn. 21 ff. Nicht nur Literatur, Berufsverbände und Insolvenzgerichte empfinden das als unbefriedigend.2 2 Vgl. etwa MüKoInsO/Graeber, 4. Aufl. 2019, § 56 Rn. 20a; Braun/Frank, NZI 2020, 1, 3; Thole, AnwBl. 2021, 111; gemeinsames Eckpunktepapier des Bundesarbeitskreises der Insolvenzgerichte (BAKInso), der Neuen Insolvenzrechtsvereinigung Deutschlands (NIVD) und des Verbands Insolvenzverwalter (VID); BAKInso, Stn. v. 13.6.2022. Auch die EURichtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen schreibt den Mitgliedstaaten vor, „die Zulassungsvoraussetzungen sowie das Verfahren für die Bestellung, die Abberufung und den Rücktritt von Verwaltern klar, transparent und fair“ auszugestalten.3 3 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6. 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132, Art. 26 Abs. 1 lit. b). Unabhängig davon beschäftigt die Aufnahme von Bewerberinnen und Bewerbern in Insolvenzverwalter-Vorauswahllisten zudem immer wieder die Gerichte, mit wenig praxistauglichen Ergebnissen.4 4 Zuletzt BGH, Beschl. v. 13.1.2022 – IX AR(VZ) 1/20, BRAK-Mitt. 2022, 174 mit Anm. Pohlmann. Vor diesem Hintergrund werden – seit Jahren – unterschiedliche Modelle für ein Berufsrecht für Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter diskutiert.5 5 Neben dem Gesetzesvorschlag der BRAK etwa VID, Eckpunktepapier v. 13.7.2020; BAKInso, Eckpunktepapier v. 12.2.2019 sowie das bereits (oben Fn. 2) zitierte gemeinsame Eckpunktepapier von BAKInso, NIVD und VID. Nachdem die Vereinbarung im Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung, wonach „gesetzliche Rahmenbedingungen für die Berufszulassung und -ausübung von Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwaltern“ geschaffen werden sollten,6 6 Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode v. 12.3.2018, 131 f., Zeilen 6195-6199. der Diskontinuität zum Opfer fiel, schien das Thema an politischer Brisanz verloren zu haben. Nur für kurze Zeit. Denn die Justizministerkonferenz am 11./12.11.2021 sprach sich dafür aus, eine „zentrale (nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte) Vorauswahlliste“ zu schaffen, die „durch eine behördliche Stelle geführt werden sollte“.7 7 Beschluss der Herbstkonferenz 2021 der Justizministerinnen und Justizminister zu TOP I.6 (Ziff. 3); abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/ 2021/Herbstkonferenz_2021/TOP-I_-6–-Bericht-AG-Vorauswahlliste-Insolvenzver walter.pdf. Jedenfalls seither hat das Thema wieder Priorität und Berufsverbände skizzieren neue Vorschläge8 8 VID, Vorschlag zur Schaffung einer eigenständigen Kammer der Amtsträger in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren v. 21.12.2022. oder positionieren sich zu den im Raum stehenden Alternativen. Die 158. Hauptversammlung der BRAK hatte schon am 22.6.2020 einen ersten ausformulierten Gesetzesvorschlag für die Schaffung eines Berufsrechts der Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter beschlossen, den federführend der Ausschuss Insolvenzrecht in den Jahren 2018 bis 2020 erarbeitet hatte.9 9 Berufsrecht für Insolvenzverwalter – BRAO-Formulierungsvorschlag (Fassung i.d.F. des Beschlusses der 158. BRAK-Hauptversammlung v. 22.06.2020), abrufbar unter https://www.brak.de/die-brak/ausschuesse/ausschuss-insolvenzrecht/; dazu Pohlmann, BRAK-Mitt. 2020, 174. Diesem hatte sich die ARGE Insolvenzrecht und Sanierung im BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 142

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