es sehr häufig auf den pointierten Wiedereinsetzungsvortrag ankommt. Der Senat weist jedoch auch noch auf einen weiteren – sehr relevanten – Punkt hin: Es fehle nämlich auch an der Darlegung, weshalb der Verfahrensbevollmächtigte nicht von der in § 130d S. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, die Berufungsbegründungsschrift vor Ablauf der Begründungsfrist in herkömmlicher Weise – etwa per Telefax – einzureichen. An diese Möglichkeit sollte man in der Tat bei technischen Störungen immer als erstes denken! Denn im Gegensatz zur Wiedereinsetzung spielt hier das Verschulden des Prozessbevollmächtigten keine Rolle. Wichtig ist nach § 130d S. 3 ZPO hingegen, dass die vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung unverzüglich – idealiter gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung – glaubhaft gemacht wird. (ju) AKTIVE NUTZUNGSPFLICHT JETZT AUCH FÜR STEUERBERATER Steuerberater sind nach § 52d S. 2 FGO seit dem 1.1.2023 verpflichtet das beSt zu nutzen, da ihnen spätestens ab diesem Zeitpunkt ein sicherer Übermittlungsweg gem. § 52a IV 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Auf den Erhalt des Registrierungsbriefs oder der Erstanmeldung kommt es daher nicht an. Niedersächsisches FG, Urt. v. 20.3.2023 – 7 K 183/22 Seit dem 1.1.2023 besteht die Pflicht zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs für einen Steuerberater (erst), sobald ihm der von der Bundessteuerberaterkammer versandte Registrierungstoken für die Steuerberaterplattform (§ 15 I Nr. 2 StBPPV) zugegangen ist. Hessisches FG, Beschl. v. 21.3.2023 – 10 V 67/23; FG Münster, Gerichtsbescheid v. 14.4.2023 – 7 K 86/23, BB 2023, 996 Ein Jahr nach den Rechtsanwälten sind nun auch Steuerberater verpflichtet, ihr elektronisches Postfach „beSt“ zu nutzen. Berufsrechtlich ergibt sich dies aus § 86c I StBerG: Die Mitglieder der Steuerberaterkammern sowie die nach § 76a II in das Berufsregister eingetragenen Berufsausübungsgesellschaften sind verpflichtet, sich bei der Steuerberaterplattform mit dem für sie eingerichteten Nutzerkonto zu registrieren. Nach § 86d VI StBerG ist der Inhaber des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beSt zur Kenntnis zu nehmen. Die aktive Nutzungspflicht ergibt sich aus der FGO, nach deren § 52d S. 2 allerdings bereits seit dem 1.1. 2022 die Pflicht bestand, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln, sofern ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a IV Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte war das über das beA seit dem 1.1.2022 der Fall, für Steuerberater ist dieser Übermittlungsweg nun das beSt. Anders als beim beA stand indes das beSt nicht bereits lange vor der Nutzungspflicht schon zur Verfügung. Vielmehr trat die Steuerberaterplattform- und-postfachverordnung (StBPPV) erst am 1.1.2023 in Kraft, gem. § 2 der StBPPV musste die Steuerberaterkammer zunächst Nutzerkonten einrichten und die Berufsträger informieren. Nach § 15 I Nr. 2 ist für die Erstanmeldung am beSt ein Registrierungstoken erforderlich, den der Postfachinhaber von der Bundessteuerberaterkammer oder einer von ihr bestimmten Stelle erhält. Diesen Token hatten offenbar längst nicht alle Steuerberater am Jahresanfang erhalten. Vielmehr informierten die Kammern, dass im Laufe des ersten Quartals 2023 die Versendung erfolgen würde. Berufsträgern, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, wurde geraten, sich für eine Priorisierung, die sog. „Fast Lane“, anzumelden. Die tatsächliche Nutzung war somit den Allerwenigsten am Jahresanfang möglich. Das Niedersächsische FG sah dennoch eine am 13.1. 2023 per Fax übersandte Klagebegründung als formunwirksam an. Das beSt habe ab dem 1.1.2023 unabhängig von dem fehlenden Token „zur Verfügung gestanden“, aus § 157e StBerG ergebe sich die aktive Nutzungspflicht. „Etwaige Organisationsmängel der BStBK vermögen es nicht, den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt zu suspendieren.“ Es ließ auch keine Ersatzeinreichung nach § 52d S. 3 und 4 FGO zu, da es sich nicht um eine „vorübergehende technische Störung“ handele. Das Hessische FG geht das Problem wesentlich realitätsnäher an: Während die Möglichkeit der Identifizierung und Authentisierung in der Sphäre des jeweiligen Steuerberaters liege, sei es diesem vor der Übermittlung des Registrierungstokens aus allein in der hoheitlichen Sphäre des Betreibers der technischen Infrastruktur liegenden Gründen unmöglich, die Erstanmeldung am besonderen Steuerberaterpostfach durchzuführen. Ohne Übermittlung des Registrierungstokens stehe ihm das besondere elektronische Steuerberaterpostfach nicht zur Verfügung, somit war die Übermittlung per Fax noch zulässig. Auch das FG Münster bringt es (Rn. 27) auf den Punkt: Von den Steuerberatern würde nämlich in Einzelfällen „etwas faktisch Unmögliches gefordert“. Dies wäre im Ergebnis unzumutbar und aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zur rechtsschutzgewährenden Auslegung nach Art. 19 IVGG. Anzumerken ist, dass der BFH im Beschluss v. 27.4. 20227 7 BFH, Beschl. v. 27.4.2022 – XI B 8/22 Rn. 6, BB 2022, 2082. darauf hinwies, dass Steuerberater mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab dem 1.1. 2023 nach § 52d S. 2 FGO nutzungspflichtig seien. Die faktischen Verzögerungen dürfte der BGH zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht im Blick gehabt haben. BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 162
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