In einem Arzthaftungsprozess hatten der Rechtsanwalt und sein bedürftiger, prozesskostenhilfeberechtigter Mandant eine Vereinbarung getroffen, nach der der Rechtsanwalt bei Erfolg einen Anteil von 25 % der erwirkten Forderung erhalten sollte. Der Rechtsanwalt wurde umfangreich tätig und wirkte auf eine vergleichsweise Regelung hin. Kurz vor deren Abschluss kündigte der Auftraggeber das Mandat. Der Rechtsanwalt ließ daraufhin in Höhe seiner Forderung aus der Erfolgshonorarvereinbarung (157.150 Euro) einen dinglichen Arrest in Bezug auf die Vergleichsforderung seines Mandanten gegen den Gegner ausbringen. Der Mandant beantragte für das Rechtsmittel gegen den Arrest Prozesskostenhilfe; das OLG Dresden hatte in der Beschwerdeinstanz über diesen Antrag zu entscheiden. Das OLG Dresden hat die Prozesskostenhilfebewilligung verweigert, weil eine Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht bestand. Das OLG hat dabei zunächst die Wirksamkeit der Erfolgshonorarvereinbarung geprüft. Diese ist zunächst trotz des grundsätzlichen Anspruchs des Mandanten auf Prozesskostenhilfe gegeben, da der Gesetzgeber die Vereinbarung bei Vermeidung der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe in § 4a I 1 und S. 3 RVG für zulässig erklärt hat. Das OLG hat weiter festgestellt, dass ein Mandant gerade bei umfangreichen Arzthaftungsprozessen mit hohen Streitwerten ohne die Erfolgshonorarvereinbarung von der Prozessführung in Ansehung der Prozessrisiken und der Kosten für Sachverständige abgehalten werden kann. Der Anspruch auf das Erfolgshonorar aus der wirksamen Vereinbarung entfällt auch nicht durch eine vorzeitige Kündigung, wenn der Erfolg später eintritt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Erfolgseintritt ganz oder im Wesentlichen auf der Tätigkeit des Rechtsanwalts beruht hat. Das hat das OLG Dresden in Bezug auf die Vergleichsvorbereitungen durch den Rechtsanwalt im zu entscheidenden Fall bejaht. Damit war auch der Arrestgrund gem. § 917 ZPO gegeben. Der Fall zeigt die befürchtete Problematik klar auf. Positiv ist, dass das OLG Dresden klar feststellt, dass der Anspruch auf ein Erfolgshonorar auch nach Mandatsbeendigung fortbesteht. Ob das angesichts der Regelungen in §§ 627, 628 BGB so sein würde, war durchaus umstritten. Allerdings war der zu entscheidende Fall so, dass der Vergleich nahezu vollständig durch den Rechtsanwalt vorbereitet war. So lag die Richtigkeit der Entscheidung auf der Hand. Was in den Fällen gelten soll, wo die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt durchaus erhebliche Aufwendungen zur Erreichung des Erfolgs getätigt hat, die Kündigung aber nicht so nahe vor der Zielerreichung ausgesprochen wird, ist offen. VI. SOZIALRECHT 1. KEINE MAHNUNG VOR UNTÄTIGKEITSKLAGE Erfreulich ist auch ein aktueller Beschluss des BVerfG.11 11 BVerfG, Beschl. v. 8.2.2023 – 1 BvR 311/22. Die Überlastung von Sozialbehörden und Sozialversicherungsträgern führt immer öfter zu für Mandantinnen und Mandanten unerträglichen Verzögerungen. Der Gesetzgeber hat in § 88 SGG Fristen vorgesehen, innerhalb derer Anträge und Widersprüche entschieden werden sollen. Waren diese Klagen früher selten, werden sie inzwischen zum Alltagsgeschäft, wenn man als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt die Mandanteninteressen – oder auch die eigenen – angemessen fördern soll. So auch im Ausgangsfall. Die Rechtsanwältin hatte nach erfolgreichem Abschluss eines SGB II-Widerspruchsverfahrens die von ihr berechneten Kosten für die Beschwerdeführerin zur Erstattung gem. § 63 SGB X gestellt. Hierüber wurde nicht in der durch § 88 SGG bestimmten Frist entschieden. Die Rechtsanwältin erhob daher für die Beschwerdeführerin Untätigkeitsklage, die sich durch Erlass der erstrebten Erstattungsentscheidung erledigte. Die Rechtsanwältin beantragte daher die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin gegen das beklagte Jobcenter. Das SG lehnte die Auflastung der Kosten auf das Jobcenter ab, weil es meinte, die Beschwerdeführerin habe es versäumt, das Jobcenter vor Klageerhebung anzumahnen; die Untätigkeitsklage sei daher mutwillig erhoben worden. Das BVerfG hob die Kostengrundentscheidung des SG auf und führte aus, dass es keine Hinweispflicht des Bürgers in Bezug auf den Ablauf der gesetzlichen Bearbeitungsfristen gibt. Die Erhebung der Untätigkeitsklage sei das Ausnutzen einer gesetzlich bestehenden formalen Rechtsposition, die nicht durch das Gericht beschränkt werden durfte. Grundsätzlich sind daher die Rechtsanwaltskosten für eine Untätigkeitsklage auch ohne vorherige Mahnung der Behörde oder des Sozialversicherungsträgers erstattungsfähig. Vorsorglich weise ich aber darauf hin, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall eine andere Beurteilung möglich sein kann, wenn etwa die betroffene Person selbst zur Verlängerung von Bearbeitungszeiten beigetragen hat. 2. ONLINE-TERMINE IM SOZIALRECHT Das LSG Nordrhein-Westfalen12 12 LSG NRW, Beschl. v. 30.3.2022 – L 6 AS 699/21 B. hatte über die Vergütung der Teilnahme an einem Online-Termin gem. § 110a SGG im Jahr 2021 zu entscheiden. In einem Festsetzungsverfahren gegen die Landeskasse erinnerte der Bezirksrevisor gegen die Festsetzung einer mittleren Gebühr für den stattgehabten Online-Termin. Er führte an, dass der Vorbereitungsaufwand für einen online-Termin geringer sei als wenn der Rechtsanwalt HINNE, DIE ENTWICKLUNG DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG 2022/2023 BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 156
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