[55] Gemäß Art. 6 I der Richtlinie 93/13 obliegt es dem Fortbestand des Vertrages? nationalen Gericht, die missbräuchlichen Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Der Vertrag muss jedoch – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist (Urt. v. 25.11.2020, Banca B., C-269/19, EU:C:2020:954, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). [56] Wenn ein zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossener Vertrag nach Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel nicht fortbestehen kann, hindert Art. 6 I der Richtlinie 93/13 das nationale Gericht nicht daran, die missbräuchliche Klausel wegfallen zu lassen und sie in Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts zu ersetzen, wenn die Nichtigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass dieser dadurch geschädigt würde (Urt. v. 25.11.2020, Banca B., C269/19, EU:C:2020:954, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). [57] Im vorliegenden Fall fragt sich das vorlegende Gericht, welche Folgen es hätte, wenn die Klausel über die Vergütung für missbräuchlich erklärt würde. Es weist zum einen darauf hin, dass die Verträge, um die es im Ausgangsverfahren geht, ohne die Klausel über die Vergütung nicht fortbestehen könnten, und zum anderen darauf, dass die Lage, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, nicht wiederhergestellt werden könne, da die in den Verträgen vorgesehenen Rechtsdienstleistungen bereits erbracht worden seien. [58] Nach der oben in den Rn. 54 bis 56 dargestellten Rechtsprechung ist das nationale Gericht, wenn es die Missbräuchlichkeit der Klausel über die Vergütung feststellt, verpflichtet, diese für unanwendbar zu erklären, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Die Wiederherstellung der Lage, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, erfolgt grundsätzlich dadurch, dass der Verbraucher von der Verpflichtung befreit wird, die gemäß der Klausel berechnete Vergütung zu zahlen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Dienstleistungen bereits erbracht worden sind. [59] Sollte das vorlegende Gericht zu der Einschätzung gelangen, dass die Verträge nach der Aufhebung der Klausel über die Vergütung nach den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts nicht fortbestehen können, steht Art. 6 I der Richtlinie 93/13 der Nichtigerklärung der Verträge daher nicht entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn dies bedeuten würde, dass der Gewerbetreibende für seine Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält. [60] Nur falls die Nichtigerklärung der Verträge insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass er bestraft würde, ist das vorlegende Gericht ausnahmsweise befugt, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts zu ersetzen. [61] Was die möglichen Folgen der Nichtigerklärung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge für den Verbraucher angeht, hat der Gerichtshof zu einem Darlehensvertrag entschieden, dass die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt grundsätzlich bedeuten würde, dass der noch offene Darlehensbetrag sofort in einem Umfang fällig wird, der die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers möglicherweise übersteigt, und für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben könnte (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 3.3. 2020, Go´mez del Moral Guasch, C-125/18, EU:C: 2020:138, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Nichtigerklärung eines Vertrags besonders nachteilige Folgen hat, ist aber nicht lediglich auf die rein wirtschaftlichen Folgen abzustellen. [62] Wie der Generalanwalt in den Nrn. 74 und 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist nämlich durchaus denkbar, dass die Nichtigerklärung eines Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, die bereits erbracht worden sind, für den Verbraucher Rechtsunsicherheit bedeuten kann, insbesondere in Fällen, in denen der Gewerbetreibende die Vergütung der Dienstleistungen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf einer anderen Grundlage als dem für nichtig erklärten Vertrag verlangen kann. Außerdem kann sich die Nichtigkeit des Vertrags nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften möglicherweise auf die Gültigkeit und Wirksamkeit der auf der Grundlage des Vertrags vorgenommenen Handlungen auswirken. [63] Sollte das vorlegende Gericht in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen zu dem Schluss gelangen, dass die Nichtigerklärung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, stünde Art. 6 I der Richtlinie 93/13 daher nicht dem entgegen, dass das vorlegende Gericht die Klausel über die Vergütung durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzt. Eine solche Vorschrift muss aber für eine Anwendung speziell auf Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern bestimmt sein und darf nicht so allgemein sein, dass ihre Anwendung darauf hinauslaufen würde, dass das nationale Gericht für die erbrachten Dienstleistungen letztlich eine Vergütung festsetzen könnte, die es selbst für angemessen hält (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 8.9.2022, D.B.P. u.a. [Auf eine Fremdwährung lautendes Hypothekendarlehen], C-80/21 bis C-82/21, EU:C:2022:646, Rn. 76 und 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). EUROPA BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 180
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