DAV ausdrücklich angeschlossen. Die Diskussionen10 10 Etwa im Rahmen einer Gesprächsrunde im Bundesjustizministerium im September 2022; dazu Nachr. aus Berlin 20/2022 v. 6.10.2022 sowie INDat-Report 8/2022, 8. und die teilweise geäußerte Kritik aus den Berufsverbänden aufgreifend und die Beschlüsse der Justizministerkonferenz berücksichtigend hat der Ausschuss den Gesetzesvorschlag weiter modifiziert und Anfang 2023 einen überarbeiteten Vorschlag vorgelegt, der vom BRAK-Präsidium beschlossen und dem Bundesministerium der Justiz am 9.3.2023 übermittelt wurde.11 11 Abrufbar unter https://www.brak.de/fileadmin/01_ueber_die_brak/aus-der-arbeit -der-ausschuesse/BRAO_BIVO_Entwurf_23.02.2023_9.3.pdf. Dieser Beitrag skizziert nochmals den ursprünglichen Gesetzesvorschlag aus dem Jahr 2020 und dessen Prämissen und stellt sodann die aktuellen Änderungsvorschläge im Detail vor. II. PRÄMISSEN DES GESETZESVORSCHLAGS 1. INSOLVENZVERWALTUNG ALS TEIL DES ANWALTLICHEN BERUFSBILDES Die Ausübung des Amtes als (vorläufiger) Insolvenzverwalter, (vorläufiger) Sachwalter, Restrukturierungsbeauftragter oder Sanierungsmoderator aufgrund gerichtlicher Bestellung ist, wenn sie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Steuerberaterinnen und -beratern oder Wirtschaftsprüferinnen und -prüfern wahrgenommen wird, kein eigenständiger Zweitberuf, sondern sie gehört zum Berufsbild des Rechtsanwalts (bzw. Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers).12 12 BGH, Urt. v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, BRAK-Mitt. 2015, 238 Rn. 23; Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 59c Rn. 6; Weyland/Brüggemann, BRAO, 10. Aufl. 2020, Einl. Rn. 18 f.; a.A. etwa Prütting, ZIP 2016, Beil. zu Heft 22, 61-63. Sie ist Teil der anwaltlichen Berufsausübung. Dem steht – was häufig missverstanden wird – nicht das Urteil des BVerfG v. 3.8.200413 13 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01. entgegen, wonach die Insolvenzverwaltung verfassungsrechtlich ein eigenständiger Beruf i.S.v. Art. 12 GG ist. Das BVerfG hatte die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern schon im Jahr 2004 „nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen“. Es hatte hieraus das Erfordernis eines justiziablen Vorauswahlverfahrens abgeleitet, welches den einzelnen Bewerberinnen und Bewerbern den Zugang zu gerichtlichen Bestellungen gibt.14 14 BVerfG, Urt. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01 Ls. 5a und Rn. 22 ff. Der Begriff des Berufs i.S.v. Art. 12 GG unterscheidet sich aber von demjenigen, welcher der BRAO zugrunde liegt. Unter einem Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne wird jede erlaubte Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob sie einem traditionellen oder rechtlich fixierten Berufsbild entspricht.15 15 BVerfGE 68, 272, 281; 78, 179, 193; BVerfG, ZIP 2002, 2048, 2049. Bestimmte Tätigkeitsfelder eines überkommenen oder gesetzlich geregelten Berufsbildes können also einen Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung einer Tätigkeit als „Beruf“ sagt deshalb nichts darüber aus, ob diese Tätigkeit zu einem weiter gefassten überkommenen oder gesetzlich geregelten Beruf gehört und damit den betreffenden Regelungen unterfällt.16 16 So BGH, Urt. v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, BRAK-Mitt. 2015, 238 Rn. 22; Verfassungsbeschwerde hiergegen nicht angenommen (BVerfG, Beschl. v. 28.10.2015 – 1 BvR 2400/15). Diese Beurteilung entspricht auch der Lebenswirklichkeit. Denn im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung wechseln sich, schon seit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG),17 17 BGBl. 2011 I 2582, berichtigt in BGBl. 2011 I 2800. spätestens nun seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG),18 18 BGBl. 2020 I 3256. die Betätigung z.B. als gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter oder Sachwalter mit der Betätigung als Sanierungsgeschäftsführer oder -generalbevollmächtigter oder als Vertreter des Schuldners im Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren im Rahmen „klassischer“ anwaltlicher Mandatierung regelmäßig ab.19 19 Vgl. HambKInsO/Frind, 9. Aufl. 2022, § 56 Rn. 18. Wenn aber die Tätigkeit als anwaltlicher (vorläufiger) Insolvenzverwalter, Sachwalter etc. der Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte zuzurechnen ist, zieht das zwingend folgende Konsequenzen nach sich: Erstens: Soweit es spezifischer Regularien für den Zugang zur Insolvenzverwaltertätigkeit und zu deren Ausübung bedarf, können solche Regelungen nur im Rahmen von leges speciales im bestehenden Anwaltsrecht getroffen werden. Sie müssen sich zweitens in das bestehende berufsrechtliche System einfügen. Und drittens können für Zugang zur Insolvenzverwaltertätigkeit, Aufsicht und Disziplinarmaßnahmen nur die bestehenden anwaltlichen Selbstverwaltungseinrichtungen im Rahmen mittelbarer Staatsverwaltung zuständig sein. 2. INSOLVENZVERWALTER SIND WEITESTGEHEND ANWÄLTINNEN UND ANWÄLTE „Zum Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist“, so lautet die einzige gesetzliche Qualifikationsanforderung für die Insolvenzverwaltertätigkeit in § 56 InsO. Der Insolvenzverwalter kann also grundsätzlich aus jeder Berufsgruppe kommen,20 20 MüKoInsO/Graeber, 4. Aufl. 2019, § 56 Rn. 57. wenngleich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und -berater und Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer die Anforderungen an einen Insolvenzverwalter in besonderem Maß aufgrund ihrer Ausbildung erfüllen sollen.21 21 Vgl. etwa Braun/Blümle, InsO, 9. Aufl. 2022, § 56 Rn. 34. POHLMANN, BERUFSRECHT DER INSOLVENZVERWALTER – KOMPROMISSVORSCHLAG DER BRAK AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 143
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