BRAK-Mitteilungen 3/2023

und Anwälte nicht immer im Vorhinein den anfallenden Zeitaufwand abschätzen können. Dieser hängt u.a. von der Inanspruchnahme durch den Mandanten, den Gegner oder Dritte und von eventuellen Sachverhaltsänderungen in der Bearbeitungszeit ab. b) UNSICHERHEIT FÜR STUNDENSATZVEREINBARUNGEN Die Entscheidungen über die Wirksamkeit der Vereinbarungen werden daher im Einzelfall unter Abwägung der gegenseitigen Interessen zu treffen sein. Das bedeutet eine erhebliche Unsicherheit über die Einbringlichkeit von Vergütungsforderungen aus Stundensatzvereinbarungen. Die Problematik liegt in der Rechtzeitigkeit der Vermittlung der Informationen, die es dem Mandanten ermöglichen, die Kosten der Rechtsvertretung abschätzen zu können. Das bedeutet nicht, dass Zeitaufwände ausdrücklich in der Vereinbarung niedergelegt werden sollten; das wäre möglicherweise sogar kontraproduktiv. Allerdings sollte mit dem Mandanten der realistisch einschätzbare Zeitaufwand in der Mandatsanbahnung besprochen werden, ebenso wie die Tatsache, welche Probleme bei der Einschätzung bestehen können, sowie was bei Überschreitung des erwarteten Aufwands geschehen solle. Die Besprechungsinhalte sollten dokumentiert werden. Weiter sollten Leistungen immer zeitnah abgerechnet und nicht gesammelt werden. Sollten sich bei der Mandatsbearbeitung zusätzliche, nicht kalkulierte Aufwände zeigen, sollten diese mit dem Mandanten besprochen werden. Ob das im Einzelfall reicht, wird die Rechtsprechung weisen müssen. Ebenso dürfte es einzelfallabhängig sein, wie schnell die Informationen und Abrechnungen erfolgen müssen, um eine Missbräuchlichkeit der Vereinbarung auszuschließen. Wirksame Vergütungsvereinbarungen abzuschließen ist damit schwieriger geworden. 2. OLG MÜNCHEN Auf einer ähnlichen Problematik beruht das Urteil des OLG München,7 7 OLG München, Urt. v. 2.2.2022 – 15 U 2738/21 RAe. welches sich mit einer im Verfahrenslauf geänderten vertraglichen Vergütungsregelung zu befassen hatte. Der Rechtsanwalt und sein Mandant vereinbarten in einem Arbeitsrechtsstreit zunächst ein Stundenhonorar von 340 Euro netto, mindestens jedoch die gesetzliche Vergütung; zugleich wurde vereinbart, dass bei sich zeigendem Erfolg eine Nachverhandlung mit dem Ziel der Vereinbarung des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung geführt werden solle. Tatsächlich wurde bei der Nachverhandlung ein hohes Pauschalhonorar vereinbart, welches dem 3,6-fachen der gesetzlichen Vergütung entsprach. Das OLG München hatte in zweiter Instanz über die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, eine mögliche Herabsetzung der vereinbarten Vergütung gem. § 3a II RVG und eine Gebührenminderung wegen eines Schadenersatzanspruchs des Mandanten zu entscheiden. Das OLG hat die Vereinbarung als wirksam bestätigt und eine Minderung der vereinbarten Vergütung nicht vorgenommen. Zunächst hat es eine Sittenwidrigkeit wegen der Vereinbarung des 3,6-fachen der gesetzlichen Gebühr verneint. Es führt dabei aus, dass gerade bei niedrigen Streitwerten und hohem Aufwand ein Missverhältnis der Vergütung zu Lasten des Rechtsanwalts entstehen kann. Deshalb kann gerade in diesem Wertbereich ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühr angemessen sein. Das OLG München hat sodann auch die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung verneint. Dabei hat es insb. auch den großen Erfolg der Tätigkeit durch die erzielte unüblich hohe Abfindung in die Bewertung einbezogen. Weiter hat das OLG München auch das Vorliegen eines zur Aufrechnung zu stellenden Schadenersatzes wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht verneint. Dabei hat es festgestellt, dass die Aufklärungspflicht über die Abrechnung nach dem Gegenstandswert gem. § 49b V BRAO nicht die Fälle der vereinbarten Vergütung erfasst. Weiter hat es unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH8 8 BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332. festgestellt, dass auch keine grundsätzliche Verpflichtung zur Aufklärung über die Höhe der Vergütung besteht, soweit diese nicht ausdrücklich durch den Mandanten erfragt wird. Schließlich hat sich das OLG München auch noch mit der Frage einer möglichen Verletzung von Aufklärungspflichten, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB zu folgern sind, befasst. Das OLG hat dabei festgestellt, dass es im Einzelfall eine solche Verpflichtung geben kann, wenn es für den Rechtsanwalt erkennbar ist, dass die Vergütung für den Auftraggeber unerwartet hoch ausfallen würde oder wenn die Höhe der Vergütung in einem unangemessenen Verhältnis zum möglichen Erfolg stehen würde.9 9 So auch BGH, Urt. v. 10.6.1985 – III ZR 73/84, NJW 1985, 2642, 2643; Urt. v. 2.7. 1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486, 3487. Das Vorliegen dieser Umstände hat das OLG im vorliegenden Fall nicht angenommen. V. ERFOLGSHONORAR Im Berichtszeitraum bekanntgeworden ist eine Entscheidung des OLG Dresden,10 10 OLG Dresden, Beschl. v. 1.3.2022 – 4 W 3/22. die sich mit der Zulässigkeit und fortdauernden Wirksamkeit des Erfolgshonorars (insb. in Arzthaftungsangelegenheiten) bei vorzeitiger Beendigung des Mandates befasst. HINNE, DIE ENTWICKLUNG DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG 2022/2023 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 155

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