[64] Falls die im Vorlagebeschluss angesprochene Verkeine Ersetzung missbräuchlicher Klauseln ordnung v. 2.4.2004 eine solche Vorschrift enthalten sollte – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, könnte diese Verordnung herangezogen werden, um die Klausel über die Vergütung durch eine vom Gericht festgesetzte Vergütung zu ersetzen. [65] Hingegen darf das vorlegende Gericht die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge nicht anpassen, indem es selbst bestimmt, welche Vergütung für die erbrachten Dienstleistungen angemessen ist. [66] Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, den Vertrag nämlich nicht durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anpassen (Urt. v. 25.11.2020, Banca B., C-269/19, EU:C:2020:954, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). [67] Stünde es dem nationalen Gericht frei, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in einem solchen Vertrag abzuändern, könnte eine derartige Befugnis die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Sie trüge dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben; die Gewerbetreibenden blieben nämlich versucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass der Vertrag, selbst wenn die Klauseln für nichtig erklärt werden sollten, gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass ihr Interesse auf diese Art und Weise gewahrt würde (Urt. v. 18.11.2021, A. S.A., C-212/20, EU:C:2021:934, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). [68] Nach alledem ist auf die Fragen 5 und 6 zu antworten, dass Art. 6 I und Art. 7 I der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie in Fällen, in denen ein zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossener Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach der Aufhebung einer für missbräuchlich erklärten Klausel, nach der sich die Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen nach dem Zeitaufwand richtet, nicht fortbestehen kann und in denen die Dienstleistungen bereits erbracht sind, nicht dem entgegenstehen, dass das nationale Gericht, auch dann, wenn dies dazu führt, dass der Gewerbetreibende für seine Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält, die Lage wiederherstellt, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte. Hätte die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, stehen die genannten Vorschriften nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht der Nichtigkeit der Klausel abhilft, indem es sie durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzt. Hingegen stehen die genannten Vorschriften dem entgegen, dass das nationale Gericht die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel ersetzt, indem es selbst bestimmt, welche Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen angemessen ist. ANMERKUNG: Zu entscheiden hatte der EuGH über eine Vorlage des Obersten Gerichts in Litauen zu Art. 4 II der Richtlinie 93/13/EWG des Rates v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Das Oberste Gericht in Litauen hatte über Vergütungsansprüche aus fünf Verträgen über die Beratung und Erbringung von weiteren Rechtsdienstleistungen auf der Basis von Vergütungsvereinbarungen, die mit einem Verbraucher geschlossen waren, zu entscheiden. Die Vergütung sollte sich jeweils nach dem Zeitraufwand richten. Vereinbart war ein Stundensatz von 100 Euro. Der EuGH hat klargestellt, dass die Zeithonorarklausel als Preisabrede und damit „Hauptgegenstand des Vertrages“ zwar grundsätzlich keiner Missbrauchskontrolle unterzogen werden könne. Voraussetzung sei aber, dass die Klausel klar und verständlich, transparent i.S.v. Art. 4 II der Richtlinie 93/13, ist. Der betroffene Verbraucher müsse in der Lage sein, die sich für ihn aus der Vereinbarung ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen. Dabei komme es auch darauf an, ob dem Verbraucher sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm erlauben, die finanziellen Folgen seiner Verpflichtung einzuschätzen. Im entschiedenen Fall war in der Vergütungsvereinbarung lediglich der Stundensatz festgelegt. Das ist nach Ansicht des EuGH nicht ausreichend. Denn ohne weitere Angaben sei ein normal informierter und angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht in der Lage, die finanziellen Folgen der Vergütungsvereinbarung, nämlich die für die Dienstleistungen insgesamt zu zahlende Vergütung, einzuschätzen. Die Bewertung, ob die Intransparenz der Klausel deren Missbräuchlichkeit zur Konsequenz hat, überlässt der EuGH den nationalen Gerichten nach nationalem Recht. Sei die Klausel danach missbräuchlich und kann der Vertrag ohne die unanwendbare Klausel nicht aufrechterhalten werden, könne das nationale Gericht die Lage wiederherstellen, in der sich die Verbraucherseite ohne die Klausel befunden habe, auch wenn dies bedeute, dass die Anwältin oder der Anwalt dann keine Vergütung erhalte. Lediglich für den Fall, dass die Nichtigkeit des Vertrages für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hat, könne das Gericht eine missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen, die Vergütung aber nicht selbst festsetzen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2023 181
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