3. Tritt der geschäftsführende Partner einer Rechtsanwaltssozietät im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens als Sanierungsgeschäftsführer („CRO“) in die Geschäftsführung des Unternehmens ein, so sind in dieser Eigenschaft begangene Pflichtverletzungen, für die er als Organ Dritten gegenüber haftet, nur dem Unternehmen und nicht (auch) der Anwaltssozietät zuzurechnen. OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.12.2022 – 5 U 67/21, ZinsO 2023, 680 Man kann hier durchaus von einem Lehrstück in Sachen Anwaltshaftung sprechen, dessen Lektüre insbesondere den Beratern vermeintlich geschädigter Mandanten ans Herz gelegt werden kann. Der Senat beschäftigt sich mit Fragen der jeweiligen Mandatierung und des Mandatsumfangs unter Berücksichtigung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie der Abgrenzung zwischen der Tätigkeit als Rechtsanwalt einerseits und als Sanierungsgeschäftsführer andererseits, außerdem mit Fragen zu ausreichender Darstellung eines kausalen Schadens und der Annahme des beratungsgerechten Verhaltens bis hin zu Ausführungen dazu, dass es hier konkret eines Gesamtvermögensvergleichs bedurft hätte, der aber nicht ausreichend vorgenommen wurde. Bei den insgesamt vier Klägern handelte es sich um zwei Geschwister, die zuvor Geschäftsführer und Gesellschafter eines metallverarbeitenden Unternehmens waren, die Klägerinnen zu 3. und 4. waren jeweils Verwaltungsgesellschaften der Kläger zu 1. und 2. Beklagt war eine in der Rechtsform einer PartGmbB geführte Rechtsanwaltskanzlei. In einem ersten Schritt ging es darum, dass die Kanzlei in Person ihres namensgebenden Partners das von den Klägern geleitete Unternehmen in der bereits seit mehreren Jahren bestehenden Krise beraten sollte. Auf Basis dieser Beratung wurde dann die Entscheidung für ein „Schutzschirmverfahren“ getroffen und der beratende Rechtsanwalt auf entsprechenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung und Durchführung eines Schutzschirmverfahrens zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Die Vorwürfe der Kläger liefen im Kern darauf hinaus, dass der beratende Anwalt diese zunächst unter falschen Versprechungen zu dem Schutzschirmverfahren überredet habe, um anschließend nur in eigenem Gebühreninteresse das Sanierungsverfahren selbst durchzuführen. Dadurch seien die Kläger zu 1. und 2. jeweils um beträchtliche Forderungen gegen die Schuldnerin gebracht worden, außerdem hätten diese (unnötigerweise) auf hohe Versorgungszusagen verzichtet und darüber hinaus weitere – ebenfalls unnötige – Beraterhonorare zu zahlen gehabt. Insgesamt summierten sich diese Schadensersatzansprüche auf annähernd 30 Mio. Euro. Was das Anwaltsmandat zur Beratung über die Sanierungsmöglichkeit(en) angeht, hatte schon das LG herausgearbeitet, dass insoweit ein Mandat zwischen der Schuldnerin und der Anwaltsgesellschaft zustande kam. Anders als das LG sieht der Senat allerdings die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten der Kläger als gegeben an und prüft daher weiter. Im Ergebnis kommt er zu dem Schluss, dass eine Pflichtwidrigkeit bei der anwaltlichen Beratung nicht vorlag. Der Anwalt hatte nämlich von Beginn an deutlich gemacht, die Sanierung des Unternehmens nur im Rahmen des von ihm vorgeschlagenen Verfahrens zu den von ihm formulierten Bedingungen aus der Position des Sanierungsgeschäftsführers heraus zu übernehmen. Der Rat, diese Option sei der „Königsweg“, trägt nach Ansicht des Senats den Vorwurf nicht. Die Abwägung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise im Verhältnis zu anderen bereits auf dem Tisch liegenden Optionen sei Sache der Kläger gewesen; der Rechtsanwalt und insofern die Anwaltsgesellschaft, der das Beratungsverhalten zuzurechnen wäre, sei nicht wirtschaftsberatend tätig gewesen. Hinsichtlich der Rechtsberatung über das Schutzschirmverfahren blieben die Vorwürfe bis zuletzt unsubstantiiert; konkrete Fehler waren weder ausreichend dargestellt noch nachgewiesen. Selbst wenn man eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang unterstelle, müsse die Klage aber auch an der mangelnden Darstellung eines kausalen Schadens scheitern. Auch diesem Punkt widmet sich der Senat ausführlich und erläutert, dass es den Klägern nicht gelungen sei, im Sinne der Differenzhypothese ausreichend darzulegen, wie denn genau ein alternatives Vorgehen ausgesehen hätte, welche Optionen man also gewählt hätte und in welcher Weise schließlich diese Optionen zu welchen Folgen hinsichtlich des Vermögens der Kläger im Verhältnis zur tatsächlich durchgeführten Sanierung geführt hätten. Da nicht einmal diese Entscheidungsalternative(n) als ausreichende Grundlage dargestellt worden sei, komme auch die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens von vornherein nicht in Betracht. Schließlich bemängelt der Senat, dass der Schadenberechnung lediglich Einzelposten zugrunde gelegt wurden, wo doch auf der Hand lag, dass die angesprochenen alternativen Optionen – wären sie denn überhaupt durchführbar gewesen – ebenfalls andere finanzielle Nachteile auch und gerade für die Kläger nach sich gezogen hätten, während andererseits das Schutzschirmverfahren nicht allein nachteilig war, konnten die Kläger doch im Ergebnis immerhin einen Gesellschaftsanteil halten. Abschließend musste dann noch die Frage behandelt werden, ob im Rahmen der Tätigkeit des Anwalts als Sanierungsgeschäftsführer Schadenersatzansprüche in Betracht kommen konnten. Hier nahm der Senat einen weiteren Mandatsvertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten an, der die Betreuung des Unternehmens im Rahmen des Schutzschirmverfahrens selbst regelte. Wegen der ersichtlichen Interessenunterschiede konnten die Beteiligten aber diesbezüglich nicht mehr JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 160
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