tung nicht bei. Die Assistentin der Geschäftsleitung der Adressatin brachte am 4.10.2017 einen Eingangsstempel mit diesem Datum auf dem Bescheid an. Dieses Datum wurde auch dem Anwalt der Firma als Eingangsdatum mitgeteilt, der am Montag, den 6.11.2017, Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht erhob. Das BVerwG entschied in letzter Instanz, dass die Klage nach § 74 I 1 VwGO verfristet und daher unzulässig sei. Zustelldatum sei der 2.10.2017 gewesen. Die Mitarbeiterin, die den Bescheid entgegengenommen habe, sei von der Klägerin empfangsbevollmächtigt, also Empfangsbotin gewesen. Die Versäumung der Klagefrist sei nicht unverschuldet. Der Anwalt der Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich für die Berechnung der Klagefrist Gewissheit über das Zustelldatum zu verschaffen. Die Zustellung zeichne sich durch ihre besondere Förmlichkeit aus, welche eine möglichst genaue Bestimmung des Zeitpunkts der Bekanntgabe behördlicher Entscheidungen gewährleiste. Dabei gälten für die unterschiedlichen Formen der Zustellung jeweils eigene Vorschriften. Werde damit der Begriff des Zugangs rechtlich bestimmt, handle es sich um eine Rechtstatsache, bezüglich derer sich ein Anwalt – zumal angesichts der besonderen Bedeutung des Zeitpunkts der Zustellung – nicht auf die Angaben seines Mandanten verlassen dürfe, sondern deren Richtigkeit er eigenverantwortlich überprüfen müsse. Dass vorliegend weder ein Umschlag, auf dem das Datum bei Zustellung mittels PZU (§ 3 VwZG) oder durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 VwZG) vermerkt gewesen wäre, vorgelegen habe noch auf dem Bescheid die Art der Zustellung angegeben gewesen sei, schließe ein Verschulden nicht aus. Es habe vielmehr angesichts der unterschiedlichen Zustellungsarten und der hiervon abhängigen unterschiedlichen Regelungen des Zugangs besonderen Anlass gegeben, sich Gewissheit über die Zustellung und ihren Zeitpunkt zu verschaffen. Da der Anwalt nach Ablauf der Klagefrist Akteneinsicht erhalten habe, sei zudem auch noch die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags versäumt, da er im Rahmen der Akteneinsicht die Möglichkeit und die Pflicht gehabt habe, die Akte im Hinblick auf die Klagefrist zu überprüfen. Eine Pflicht des Anwalts zur eigenen Prüfung sog. Rechtstatsachen, gerade auch im Hinblick auf die Frage eines Zugangs zur Berechnung von Fristen, statuiert auch der BGH, z.B. im Fall der Berechnung einer Frist zur Erhebung einer arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG ab Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer.9 9 BGH, NJW 2019, 1151 m. Anm. Jungk, BRAK-Mitt. 2019, 123; BGH, NJW 1996, 853; NJW 1996, 1968. Auf möglicherweise unpräzise oder gar falsche Angaben des Mandanten darf der Anwalt sich dabei gerade nicht verlassen! (hg) WARTEN AUF RECHTSSCHUTZ-DECKUNGSZUSAGE BEI RECHTSMITTELFRIST? Es stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn eine Partei ein Rechtsmittel erst nach Ablauf der Frist einlegt, weil zuvor keine Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers vorlag und der Partei das Kostenrisiko ohne Deckungszusage zu hoch war. Der Anwalt ist verpflichtet, bei Ausbleiben einer Antwort auf seine Deckungsanfrage vor Fristablauf beim Rechtsschutzversicherer nachzufragen. OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2023 – 6 U 116/22 Der Anwalt legte für seinen Mandanten erst nach Fristablauf Berufung ein. Seinen Wiedereinsetzungsantrag begründete er damit, dass er noch am Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beim Rechtsschutzversicherer Deckung für die Berufung angefragt habe. Der Mandant habe ihn angewiesen, keine Kosten ohne Deckungszusage auszulösen. Nach Fristablauf habe der Versicherer mitgeteilt, dass er rechtzeitig Deckungszusage erteilt habe; diese sei aber beim Anwalt nicht eingegangen. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Die mangelnde Bereitschaft einer Partei, ein Kostenrisiko selbst zu tragen, stelle keinen prozessrechtlich relevanten Hinderungsgrund dar.10 10 BGH, MDR 2016, 175; BSG, Beschl. v. 6.5.2020 – B 14 AS 50/19 B. Angesichts der Weisung des Mandanten und der vom Anwalt angefragten Deckungszusage sei der Anwalt verpflichtet gewesen, rechtzeitig beim Versicherer nachzufragen. (hg) RICHTIGE PARTEIBEZEICHNUNG BEI WEG – BESCHLUSSMÄNGELKLAGE NACH GESETZESÄNDERUNG (...) 2.a) Werden in einer nach dem 30.11.2020 bei Gericht eingegangenen Beschlussmängelklage entgegen § 44 II 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte bezeichnet, kann die Klage nur dann als gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtet zu verstehen sein, wenn sich ein entsprechender Wille zweifelsfrei aus dem übrigen Inhalt der Klageschrift ergibt. Für eine solche Annahme genügt nicht bereits die Nennung des Verwalters im Anschluss an die Parteibezeichnung. 2.b) Eine Beschlussanfechtungsklage, die nach dem 30.11.2020 eingeht und gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet ist, wahrt die Klagefrist gem. § 45 S. 1 WEG nicht; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 45 S. 2 WEG i.V.m. §§ 233 ff. ZPO kommt bei einer anwaltlich vertretenen Partei nicht in Betracht (Abgrenzung zu Senat, Urt. v. 6.11.2009 – V ZR 73/09, NJW 2010, 446). BGH, Urt. v. 13.1.2023 – V ZR 43/22, NZM 2023, 288 Durch das am 1.12.2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz wurde die frühere ReJUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 AUFSÄTZE 164
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